Markus Söder bei "Anne Will":Millimeterweise Richtung Impfpflicht

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Bei "Anne Will" diskutierten Alena Buyx, Christine Vogler, die Moderatorin selbst, Katrin Göring-Eckardt, Frank Ulrich Montgomery (von links) und zugeschaltet Markus Söder darüber, ob Deutschland eine Impfpflicht braucht. (Foto: NDR/Wolfgang Borrs; NDR/Wolfgang Borrs/NDR/Wolfgang Borrs)

Soll es angesichts explodierender Corona-Zahlen eine allgemeine Impfpflicht geben? So weit will bei "Anne Will" keiner gehen - noch nicht. Aber Markus Söder tastet sich vorsichtig vor.

Von Peter Fahrenholz

Für einen, der vom Sprichwort, wonach Reden Silber, Schweigen aber Gold ist, noch nie viel gehalten hat, ist Markus Söder jetzt ziemlich lange still geblieben. Er ist nicht zum Deutschlandtag der Jungen Union gefahren, hat es hingenommen, dass die eigene Junge Union Bayern aus einem Antrag die Wörter "unser starkes Zugpferd Markus Söder" herausstrich und hat sich selbst auf die Revanche-Sticheleien von Armin Laschet jede Antwort verkniffen.

Aber jetzt ist Markus Söder wieder da, bei "Anne Will" geht es, wieder einmal, um Corona - das ist sein Thema. Wer weiß, ob Söder überhaupt die Chance zum Duell um die Kanzlerkandidatur bekommen hätte, wenn er sich nicht als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz monatelang gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel bei allen Corona-Treffen als Co-Vorsitzender des Teams Vorsicht hätte präsentieren können. Ganz im Gegensatz zu seinem Rivalen Armin Laschet, bei dem man nie so recht wusste, ob er nun das Team Öffnung anführt oder doch eher das Team Wischiwaschi.

Es spricht viel dafür, dass Söder bei "Anne Will" eigentlich eine Generalattacke auf die Ampelkoalitionäre inklusive ihres designierten Kanzlers Olaf Scholz geplant hatte, denen er im Vorfeld schon mal vorwarf, abzutauchen. Doch das klappt nicht mehr, nachdem Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt ausführlich erläutert, dass die Ampel-Leute keineswegs die Hände in den Schoß legen würden, sondern im Gegenteil an ganz konkreten Maßnahmen arbeiten würden, die so schnell wie möglich dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt würden. Welche das sind, verrät Göring-Eckardt freilich nicht.

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Es geht in Wills Sendung darum, ob man angesichts explodierender Corona-Zahlen nicht womöglich doch eine Impfpflicht braucht. Die klarsten Worte findet Frank Ulrich Montgomery, der Vorsitzende des Weltärztebundes. Der spricht von einer "Tyrannei der Ungeimpften" und fordert, dass es aufhören müsse, dass sich jemand hinstelle und sage, mit ihm werde es keine Impfpflicht geben und auch keinen Lockdown. Er sei im Übrigen "ganz im Team Vorsicht von Herr Söder", das mache "auch mal Spaß". Söder, der von München aus zugeschaltet ist und der sein Mienenspiel keineswegs so unter Kontrolle hat wie etwa Olaf Scholz, schaut an dieser Stelle sehr erfreut drein.

Söder pirscht sich beim Thema Impfpflicht behutsam vor

Söder nimmt das mit dem Team Vorsicht ganz wörtlich und pirscht sich beim Thema Impfpflicht behutsam vor. Denn vor einer Impfpflicht für alle gibt es ja noch die Möglichkeit einer Impfpflicht für bestimmte Gruppen, etwa in Kliniken, Pflege- und Altenheimen. Die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler, lehnt eine solche Sonder-Impfpflicht ab, weil dann eine bestimmte Berufsgruppe gewissermaßen am Pranger stehe. "Wir wollen eine Impfpflicht für alle." Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, erklärt daraufhin, dass es einen "wesentlichen Unterschied" gebe zwischen einer Impfpflicht für alle, die rechtlich vermutlich "ganz, ganz schwer zu begründen" sei und einer Pflicht für Bereiche, wo es eine ganz besondere Verantwortung für andere gebe.

Montgomery unterstützt dieses Argument nachdrücklich und auch Söder spielt diese Unterscheidung in die Karten. Auf die Frage von Anne Will, ob er offen für eine Impfpflicht sei, antwortet er: "Für bestimmte Berufsgruppen sollten wir dafür offen sein." Auch Göring-Eckardt würde eine Impfpflicht für Pflegeberufe persönlich für einen vernünftigen Weg halten, was ihren künftigen Koalitionspartner FDP wahrscheinlich nicht freuen wird. Denn die Liberalen lehnen momentan alles ab, was irgendwie nach Verschärfung klingt. Mal sehen, wie das wird, wenn sie dann regieren und das Corona-Management mitverantworten müssen.

Söder hingegen ist einer, der weiß, dass man ein Terrain erst einmal vorbereiten muss, ohne sich gleich den Mund zu verbrennen. Zum Beispiel, indem man eine flächendeckende 2-G-Regel fordert, also für weite Bereiche des öffentlichen Lebens nur noch Geimpfte und Genesene zulässt. Söder schickt hier die Österreicher vor. Wenn das wirklich so sei, dass sich wegen 2 G dort jetzt viele impfen ließen, stimme ihn das hoffnungsfroh.

Dass Söder nicht wie im vergangenen Jahr als Erster vorprescht, sondern lieber erst mal andere machen lässt, was er sich selber auch wünscht, könnte damit zu tun haben, dass sein forscher Corona-Kurs auch in der CSU nicht alle begeistert hat. Und die hat bei der Bundestagswahl schließlich ebenfalls kräftig verloren. Team Vorsicht eben.

Peter Fahrenholz wünscht sich, dass Talkshows nicht immer dieselben Gäste einladen. Denn politische Diskussionen brauchen spannende Argumente statt altbekannter Standpunkte. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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