"Gottschalk live" - das Ende:"Der Vorabend ohne mich wird sehr öde"

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Thomas Gottschalks letztes halbes Stündlein in der ARD hat geschlagen. Viel Zeit hatte er nicht mehr, sich ein letztes Mal zu inszenieren. Er hat sie genutzt - um sich noch einmal beliebt zu machen.

Ruth Schneeberger

Eigentlich blieb kaum noch Zeit, um sich ein letztes Mal zu inszenieren, ins rechte Licht zu rücken, den Abschied zu zelebrieren oder seinen Abgang als einer der letzten großen Entertainer des deutschen Fernsehens bedeutungsvoll in Szene zu setzen. Schließlich hatte die ARD Thomas Gottschalk, obwohl sie lange Zeit darauf beharrt hatte, sie wolle ihn trotz schlechter Quote halten, nun nicht nur doch noch abgesetzt, sondern auch noch um seine allerletzte Sendung erleichtert.

Hieß nur noch "live", war nicht mehr so: Thomas Gottschalk (Archivbild vom 18. April) hat am Mittwoch Abend zum letzten Mal "Gottschalk live" in der ARD moderiert. (Foto: dpa/Hannibal Hanschke)

Der Moderatoren-Dinosaurier hätte ursprünglich an diesem Donnerstag zum letzten Mal im ARD-Vorabend-Programm mit "Gottschalk live" auf Sendung gehen sollen. Kurzerhand hatten die Programmverantwortlichen aber beschlossen, an diesem Abend doch lieber wieder etwas für die Quote zu tun, und stattdessen einen Vorbericht zur Fußball-EM zu senden.

Kein Wunder, wenn man ehrlich ist: Schlechter als "Gottschalk live" lief im ARD-Vorabend seit 20 Jahren nichts mehr - sieht man einmal von ein paar Sendungen ab, die an den jeweiligen Abenden gegen Fußballspiele auf anderen Sendern antreten mussten. Nicht, dass es im TV immer und ausschließlich nur um Marktanteile gehen müsste oder sollte. Aber - wenn man noch einmal ehrlich ist: Um Inhalte oder Anspruch oder auch nur ein bisschen mehr als seichte Unterhaltung ging es in Gottschalks Sendung, die vor Beginn noch als "Rettung des öffentlich-rechtlichen Vorabend-Programms" gefeiert wurde, von Anfang an ebenfalls nicht.

Zur Erinnerung: Schon in der Premierensendung am 23. Januar wusste der Moderator genauso wenig mit seinem Studiogast Bully Herbig anzufangen wie er mit den ständigen Werbeunterbrechungen zurecht kam und feierte sich ansonsten hauptsächlich selbst. Immerhin schalteten dazu noch über vier Millionen Zuschauer ein, was mit einem Marktanteil von 14,6 Prozent das gewünschte Ergebnis sogar übertraf. Doch schon zwei Wochen später war der Marktanteil auf für Fernsehmacher katastrophale 3,4 Prozent gerutscht, nicht mal mehr eine Million Menschen wollten noch dabei zusehen, wie Gottschalk immer noch die Werbepausen-Übergänge versemmelte, Anke Engelke mit dem falschen Vornamen ansprach und sich am liebsten weiterhin vor allem selbst inszenierte.

Am Ende war Gottschalk nicht mehr live

Immer wieder wurde die ARD zu diesem unterirdischen Ergebnis befragt, immer wieder hieß es, das würde schon noch werden. Wurde es aber nicht. Obwohl extra der ehemalige Redaktionsleiter von Reinhold Beckmann engagiert wurde, um das Konzept und die Deko zu überarbeiten und das für Gottschalk so wichtige Publikum ins Studio zu holen. Am Ende wurde die als Live-Sendung konzipierte Show nur noch aufgezeichnet.

Fast schien es so, als würde die ARD ein Schrecken ohne Ende zulassen. Wenn man bedenkt, dass Sat 1 dem anderen großen Entertainer Harald Schmidt, nachdem er gerade erst von der ARD hinübergewechselt war, am 3. Mai ein recht überraschendes Ende mit Schrecken bereitet hatte. Und das, obwohl Schmidt, im Gegensatz zu Gottschalk, seine neue Sendung qualitativ deutlich aufgepeppt hatte. Nun kam es also doch noch, wie es kommen musste: Gottschalks letztes halbes Stündlein im ARD-Vorabend hat geschlagen. Und was tut der vielbeachtete Hoffnungsträger, den am Ende kaum mehr einer sehen wollte, zum Schluss? Er lobt sich - wieder einmal - selbst.

Obwohl zwischen noch einmal drei Werbeunterbrechungen und dem groß verkündeten Ende der Aktion "66 Träume" kaum noch Platz war, schaffte es der Entertainer doch noch, die ganze Sendung über auf seine vermeintlichen Verdienste hinzuweisen.

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Nun haben also auch "Joko und Klaas" ihre eigene Abendshow auf Pro 7. Was wurde aus den anderen Viva- und MTV-Moderatoren unserer Jugend: Mola, Milka, Heike, Charlotte und wie sie alle hießen? Wer machte Karriere, wer wurde abgesägt - und wer ist Ihr Favorit? Stimmen Sie ab!

Ob es nun die Aktion selbst war, für die er sich lobte (Sozial Engagierten, Behinderten, Kranken und "Träumern" wurden ihre jeweiligen Wünsche erfüllt, u.a. will Veruschka Gräfin von Lehndorff ein Schloss wiederaufbauen, um an den Widerstand ihres Vaters gegen die Nazis zu erinnern - am Ende gingen 50 000 Euro an das "Elisabethstift" in Berlin, das sich um verhaltensauffällige Schüler kümmert), oder seine persönliche Rolle dabei ("Hier ist euer Obertrommler" gibt er einer Gruppe von behinderten und nichtbehinderten Trommlern mit auf den Weg), oder sein Schlusswort "Der Vorabend ohne mich wird sehr öde - denkt an meine Worte!"

Kaum zu glauben, wie ein gescheiterter Entertainer selbst an seinem letzten Abend noch für sich selbst werben kann. Er werde am Tag darauf bei Spiegel Online auftreten, danach in einer Krankenhaus-Radiosendung, und "irgendwas" werde dann schon kommen, gibt sich Gottschalk unbeirrt. Wenn man genau hinschaut, sieht er dabei ein wenig zerknittert aus, aber weiterhin sehr blondgelockt, im Jeansjackett und siegessicher strahlend.

Auch einige Kritiker wollen noch nicht glauben, dass dies das jähe Ende der strammen Karriere des 62-Jährigen gebürtigen Bambergers gewesen sein soll. Zu frisch ist wohl noch die Erinnerung an "Wetten, dass ...?" , die einst erfolgreichste Show Europas, an den frechen jungen Radio-Thommy aus den 70er Jahren und seine ersten TV-Erfolge in den 80ern, als er mit seinem damals noch ungewohnt legeren Kleidungsstil und seinem vergleichsweise lockeren Mundwerk frischen Wind ins Fernsehen brachte.

Berufsjugendlicher mit Altherrenwitz

Erfrischend aber war Thomas Gottschalk nach über 22 Jahren "Wetten, dass ...?" im ZDF schon lange nicht mehr, den Berufsjugendlichen mit dem Altherrenwitz hielt nur der noch größere Dinosaurier Samstagabend-Show am Laufen - zwischen all dem glitzernden Stargast-Gehabe, den publikumsaffinen Saalwetten, den teuren Popstars, den ständigen Überziehungen, dem Medien-Rummel und dem ganzen restlichen pompösen Zirkus fiel kaum auf, dass der Moderator selbst dem Publikum nur noch wenig zu bieten hatte. Er hätte sich, inzwischen Großvater, getrost in sein Schloss am Rhein oder in seine Villa nach Malibu zurückziehen können, als er nach dem Unfall eines Wettkandidaten in der Show freiwillig die Wetten-dass-Moderation abgegeben hatte, sein Ruhm und seine Beliebtheit wären ungebrochen gewesen. Dass er die "Todeszone" Vorabendprogramm in der ARD retten könnte, war eine Fehleinschätzung - unschön für ihn und die ARD.

Und nun, nach dem Scheitern seiner eigentlich extra auf ihn zugeschnittenen Show, hilft ihm wohl nur noch, weiter zu tönen. Man werde noch von ihm hören, das Konzept der Sendung sei nicht sein eigenes gewesen, er werde weiter arbeiten, sagt er in seiner letzten Show. Und macht sich einmal mehr beim Publikum beliebt, indem er wie aus dem Füllhorn Geldgeschenke verteilt - an wirklich Bedürftige, an strahlende Kinder und an einige in der Tat rührend engagierte Mitmenschen, ob nun im sozialen, im familiären oder im medizinischen Bereich. Das funktioniert, wie Gottschalk weiß, im Fernsehen prima, weil es anrührt - und weil es von der Nutzlosigkeit der Sendung, wie sie anfangs konzipiert war, ablenkt. Immerhin war "Gottschalk live" damit am Ende doch noch für etwas gut - wenn auch ganz anders als geplant.

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