Neuauflage von "MacGyver" im US-Fernsehen:MacGyver im Jahr 2016 ist ein Schnösel und Besserwisser

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Nur mal kurz die Welt retten: Lucas Till ist der neue MacGyver. (Foto: CBS)

Der Serienheld der Achtzigerjahre ist zurück im amerikanischen Fernsehen. Die erste Episode zeigt, warum Neuauflagen von Erfolgsformaten häufig floppen.

TV-Kritik von Jürgen Schmieder

Der Protagonist der Fernsehserie MacGyver ist bereits nach weniger als zwei Minuten zu sehen. Es ist nicht der gewitzte Geheimagent Angus MacGyver (Lucas Till), sondern ein Schweizer Taschenmesser, das er trotz strenger Sicherheitsvorkehrungen auf eine Party mitnehmen darf und dort aufgrund der Anton-Tschechow-Regel ("Wenn im ersten Akt ein Gewehr zu sehen ist, muss es im letzten Akt auch abgefeuert werden") auch benutzt. So ein Messer, das weiß jeder, kann einen aus zahlreichen misslichen Lagen befreien, weil immer wieder ein neues Werkzeug herausgeklappt werden kann.

MacGyver, seit Freitag auf dem amerikanischen Sender CBS zu sehen, ist ein sogenannter Reboot, eine in die Moderne verlegte Version des Klassikers aus den Achtzigerjahren. Das Original war kein fernsehphilosophisches Glanzlicht, kein gesellschaftlicher Kommentar, kein verzweigtes Drama. Es war eine solide, in sich schlüssige Actionserie mit einer herrlich innovativen Figur, deren Nachname zu einem Verb wurde: MacGyvern bedeutete, sich klug und kreativ aus einer Notsituation zu manövrieren und nur Dinge zu verwenden, die scheinbar zufällig irgendwo herumliegen. Und das Taschenmesser natürlich. Das war umso spannender, weil MacGyver nicht einfach auf dem Smartphone nach Lösungen suchen konnten.

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Er baute jede Menge Waffen, Bomben und andere Gadgets aus den abwegigsten Dingen. Einen Defibrilator aus Kerzenständern zum Beispiel. Zur Neu-Auflage von MacGyver haben wir seine legendären Basteleien gesammelt.

Es ist nur eines der Probleme der ersten Reboot-Folge, dass MacGyver nun ein Technologie-Superhirn an seiner Seite hat, das innerhalb von drei Sekunden jede Person auf der Welt lokalisieren kann - so eine Figur gibt es mittlerweile in jeder handelsüblichen Serie. Tatsächlich aber findet man in der Episode alle Schwierigkeiten, die mit der Wiederbelebung bekannter Serien fast immer verbunden sind.

Es tickt permanent eine Uhr gegen null

Es geht um ein Virus, das an der Westküste der USA von Terroristen freigesetzt werden und Millionen Menschen töten soll. Es wird sogleich ein interessanter und womöglich langfristiger Gegenspieler für MacGyver eingeführt, dessen Identität hier nicht verraten werden soll. Ein Virus also, dazu eine Bombe und Verfolgungen: Es tickt permanent eine Uhr gegen null, und MacGyver rettet stets den Tag und schließlich die Welt.

Diese nun wahrlich nicht innovative Geschichte würde sich zu einer spannenden und unterhaltsamen Episode fügen, wenn sie bei allen Unglaublichkeiten in sich schlüssig wäre - doch das ist sie nicht. Natürlich schießen Bösewichter in fiktiven Formaten ausschließlich daneben, natürlich kann MacGyver aus einem Strick und einer Plane einen Fallschirm basteln, natürlich kann er gleichzeitig einen (danebenschießenden) Gegner entwaffnen und eine Bombe entschärfen.

Das ist alles in Ordnung; nicht in Ordnung aber ist, dass dieser so intelligente MacGyver andauernd planlos irgendwo reinläuft in der Gewissheit, dass da schon eine Stahlplatte rumliegen wird, die er sich notfalls vors Gesicht halten kann. Der neue MacGyver ist nicht mehr klug, er hat einfach nur Glück. Dazu kommt, dass die Verfolgungsjagden und Explosionen (es gibt eine Menge davon) wirken, als hätte sie jemand vor 30 Jahren aufgenommen und nun am Computer nachbearbeitet. Das ist noch nicht einmal solide Action.

Die neue Serie wirkt wie ein Taschenmesser ohne Werkzeuge

So wie sich die Furcht vor einer Alien-Invasion und Verschwörungstheorien aus Akte X nicht einfach so in die Gegenwart transportieren ließen, so klappt es hier nicht, den heroischen Actionhelden in diesem Jahrzehnt zu verordnen. Am schwersten wiegt aber, dass dieser neue MacGyver kein sympathischer Pfiffikus mehr ist. MacGyver im Jahr 2016 ist ein arroganter Schnösel und Besserwisser.

Es gibt in beinahe jeder Folge der Originalserie den Moment, in dem MacGyver Klebeband und Büroklammer zückt und an seinem Taschenmesser prüft, welches Instrument er verwenden könnte. Die Neuauflage wirkt wie ein Messer, bei dem sämtliche Werkzeuge entfernt wurden. Aus dieser Lage kann sich nicht mal MacGyver befreien.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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