Neuverfilmung des Serien-Klassikers:"Pan Tau" ist jetzt Eventmanager

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Zurück mit Charme und Melone: Otto Šimánek ist Pan Tau. Die Serie aus den Siebzigern gibt es neu auf DVD. (Foto: Heinz Wieseler/dpa)

In den Siebzigern stand der freundliche Herr mit der Melone für Humor, Empathie und Solidarität. In der Neuauflage ist davon wenig zu spüren. Hat die Generation Z denn keine eigenen Figuren?

Von Martin Zips

Vielleicht kann man es so beschreiben: Nach 40 Jahren trifft man seine erste Liebe wieder. Ivana aus Prag! Wie lustig sie damals war, wie natürlich, wie frech. Doch nun, ein paar Schönheitsoperationen später, ist aus ihr eine amerikanische Business-Lady geworden.

Es ist dieses Gefühl, das einen beschleicht, wenn man sich die Neuauflage der Kinderserie Pan Tau anschaut. Pan Tau, das war in den 1970er-Jahren jene sympathische Figur des tschechoslowakischen Fernsehens, die den Kindern im real existierenden Sozialismus ihren Alltag verzauberte. Ein stummer Herr mit Melone, der Wunder vollbringen konnte. Ein Kumpan im Kampf gegen die Tristesse. Seine Bedeutung für den späteren Fall der Mauer wird bis heute unterschätzt - wuchsen doch junge Fernsehzuschauer in Ost wie West gleichermaßen mit ihm auf. Auch im DDR-Fernsehen war er zu sehen. Pan Tau, das war nur einer der vielen Geniestreiche der Prager Autoren Ota Hofman und Jindřich Polák, initiiert und finanziert vom Kölner WDR.

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Und jetzt. Jetzt wurde Pan Tau durch den digitalen Reißwolf gedreht. "Keine Sorge", säuselt eine Teenie-Stimme im Vorspann: "Es wird immer lustig und magisch." Soll heißen: Das ist jetzt nicht mehr der Scheiß, mit dem euch eure Eltern auf DVD gelangweilt haben. Jetzt kommt was Neues! "Manche sagen: Pan Tau ist ein Alien." Ein Alien? Wenn er sich zum Zaubern über seine Melone streicht, so klingt das jedenfalls für jemanden, der mit ihm aufgewachsen ist, wie der Klingelton eines Handys, das gerade in der Moldau versinkt.

Mama (so die Geschichte der ersten beiden Folgen) bangt um ihren Buchladen. Klar, wegen Amazon und so. Papa ist längst abgehauen. Der Sohn liest viel Fantasy-Zeug, und seine Schwester Karlotta fühlt sich von Männern unterdrückt. Gut, dass es in einem Schaukasten der Schule diesen stummen Diener gibt, der als Traumerfüller benutzt werden darf. Tatsächlich fungiert Pan Tau, dem man in der Neuverfilmung keine Kinder, sondern Jugendliche zur Seite gestellt hat, als eine Art Eventmanager. Er begleitet Karlotta in eine Fantasiewelt. Hier kann sie zeigen, dass Mädchen die besseren Ritter sind, wenn sie nur nicht auf ihre Eltern hören. Stand der alte Pan Tau noch für Solidarität der Generationen untereinander, für Empathie und Humor im Einfamilienhaus, so wird er hier zum Angebefaktor. "Wenn du irgendein Problem hast, dann kommt er und hilft mit seiner Zauberei!"

Der britische Darsteller Matt Edwards in der aktuellen Neuverfilmung von "Pan Tau". (Foto: ARD /obs)

Schon schade, dass die Erben von Hofman und Polák ihre Rechte an der Figur derart leichtfertig an eine Münchner Filmproduktion veräußert haben. Langsam fragt man sich dann aber schon, ob es nicht mal an der Zeit wäre, statt immerzu alten, liebenswerten Figuren wie Catweazle, Pippi, Heidi, Wickie, Biene Maja, Momo oder Jim Knopf weiter ihre Würde zu rauben, sich vielleicht doch mal etwas Neues auszudenken. Sonst enden noch alle unsere alten Helden so wie die tschechische Schauspielerin Ivana Zelníčková. Die hat vor vielen Jahren einmal in Pan Tau mitgespielt. Dann ging sie in die USA und heiratete einen Kerl namens Donald. Ach, Ivana, was ist nur aus dir geworden?

Pan Tau , auf Amazon Prime Video*

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