Pressefreiheit:Wie sich der Druck auf Journalisten erhöht

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Fotojournalist im Einsatz: Die Bedingungen für Medienschaffende werden in vielen Ländern schwerer. (Foto: Moritz Thibaud/ABACA/dpa)

Immer mehr Journalisten sitzen weltweit in Haft. Die aktuelle Rangliste von Reporter ohne Grenzen zeigt, welches Privileg Pressefreiheit ist.

Von Simon Groß, Francesca Polistina und Sarah Unterhitzenberger

Es ist eine schlechte Nachricht für alle, die in der Medienbranche tätig sind - und für alle anderen auch: In vielen Ländern haben sich die Arbeitsbedingungen für Journalisten und Medienschaffende in den vergangenen Jahren verschlechtert - jedenfalls laut der NGO Reporter ohne Grenzen, die jährlich einen globalen Indikator der Pressefreiheit berechnet. Diese Zahl soll eine Art Thermometer dafür sein, wie frei Journalisten weltweit arbeiten können und einem Arzt würde der aktuelle Wert nicht gefallen. Denn seit 2013 ist der Indikator um zwölf Prozent geschrumpft. Übersetzt heißt das: die Pressefreiheit wird vielerorts eingeschränkt. Länder, in denen es keine oder kaum Pressefreiheit gibt, sind mehr geworden als früher - wie im Nahen Osten und Nordafrika. Und jene Länder, die vor sieben Jahren noch auf einem vielversprechenden Weg waren, haben sich häufiger verschlechtert als verbessert - wie in Osteuropa.

Fakt ist: Medienschaffende sind in vielen Ländern unter Druck geraten - eine Tendenz, die sich auch in der gestiegenen Anzahl von inhaftierten Journalisten widerspiegelt. Andauernde Konflikte, autoritäre Regime, geringer Schutz in der digitalen Kommunikation und eine erhöhte Medienkonzentration machen es ihnen zunehmend schwerer, frei und unabhängig zu berichten. Hinzu kommt ein feindseliges Klima gegenüber Medien, das nicht zuletzt von Staatschefs wie Donald Trump in den USA und Jair Bolsonaro in Brasilien geschürt wird. Und schließlich die Corona-Krise: Repressive Staaten nutzen sie aus, um Medien noch stärker als zuvor zu kontrollieren. Welche wirtschaftlichen Folgen die Krise haben wird, ist bisher kaum abzuschätzen, doch eins ist schon jetzt klar: Sie wird Spuren hinterlassen. Christophe Deloire, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen, sieht den Journalismus vor einem entscheidenden Jahrzehnt.

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In nur 14 von 180 Ländern herrscht nach Angaben von Reporter ohne Grenzen eine "gute Lage" der Pressefreiheit - insgesamt entspricht das etwa zwei Prozent der Weltbevölkerung. Deutschland gehört dazu, seine Position hat sich zum Vorjahr um zwei Plätze verbessert. Grund dieser Verbesserung ist die sinkende Zahl der tätlichen Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten - weil im vergangenen Jahr keine großen rechtspopulistischen Proteste wie in Chemnitz stattgefunden haben, wie die NGO schreibt. Wie schon in den Jahren zuvor befinden sich ganz oben an der Spitze die skandinavischen Länder - aber auch Jamaika und Costa Rica schneiden gut ab.

Keine Überraschungen gibt es bei den Ländern, die regelmäßig am schlechtesten abschneiden. Seit Jahren belegen Nordkorea, Turkmenistan, Eritrea und China die letzten Plätze in der Rangliste: dort werden die Medien stark zensiert und kontrolliert, kritischen Stimmen droht die Inhaftierung - sogar der Tod.

Vor allem zwei Länder haben in den vergangenen Jahren stark aufgeholt, was die Pressefreiheit anbelangt - und beide Länder befinden sich in Afrika. In Tunesien hat sich die Situation der Pressefreiheit seit der Revolution 2011 deutlich verbessert, dank progressiver Gesetzgebung und weniger Angriffe auf Journalisten. Im westafrikanischen Gambia hat die friedliche Ablösung des langjährigen Diktators Yahya Jammeh zum Ende des staatlichen Nachrichtenmonopols und zur Entstehung vieler privater Radio- und Fernsehsender geführt, wie Reporter ohne Grenzen schreibt.

Deutlich verschlechtert hat sich die Lage der Pressefreiheit nicht nur in Konfliktgebieten wie in der Zentralafrikanischen Republik, sondern auch in der Europäischen Union. Polen und Malta stechen dabei negativ hervor: In Polen kontrolliert die nationalpopulistische Regierung der PiS-Partei den öffentlichen Rundfunk, auf Malta gehören mangelnde Rechtsstaatlichkeit und der ständige Versuch politischer Einflussnahme zu den Hauptproblemen für Medienschaffende.

Die Zahl der jährlich getöteten Journalisten ist in den vergangenen Jahren gesunken. Das liegt laut Reporter ohne Grenzen vor allem daran, dass weniger Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten umgekommen sind, wobei nicht auszuschließen ist, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. Die NGO berücksichtigt nach eigenen Angaben nur Fälle, in denen nach sorgfältiger Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass die Personen "in direktem Zusammenhang mit ihrer journalistischen Tätigkeit Opfer von Gewalt, Angriffen oder Unterdrückung geworden sind." Über einen längeren Zeitraum betrachtet waren vor allem der Irakkonflikt Mitte der 2000er Jahre und der syrische Bürgerkrieg für steigende Opferzahlen unter Medienschaffenden verantwortlich, sagt Prem Samy von der französischen Sektion von Reporter ohne Grenzen, der für den Index verantwortlich ist.

Dass die Zahl der getöteten Bürgerjournalisten erst ab 2010 relevant wird, hänge mit dem Aufstieg neuer Medienformen im Netz zusammen. Facebook, Twitter und Blogs spielten erstmals im Arabischen Frühling und im Syrienkrieg eine entscheidende Rolle. Bürger nutzten die Plattformen, um über die Krisen zu berichten - und gerieten dabei ins Visier der Konfliktparteien. Die Opferzahlen in Ländern ohne bewaffneten Konflikt wie in Mexiko seien dagegen zuletzt konstant hoch geblieben, schreibt die NGO. Laut ihr waren 2019 Syrien, Mexiko, Afghanistan, Pakistan und Somalia die gefährlichsten Orte für Medienschaffende.

Gestiegen ist dagegen die Zahl der Journalisten, die im Gefängnis sitzen. In den vergangenen fünf Jahren hat sich ihre Zahl deutlich erhöht und liegt aktuell bei 229 Inhaftierten. Die Zahl der Bürgerjournalisten in Haft ist hingegen zuletzt wieder rückläufig gewesen.

Wirft man einen Blick darauf, wo die meisten Journalisten eingesperrt sind, fällt auf, dass China einen traurigen Rekord hält: Alleine dort sind momentan 67 Journalisten inhaftiert. Hinzukommen 42 Bürgerjournalisten, die versuchten, an den scharfen Kontrollen der Kommunistischen Partei vorbei zu berichten, wie Reporter ohne Grenzen in der vergangenen Jahresbilanz schrieb. Danach folgen Saudi-Arabien, wo 20 Journalisten und 13 Bürgerjournalisten in Haft sitzen, und Ägypten, wo 24 Journalisten und vier Bürgerjournalisten inhaftiert sind. Zusammen genommen sitzt fast die Hälfte aller eingesperrten Medienschaffenden in diesen drei Ländern. Vergangenes Jahr lag der Anteil der weiblichen inhaftierten Medienschaffenden bei acht Prozent, berichtet Reporter ohne Grenzen.

© SZ vom 02.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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