Erdoğan-Schmähung:Wie türkische Medien auf Böhmermanns Gedicht reagieren

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Präsident Erdoğan ist derzeit überhaupt nicht gut auf Böhmermann zu sprechen. Viele türkische Medien auch nicht. (Foto: dpa)

Als "Pornofantasie" und "beleidigend für eine ganze Nation" bezeichnen regierungsnahe türkische Medien das umstrittene Gedicht des ZDF-Moderators.

Von Markus Mayr und Hanna Spanhel

Jan Böhmermann ist wegen seines "Schmäh-Gedichts" von vor zwei Wochen Dauerthema in deutschen Medien. Doch auch türkische Zeitungen und Fernsehsender beschäftigen sich intensiv mit dem Moderator. Vor allem die regierungsnahen Medien stellen sich hinter Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der sich durch die Böhmermann-Satire zutiefst beleidigt fühlt. Als regierungskritisch geltende Zeitungen berichten hingegen eher nüchtern über die Affäre - und halten sich mit scharfen Kommentaren zurück.

Für Aufmerksamkeit auch in den sozialen Medien in der Türkei sorgt derzeit zum Beispiel ein Ausschnitt der Sendung "Yaz Boz" des Nachrichtensenders A Haber, der zu der als regierungsnah geltenden Turkuvaz-Mediengruppe gehört. Für die Sendung berichtet ein Reporter vor dem ZDF-Gelände in Mainz - und beschreibt aufgeregt, wie unverschämt das ZDF mit seinen Gästen umgehe.

Reporter des Pro-Erdoğan-Senders A Haber besuchen das ZDF

Gemeint ist wohl ZDF-Sprecher Alexander Stock, der in dem Video im Hintergrund zu sehen ist: "Er hat die Hände in den Taschen, spricht, als würde er uns beleidigen", wettert der Reporter. "Seht, wo die Pressefreiheit in Deutschland einzuordnen ist. Sie beleidigen und beschimpfen die Türkei, unseren Präsidenten, unser Volk und stehen hier nun vor uns. Auf unhöflichste Art und Weise."

Der Reporter, der für A Haber berichtet, gehört zur türkischen Tageszeitung Takvim - die den Vorfall gleich aufgreift. " Takvim-Nachrichtendirektor Mevlüt Yüksel geht zum ZDF, um die Scheinheiligkeit der Deutschen zu dokumentieren", heißt es da. Und: Dort sei man ihm mit einer arroganten Haltung begegnet, "er wurde angegriffen und abgedrängt." Böhmermann selbst wird in der Zeitung als ein "unverschämter TV-Moderator" beschrieben.

Regierungsnahe Tageszeitungen sehen Böhmermann-Gedicht als inakzeptable Beleidigung

Auch die auflagenstarke Tageszeitung Sabah - eine der größten des Landes - kommentiert das umstrittene Böhmermann-Gedicht. "In der deutschen Geschichte gab es noch nie ein derartiges Hass-Gedicht, auch wenn es unter der Rubrik 'Satire' veröffentlicht wurde", so übersetzt der Deutschlandfunk aus der Sabah. "Damit wird nicht nur der türkische Präsident Erdoğan beleidigt, sondern eine ganze Nation. Mit Meinungsfreiheit hat das nichts mehr zu tun", heißt es weiter. Die Sabah, die ebenfalls zur Turkuvaz-Mediengruppe gehört, gilt laut Bundeszentrale für politische Bildung als wichtiges Sprachrohr der türkischen AKP-Regierung. Sie selbst bezeichnet sich als liberales Massenblatt.

Ähnliche Töne schlägt auch der Star an, eine als boulevardesk und regierungsnah geltende Tageszeitung. Ein Kommentator spricht von einer "Schande" und "Erniedrigung" in Deutschland und über die Versuche, die drastischen Worte von Böhmermann mit Pressefreiheit zu entschuldigen. Das, was als Humor oder Satire bezeichnet werde, sei lediglich eine schlechte "Pornofantasie", heißt es. Auffällig sei, dass deutsche Regierungskritiker und die Medien bemüht seien, den Skandal als eine Sache der Pressefreiheit darzustellen. "Die Deutschen sind sehr empfindlich, wenn es um ihre Kultur geht. Aber wenn der Humor auf dem Niveau eines deutschen Pornofilms ist, dann müsste man über diese Kultur vielleicht diskutieren."

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Auf der Internetseite der als regierungskritisch bekannten Zeitung Cumhuriyet finden sich keine Kommentare. Merkel sei in der Zwickmühle, steht in einem analytischen Text. Wenn sie in dem Streit um das Böhmermann-Gedicht nachgebe, werde der Unmut in der Bevölkerung weiter wachsen. Und der sei wegen der Flüchtlingspolitik und dem EU-Deal mit der Türkei ohnehin schon groß. Stelle sich Merkel aber in der Sache nun gegen Erdoğan, könne das wiederum Konsequenzen auch für die derzeit so wichtige Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage haben.

Türkischer Präsident stellt unterdessen einen Strafantrag gegen Böhmermann

Jan Böhmermann hat das umstrittene Gedicht in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" am 31. März vorgetragen - und den türkischen Präsidenten darin heftig beleidigt. Der Moderator hatte dabei allerdings mehrfach davon gesprochen, dass das "illegal" sei. Das ZDF nahm den Beitrag später aus der Mediathek und distanzierte sich davon.

Die türkische Regierung hat das umstrittene Gedicht als inakzeptabel und als Beleidigung für alle Türken bezeichnet. Am Montagabend stellte Erdoğan bei der Staatsanwaltsschaft Mainz einen Strafantrag wegen Beleidigung gegen Böhmermann. Die Bundesregierung prüft derzeit, ob sie einem auf diplomatischem Weg vorgetragenen Wunsch nach Strafverfolgung stattgeben wird.

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