Tatort Dortmund:"Sie sehen ja, was hier los ist"

Lesezeit: 2 Min.

Kommissar Faber (Foto: WDR/Thomas Kost)

"Inferno" handelt von überfordertem Klinikpersonal - und zeigt das ziemlich plakativ. Auch Kommissar Fabers speckiger Parka und LSD-Experimente helfen nicht weiter.

Von Holger Gertz

Diese Rezension wurde zur Erstausstrahlung des Tatorts am 14. April 2019 veröffentlicht. Nun wiederholt das Erste den Fall, weswegen wir den Text erneut publizieren.

Diese Geschichte aus Dortmund spielt in der Alltagshektik eines Krankenhauses, wo eine Internistin umgekommen ist, der Kopf der Leiche war umhüllt von einer Plastiktüte. Sexunfall, Rachedelikt, Verdeckungstat? Peter Faber (Jörg Hartmann) und Martina Bönisch (Anna Schudt) ermitteln, wie man in einem solchen Fall gern sagt, in alle Richtungen, wobei der Fall in den Hintergrund tritt, sobald Faber in seinem speckigen Parka die Kulisse betritt. Der Parka scheint noch etwas speckiger zu sein als sonst, und auch das irre Lächeln des Inspektors ganz am Anfang deutet an, dass die Ermittelei in alle Richtungen tatsächlich nur ein Ziel kennt: Fabers Innerstes, seine Seele.

Frau und Tochter dieses Kommissars sind vor Jahren bei einem Verkehrsunfall umgekommen, das war der Bruch in seinem Leben. Der Verlust seiner Familie hat ihn zu dem gemacht, der er ist: Er macht ihn extrem empfindsam, manchmal auch besonders zynisch; er macht ihn warm und kalt; er erklärt seine Stärken als Ermittler und seine Schwächen als Mensch. Faber kämpft permanent ums Überleben, in den dreizehn bisherigen Folgen aus Dortmund trat sein Kaputtsein mal mehr, mal weniger zutage, zuletzt schien er allmählich von der Gruppe im Kommissariat aufgefangen zu werden. Dieses Mit- oder Gegeneinander ist immer schön erzählt worden, und die Dortmunder haben es dabei oft zustande gebracht, parallel relevante Stoffe zu behandeln: Neonazis, Rockerbanden, Terrorismus. Man braucht starke, vielschichtige Geschichten, als Gegengewicht zu Fabers Wahnsinn.

In der Episode "Inferno" jetzt (Buch: Markus Busch; Regie: Richard Huber) entsteht allerdings eine Unwucht, denn die Geschichte im Krankenhaus ist keine vielschichtige Geschichte. Sie handelt von der Überlastung des Klinikpersonals, die dann doch sehr plakativ dargestellt wird. Ein Arzt wirft sich Tabletten gegen Schlafmangel ein, eine Ärztin sagt den klassisch-atemlosen Krankenhausserien-Satz auf: "Sie sehen ja, was hier los ist." (So ähnlich hätte das die Stationsschwester Marta Hunková auch formuliert, damals vor vierzig Jahren im Krankenhaus am Rande der Stadt.) Auf der anderen Seite: Faber wird von Halluzinationen gepackt, hört Stimmen, schläft schlecht, ist nicht mehr erreichbar, lässt sich auf Spielchen mit LSD-Pillen ein, und all das ist wahnsinnig, aber der Wahnsinn führt hier allerhöchstens zu der Erkenntnis, dass irgendwie alle überfordert sind.

Nur mittelgut, dieser Tatort, jedenfalls für Dortmunder Verhältnisse. Und, eine Frage tritt aus den Kulissen hervor: Wie lange noch trägt diese Konstellation mit einem Kommissar, der immer am Abgrund steht?

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 13.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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