Hamburg:Corona-Impfung: „Möchte noch ein bisschen dabei bleiben“

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Impfstoff wird in einem Impfzentrum gehalten. (Foto: Matthias Bein/dpa-Zentralbild/dpa)

Für die 88 Jahre alte Ingrid Luckner war der Piks in den Oberarm vor allem eins: selbstverständlich. Die Seniorin hat sich am Sonntag als eine der ersten beiden...

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Hamburg (dpa/lno) - Für die 88 Jahre alte Ingrid Luckner war der Piks in den Oberarm vor allem eins: selbstverständlich. Die Seniorin hat sich am Sonntag als eine der ersten beiden Hamburgerinnen gegen das neuartige Coronavirus impfen lassen. Mit der Spritze gehe zudem eine gewisse Erleichterung einher, sagte Luckner weiter. Damit könne die Einsamkeit dieses Jahres endlich ein Ende haben.

Luckner wohnt gemeinsam mit rund 1200 weiteren Pflegebedürftigen im weitläufigen Hospital zum Heiligen Geist im Stadtteil Poppenbüttel. Dort wurden nach Angaben der Hamburger Gesundheitsbehörde am Sonntag rund 500 Bewohner und Mitarbeiter der Einrichtung gegen das Coronavirus geimpft. Den ersten Corona-Piks in Hamburg hatte sich übrigens die 84 Jahre alte Karin Sievers geben lassen. Bis Dienstag sollen dort nun weitere rund 1000 Impfdosen verabreicht werden. Damit hat die Hansestadt den Impf-Marathon gegen die Pandemie aufgenommen.

Zunächst soll vor allem dezentral in den Altenheimen geimpft werden. Das übernehmen geschulte, mobile Teams. Von Januar an geht es auch im Impfzentrum in den Messehallen los, sagte Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Sonntagmittag. „Es geht uns ja darum, möglichst schnell möglichst viele Menschen zu impfen. Deswegen war es gut, dass alles vorbereitet war“, sagte Tschentscher unmittelbar nach den ersten Impfungen.

Mit dem Impfstoff könne man historisch gesehen in einer Pandemie zum ersten Mal aktiv etwas gegen die Krankheit tun. „Ich bin froh, dass es uns in Deutschland, Europa und weltweit gelingt, jetzt der Pandemie die Stirn zu bieten und sie Schritt für Schritt zu überwinden und damit dann auch endgültig in eine normale Situation zurückzukommen.“ Gleichzeitig sei es aber noch viel zu früh, um über Lockerungen nachzudenken. „Wir sind in einer noch sehr ernsten Infektionslage. Wir werden jetzt die zwei, drei Wochen über die Weihnachts- und Silvestertage erst einmal ansehen müssen.“

Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) bezeichnete den Impfstart in Hamburg als einen sehr guten Tag. „Weil jede Schutzimpfung, die jemand bekommt, dazu beitragen kann, dass ein schwerer Krankheitsverlauf vermieden wird. Sie erreicht damit Schritt für Schritt, dass es uns gelingt, den Weg aus der Pandemie zu finden. (...) Wir haben diesen Tag sehr lange erwartet.“

Der Impfstoff der Unternehmen Biontech und Pfizer wurde gut eineinhalb Stunden vor Impfbeginn angeliefert. Er war erst am vergangenen Montag in der Europäischen Union zugelassen und die ersten Dosen am Samstag in Deutschland an die Bundesländer ausgeliefert worden.

Auch die Hamburger CDU rief zum Impfen auf. „Eines ist klar: Niemand muss sich impfen lassen, doch ist die Corona-Schutzimpfung der beste Weg, die Gesundheit unserer Mitmenschen zu schützen und ist daher ohne Wenn und Aber selbstbestimmte Bürgerpflicht“, sagte der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Thering, am Sonntag laut Mitteilung. Für das Diakonische Werk Hamburg ist der Impfstart eine gute Nachricht. „Dank des Impfstoffs sehen wir ein Hoffnungszeichen am Horizont für alle Pflegeeinrichtungen und ihre Bewohnerinnen und Bewohner, die wir besonders schützen müssen“, sagte Landespastor Dirk Ahrens, Leiter des Diakonischen Werkes Hamburg, dazu.

Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Neuinfektionen in Hamburg war am Sonntag um 221 gestiegen. Das sind 76 Neuinfektionen weniger als am Vortag und 88 weniger als am Sonntag vor einer Woche. Damit liegt die Zahl neuer Ansteckungen pro 100 000 Einwohner in den zurückliegenden sieben Tagen nach Angaben der Gesundheitsbehörde nun bei 153,1. Die Zahl der Toten in der Corona-Statistik des Robert Koch-Instituts (RKI) stieg um 2 auf 586 - 41 mehr als vor einer Woche. Wegen der Weihnachtsfeiertage ist es allerdings möglich, dass weniger Fälle gemeldet werden, als es tatsächlich gibt, weil in der Zeit weniger Menschen zum Arzt gehen.

In Hamburg sollten Biontech-Planungen zufolge noch bis Jahresende insgesamt rund 29 500 Impfdosen zur Verfügung stehen. Da für einen Impfschutz immer zwei Injektionen nötig sind, könnten damit mehr als 14 500 Menschen gegen Corona geimpft werden. Senatorin Leonhard ging am Sonntag zunächst davon aus, dass „womöglich mehr als 10 000 Menschen“ bis Silvester geimpft werden können. Die Impfzahlen sollen sich schließlich sukzessive immer weiter erhöhen. Bis Februar/Anfang März könnten im besten Fall die freiwilligen Impfungen der Pflegeheimbewohner und -mitarbeiter abgeschlossen sein.

Umfragen zufolge liege die Impfbereitschaft in Hamburg bei rund 60 Prozent, sagte Bürgermeister Tschentscher. Auch die 88 Jahre alte Ingrid Luckner hatte keine Sekunde mit ihrer Zusage zur Impfung gezögert. Vor Spätfolgen habe sie keine Angst. „Jede Tablette hat doch Spätfolgen.“ Außerdem sei sie neugierig und bewundere „die Forschung der jungen Leute“ sehr. Der wichtigste Grund aber für die Spritze war für Luckner das Leben selbst. „Ich möchte gern noch ein bisschen dabei bleiben.“

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