Neue HBO-Serie "Westworld":Ist "Westworld" das neue "Game of Thrones"?

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Gottgleicher Kreativdirektor. Anthony Hopkins in Westworld. (Foto: HBO)

Das wünscht sich zumindest der Pay-Sender HBO. Und startet eine neue Serie, in der Roboter von Menschen durch eine Westernwelt gejagt werden.

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In dieser Woche haben sich fünf Digitalkonzerne zusammengetan, um ethische Richtlinien für die Entwicklung von und den Umgang mit künstlicher Intelligenz zu finden. Als Vorbereitung fürs erste Treffen sollten die Herren und Damen von Facebook, Google und Co. an diesem Sonntag den Fernseher einschalten: Die Fernsehserie Westworld liefert zu dem Thema den einen oder anderen Denkanstoß.

Westworld spielt in der nahen Zukunft, in einer Welt, in der die Menschen schon entschieden haben, was sie mit ihren humanoiden Robotern am liebsten anstellen: mit ihnen schlafen oder sie erschießen. Das jedenfalls ist der Hauptzeitvertreib der Gäste des Freizeitparks "Westworld", einer Westernstadt, die von Robotern bevölkert wird, die nicht nur menschlich aussehen, sondern sich auch selbst für welche halten.

Die Besucher können sich in dem Park frei bewegen und mit ihrer teuer gebuchten Zeit machen, was sie wollen - Showrunner Jonathan Nolan und Lisa Joy zitieren als Vorbild das Computerspiel Grand Theft Auto -, sei das nun, aufgerüschte Damen im Bordell zu besuchen oder Banditen zu jagen. Mit Robotern kann man es ja machen.

Und täglich grüßt das Murmeltier

Mitarbeiter bringen die kaputten "Gastgeber", wie sie hier genannt werden, aus dem roten Wüstenstaub in die kühlen, sterilen Labore unter dem Park. Dort werden sie geflickt, die Daten gelöscht und das System neu gestartet. Schon bald treiben sie sich wieder im Saloon rum, um erneut von Touristen erschossen zu werden. Und täglich grüßt das Murmeltier.

Der naheliegende Twist ist natürlich, dass das mit dem Datenlöschen nicht so richtig klappt, da ergeht es den Westworld-Ingenieuren wie den Computernutzern daheim. Die Gastgeber beginnen, sich zu wehren. Westworld wirft aber weiterführende Fragen auf: Was sind das eigentlich für Menschen, die im Urlaub Maschinen quälen wollen, die wie Menschen aussehen? "Bist du echt?", fragt ein Besucher eine Parkmitarbeiterin. "Wenn du es nicht genau sagen kannst, macht es dann überhaupt einen Unterschied?", entgegnet die. Und wenn die Roboter sich schließlich wehren: Wessen Schuld ist das? Die der Amok laufenden Maschinen? Oder nicht doch die der Menschen, die beim Programmieren geschludert haben?

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Eine große Geschichte über künstliche Intelligenz passt gut in diese Zeit, in der Maschinen Pakete ausliefern und selbstfahrende Autos Unfälle verursachen. Vermutlich besser als in das Jahr 1973, als der Film Westworld ins Kino kam, der die Vorlage liefert zu der zehnstündigen Serie, die nun auf HBO und in Deutschland bei Sky zu sehen ist. Der US-amerikanische Pay-Sender HBO, lange ein Synonym für herausragendes Fernsehen, könnte selbst gut einen Neustart gebrauchen. Dessen andere Serie mit Blut und Busen, Game of Thrones, läuft zwar immer noch hervorragend, wird aber 2018 enden; am Donnerstag wurden die allerletzten Szenen für Lena Dunhams Girls gedreht; die letzte Staffel von True Detective war solch ein Flop, dass es vielleicht nicht einmal eine dritte geben wird; und von Vinyl, der Hoffnung des letzten Jahres, redet keiner mehr.

Auch für Westworld ließen die Nachrichten nichts Gutes vermuten. Ursprünglich für 2015 angekündigt, verzögerte sich die Produktion. Und dann ließ Jonathan Nolan, regelmäßiger Co-Autor seines Bruders Christopher ( Interstellar, The Dark Knight Rises), kurz vor Ende der Dreharbeiten eine Pause verkünden, um noch mal an den Büchern zu arbeiten.

Reicht das, um Westworld zum Nachfolger von Game of Thrones zu machen?

Den vier Folgen, die die Presse vorab zu sehen bekam, merkt man diese Schwierigkeiten nicht an. Wo der Kinofilm stets an den Fersen der Besucher blieb, beginnt die Serie mit dem Robotermädchen Dolores Abernathy (Evan Rachel Wood), die ihrem Vater einen guten Morgen wünscht und vor dem Saloon ihrem Geliebten (James Marsden) begegnet - auch er ein Roboter. Große Teile der Serie sind aus der Perspektive der Gastgeber erzählt, das macht es dem Zuschauer leicht, sich auf ihre Seite zu schlagen und das Handeln der "echten" Menschen mit Distanz zu sehen.

Wo in diesem Westworld das Böse zu suchen ist, wird auch in der Figur des "Revolverhelden" deutlich. Im Original spielte Yul Brynner einen schwarz gekleideten Cowboy, der Jagd auf die zahlenden Gäste machte. In der Neuauflage zieht Ed Harris mordend durch den Wilden Westen - als Mensch, der Westworld schon durchgespielt hat und jetzt bei jedem Besuch neue Wege sucht, Gastgeber "umzubringen". Derweil sitzen die Parkbetreiber und Ingenieure um den gottgleichen Kreativdirektor und die Geschäftsführerin (Anthony Hopkins und Sidse Babett Knudsen aus Borgen) in ihrer Stahl-und-Glas-Kommandozentrale herum und fragen sich, was denn eigentlich los ist.

Ob all das reicht, um Westworld zum Nachfolger von Game of Thrones zu machen? Ja - was die Menge an Gewalt und nackten Frauen angeht. Auch wenn die Schießereien im Dorf zu Instrumentalversionen der Rolling Stones bisweilen zum hübsch anzusehenden Selbstzweck verkommen (Kamera: Paul Cameron).

Ansonsten hat das Fernsehen in den vergangenen Jahren gelehrt, nicht zu früh zu urteilen. Im Film tauchten als weitere Erlebniswelten des Parks noch das alte Rom und das Mittelalter auf; auch dort rebellierten die Roboter. Vielleicht kommen diese Szenarien ja auch in der Neuauflage zum Zug.

Die Kulissen sind bei HBO ja bald wieder frei.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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