Essay von David Schalko:"Österreich schmiegt sich politisch an die Ostblockländer an"

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FPÖ-Kandidat Norbert Hofer: laut Schalko "der freundliche Mann aus der rechtsextremen 'Marko-Germania'-Verbindung" (Foto: dpa)

Filmemacher David Schalko hält Österreich mit Serien wie "Braunschlag" den Spiegel vor. In seinem Gastbeitrag rechnet er mit der Regierung ab: Sie lasse sich von der rechten FPÖ die Themen diktieren.

Die österreichische Präsidentschaftswahl am vergangenen Sonntag hat in Wien ein mittleres Beben ausgelöst: FPÖ-Kandidat Norbert Hofer lag nach dem ersten Wahlkampf deutlich in Führung, gefolgt vom Grünen Alexander Van der Bellen, während die Aspiranten der großen Parteien dramatisch untergingen: SPÖ und ÖVP spielen beim zweiten Wahlgang am 22. Mai keine Rolle mehr - an dem Tag wird sich zeigen, wie weit der Rechtsruck in Österreich geht.

Für den in Wien lebenden Regisseur, Autor und Fernsehproduzenten David Schalko ist das Wahlergebnis ein Debakel. Im Essay für den Gesellschaftsteil der SZ kritisiert Schalko vor allem die Regierungsparteien, die mit ihrer Untätigkeit und Ignoranz den Aufstieg des rechtspopulistischen Präsidentschaftskandidaten Hofer überhaupt erst möglich gemacht hätten. "Im politischen Geflecht herrscht Katerstimmung", schreibt der Regisseur. "Die SPÖ-Führung verwechselt Stärke mit Ignoranz und beharrt darauf, keine personellen Konsequenzen zu ziehen. Dafür hat man sich aber offenbar schon mal das FPÖ-Programm zum Abschreiben schicken lassen. Die erste politische Entscheidung der Bundesregierung nach der Präsidentenwahl war eine drastische Verschärfung des Asylrechts, die es ermöglicht, jederzeit den Notstand auszurufen, um den Brenner für Flüchtlinge abzusperren."

Österreich rücke politisch in die Nähe von Ländern wie Ungarn, die Zähne gegen Flüchtlinge bauen, schreibt Schalko. "Ganz schleichend schmiegt sich Österreich jetzt auch politisch an die Ostblockländer an. Worte wie Orbánisierung geistern durch die Medien."

Schalko, der mit satirischen Fernsehserien wie "Braunschlag" und "Altes Geld" den Zuschauern den Spiegel vorhält, befasst sich in seinem Gastbeitrag auch mit den Ängsten der Österreicher. Und mit der wachsenden Aggression in der Gesellschaft, die überall in Europa den Rechtspopulisten Zulauf beschere. Die Politik reagiere darauf mit großer Hilflosigkeit und den üblichen Appellen. "Rhetorisch ist man angehalten, den frustrierten Protestwähler, der immer recht hat, bloß nicht zu vergraulen. Der linksliberale Bürger versucht, gekünstelt Verständnis für dessen Ängste und Nöte zu zeigen."

Und was passiert nun am 22. Mai, falls sich der Kandidat der FPÖ durchsetzt? Mit Norbert Hofer als Staatsoberhaupt scheint auf einmal alles möglich in der einstigen Konsens-Republik: "Das Amt ist ein schlafender Riese. Der Bundespräsident kann zum Beispiel jederzeit eine Bundesregierung entlassen. Nichts anderes hat Hofer im Übrigen angekündigt, wenn eine Regierung nicht seinen Vorstellungen entspricht. Dann muss sie halt weg. Hier schimmern die üblichen Deportationsfantasien durch, auf die sich die FPÖ-Politik im Wesentlichen beschränkt: Der IS muss weg. Der Flüchtling muss weg. Die EU muss weg. Die Steuern müssen weg."

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