Presseschau zum Dieselverbot:"Ein harter Schlag für die Vorzeigeindustrie des Landes"

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"Die Entscheidung wird Millionen Fahrer in einen Zustand der Unsicherheit stürzen", schreibt der Guardian über das Dieselverbot. (Foto: AP)

Die einen hören die Totenglocke für den Diesel läuten, die anderen sehen das Ende des deutschen Traums: eine internationale Presseschau.

Das Wall Street Journal sieht im Diesel-Urteil einen harten Schlag gegen die Automobilindustrie:

"Ein deutsches Gericht hat am Dienstag die Totenglocke für eine bestimmte Art Dieselfahrzeug geläutet - ein harter Schlag für die Vorzeigeindustrie des Landes. Die Automobilindustrie könnte nun gezwungen sein, Milliarden auszugeben, um Millionen Fahrzeuge nachzurüsten oder zu ersetzen [...]. Das Urteil dürfte den Niedergang einer Technologie beschleunigen, die von deutschen Automobilherstellern als Allheilmittel für solide Fahrleistung, geringen Kraftstoffverbrauch und geringe Treibhausemission vorangetrieben wurde, die aber durch den Abgasskandal diskreditiert wurde."

Der britische Guardian befürchtet unabsehbare Folgen für die deutschen Autofahrer:

"Die Entscheidung wird Millionen Autofahrer in einen Zustand der Unsicherheit stürzen. Unklar, wie sie im Falle eines Fahrverbots zur Arbeit oder in die Schule kommen oder wie sie damit umgehen sollen, dass ihre Fahrzeuge nun wohl an Wert verlieren werden. Die Entscheidung wird außerdem der neuen deutschen Regierung, die voraussichtlich aus einer großen Koalition von Merkels Konservativen und den Sozialdemokraten bestehen wird, große Kopfschmerzen bereiten. Denn schon werden Rufe nach Entschädigung laut. Um verängstigte Autobesitzer zu beschwichtigen, hat die Regierung verkündet, dass sich nichts sofort ändern werde, und betont, dass Fahrverbote nicht unausweichlich seien."

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Die New York Times sieht in der Gerichtsentscheidung einen Paradigmenwechsel:

"Das Urteil zum Fahrverbot - unter Deutschlands europäischen Nachbarn bereits beliebt - könnte die Schleusen öffnen für eine Flut neuer Maßnahmen in Städten im ganzen Land. Doch der Widerstand gegen Schritte, die die Rechte der Autofahrer in Deutschland beschränken, sitzt tief. Die Diesel-Technologie wurde in diesem Land entwickelt, und sie hat einen erheblichen Anteil an den 800 000 Arbeitsstellen der deutschen Autoindustrie."

Die französische Tageszeitung Le Monde spürt den Druck auf die Automobilindustrie steigen:

"Das ist eine Entscheidung, die die Umweltschutzverbände freut, Millionen von Autofahrern verunsichert, die mächtigen Autobauer des Landes schwächt und die deutschen Behörden in Verlegenheit bringt. [...] Eine Entscheidung, der die Autokonzerne widersprechen: Ein gänzliches Verbot könnte eine Abnahme des Wiederverkaufswertes nach sich ziehen, sowie eine Erhöhung der Leasing-Kosten - beides indexabhängig vom Restwert der Fahrzeuge."

Die Washington Post erinnert an die große Liebe der Deutschen zu ihren Autos:

"Die Entscheidung wurde sehr genau verfolgt in diesem Land mit der anhaltenden Leidenschaft für Autos. Eine Leidenschaft, sie zu entwerfen, sie zu bauen - und sie zu fahren. Diese Liebesbeziehung wurde in den vergangenen Jahren von Skandalen getrübt. Die Enthüllung, dass Volkswagen bei den Abgastests betrogen hatte, warf 2015 einen besonders großen Schatten auf eine Industrie, die Jobs für 800 000 Deutsche bietet. Das Urteil von Dienstag stellt einen weiteren ernsten Schlag für die Autohersteller und für die deutschen Behörden da, die nach einer Ausrede gesucht hatten, um Wähler nicht durch Fahrverbote zu verärgern."

Das US-amerikanische Medium Politico wirft einen Blick in die Zukunft:

"Die Automobilindustrie ist Deutschlands größte Industrie und einer der Gründe, warum das Land ein Exportriese ist. Jahrzehntelang bedeutete der deutsche Traum für viele ein Haus vor den Toren der Stadt und ein gut gebautes deutsches Auto, um zur Arbeit zu pendeln. Doch dieser Traum erstickt viele Städte [...]. Die Deutschen lieben ihre Autos, was den Politikern sehr bewusst ist [...]. Nach diesem Urteil wird der Wiederverkaufswert älterer Autos wohl in den Keller stürzen, da es keine große Nachfrage nach Fahrzeugen geben wird, die nicht in Stadtzentren dürfen. Die Zukunft des deutschen Verkehrs liegt wohl im öffentlichen Nahverkehr. Und nicht im ziellosen Herumfahren mit der Diesel-Limousine auf der Autobahn."

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