BBC-Serie "SS-GB":Hakenkreuze an der Themse

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Überzeugende digitale Renderings: So sieht der zerbombte Buckingham-Palast in "SS-GB" aus. (Foto: Sid Gentle Films Ltd)

Schon wieder eine Serie, in der die Deutschen den Krieg gewinnen: In "SS-GB" spielt Sam Riley eine klassische Noir-Figur in einem Großbritannien mit Nazi-Überbau.

TV-Kritik von Alexander Menden, London

Die fiktionale Sparte der alternativen Geschichtsschreibung hat mittlerweile ein ansehnliches Segment, in dem fantasievoll darüber spekuliert wird, was passiert wäre, wäre der Zweite Weltkrieg für die Alliierten weniger erfolgreich verlaufen.

Das bisher vielleicht erfolgreichste Beispiel ist Robert Harris' Roman Fatherland von 1992; zuletzt versuchte sich der Streamingdienst Amazon mit der Serie The Man in the High Castle an diesem Genre. Jetzt hat die BBC den Roman SS-GB des Ipcress-Autors Len Deighton ausgegraben und daraus einen Fünfteiler gemacht.

14 Jahre vor Fatherland erschienen, imaginiert die Vorlage ein von den Deutschen besetztes Britannien. Nach der Weltpremiere bei der Berlinale in der vergangenen Woche strahlt die BBC die Serie nun erstmals aus; ins deutsche Fernsehen soll sie im Herbst kommen.

Die TV-Fassung macht unmissverständlich klar, wer die Herren in London sind und wer die Underdogs: Eine gekaperte Spitfire landet vor dem zerbombten Buckingham-Palast (die digitalen Renderings des besetzten, hakenkreuzbeflaggten London sind sehr überzeugend), der Pilot wird von einem einsamen britischen Widerstandskämpfer erschossen.

Doch das ist auch schon das dramatischste an Action, das der deutsche Regisseur Philipp Kadelbach ( Unsere Mütter, unsere Väter) dem Zuschauer in der ersten Folge bietet. Denn eigentlich geht es um Treue und Verrat, um Liebe und relative Prinzipienfestigkeit in Zeiten moralischer Prüfungen.

Lars Eidinger als schmallippiger Ehrgeizling

Die ganze Erzählung steht und fällt mit Sam Riley, der den Polizisten Douglas Archer spielt. Archer ist im Prinzip eine klassische Noir-Figur: Er raucht, trinkt und hört Blues-Schallplatten, wenn er nicht gerade der Affäre mit seiner - heimlich für den Widerstand arbeitende - Sekretärin nachgeht, sich um seinen Sohn kümmert (dessen Mutter in einem Bombenangriff starb) oder versucht, einen mysteriösen Mord aufzuklären.

Zu diesen nicht besonders überraschenden Zutaten gesellt sich der Nazi-Überbau. Archer ist Befehlsempfänger; die Befehle geben Rainer Bocks jovialer SS-Gruppenführer Kellermann und dessen Kollege Oskar Huth, den Lars Eidinger als schmallippigen Ehrgeizling gibt.

Abgesehen von der kontrafaktischen Situation begegnet man in der ersten Folge kaum einem Element, das nicht klar auf den Kolportage-Tonfall der Vorlage verweist: Da ist die extrem glamouröse New York Times-Korrespondentin, die sich in der Nähe der Wohnung des Mordopfers herumtreibt. Da ist der zerknitterte schottische Polizeikollege, der alles irgendwie besser zu durchschauen scheint als Archer.

Und da ist die seltsam gestelzte Rede, die dieser seinem Sohn und dessen Schulfreund hält, nachdem sie ihn gebeten haben, ihnen ein SS-Zeichen zum Angeben und Tauschen in der Schule mitzubringen: Die Deutschen würden irgendwann wieder weg sein, sagt Archer, und bis dahin müsse er eben das Gesetz wahren. Das wird ihm vermutlich nicht so leicht fallen in Nazi-Britannien.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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