"Walchensee Forever" im Kino:Familienalbum mit Seeblick

Lesezeit: 3 min

Drei Generationen am Walchensee, links die Regisseurin Janna Ji Wonders, daneben ihre sehr alte Oma und ihre Mutter. (Foto: FlareFilm)

Küche, Kinder, Kommune: Janna Ji Wonders erzählt in ihrem bayerischen Rebellinnen-Film "Walchensee Forever" von den tollen Frauen in ihrer Familie.

Von Martina Knoben

Sie sei eine Fee, eine Fee vom Walchensee, sagt das blonde Mädchen mit dem Blumenkranz im Haar. Ihre Mutter filmt es und stellt Fragen - aber nur vor der Kamera zu sitzen, reicht dem Mädchen schließlich nicht aus. Die damals fünfjährige Janna Ji Wonders bittet ihre Mutter, die Rollen und Plätze zu tauschen, sie will selbst filmen und Fragen stellen. Mit der Selbstermächtigung kann man - und vielmehr: frau - gar nicht früh genug anfangen.

Das blonde Mädchen ist heute Regisseurin. Janna Ji Wonders hat an der Münchner Filmhochschule studiert, sie hat Musikvideos, kurze und mittellange Dokumentarfilme und Spielfilme gedreht. In "Walchensee Forever", für den sie 2019 den Bayerischen Filmpreis bekam, erzählt sie von den Frauen in ihrer Familie, einer Dynastie bayerischer Rebellinnen. Es ist ein Heimat-, Abenteuer-, Familien- und Frauenfilm, der durchaus ein bisschen feenhaft anmutet.

Sein geografisches Zentrum ist das Café am Walchensee, das ihre Urgroßeltern 1924 eröffneten. Stolz und schön, stets sorgfältig gekleidet, steht die Urgroßmutter in der Küche - Fotografien zeigen eine Wirtin, die sich hält wie eine Königin. Janna Ji Wonders' Großmutter Norma, die im Film schon sehr alt ist, konnte mit dem Café erst nicht viel anfangen, übernahm es später aber doch. Männer gab und gibt es in der Familie natürlich auch, sie spielen aber nur Nebenrollen.

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Was ist Familie? Und was ist Heimat? Welche Träume lassen sich leben?

Ein Märchen von Jannas Opa wird vorgelesen, darin schreibt er von einem wunderschönen Mädchen - Norma -, das seine Haare wie eine Krone auf dem Kopf trägt. Er erzählt von Heirat und Glück. Ein Märchen, wie gesagt, Jannas Oma würde die Geschichte ihrer Ehe anders erzählen. Seelisch schwer geschädigt kam ihr Mann aus dem Krieg, Norma hat sich schließlich gegen ihn und für das Café am Walchensee entschieden. Die Familiengeschichte ist in "Walchensee Forever" immer auch ein Fenster zur Zeitgeschichte.

Janna Ji Wonders hat ihre inzwischen verstorbene Oma offenbar sehr geliebt, es gibt ein paar wunderschöne, zärtliche Szenen mit den beiden. Das Café am Walchensee war immer ein Girls Club. Es ist schön, diese Verbundenheit der Frauen, ihre Solidarität, die durchaus matriarchalen Strukturen zu sehen. Männerbünde gibt es schließlich genug.

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Material für ihren Film zu finden, war für Wonders übrigens ein Kinderspiel: Schon vor ihr hatte es diverse Bildermacher und Bildermacherinnen in der Familie gegeben, ihre Mutter ist die Fotografin Anna Werner. Fotos und Filmaufnahmen gab es also genug, dazu Briefe und Tagebücher. Das alles wird von der Regisseurin zu einem sich über rund hundert Jahre erstreckenden Familienalbum montiert. Einem Album mit Seeblick - immer wieder kommen die Frauen, so abenteuerlustig manche sind, an den Walchensee zurück.

Wenn der See das geografische Zentrum dieser Doku ist, so ist Anna Werner, die Mutter der Regisseurin, ihr emotionales. Wie vor dreißig Jahren setzt sie sich vor die Kamera ihrer Tochter und lässt sich Fragen stellen: Wie war das, als du damals nach Mexiko gegangen bist und nach San Francisco, zum "Summer of Love"? Wie war es, mit Rainer Langhans nackt in einer Höhle auf Kreta zu leben? Was hatte es mit Langhans' Harem auf sich, in dem die Mutter Mitglied war? Der Kommunarde Langhans ist dann der einzige Mann, der im Film ausführlicher zu Wort kommt. Aber eher als Zeuge - nicht als zentrale Figur. Auch im "Harem" sei er keineswegs Chef gewesen, erzählt Anne Werner. Auch dort seien die Frauenfreundschaften mindestens so wichtig gewesen wie die Beziehung zum Mann.

Man kommt aus dem Stauen gar nicht mehr heraus, so abenteuerlich und furchtlos hat Anna Werner als junge Frau gelebt. An ihrer Seite, und Anstifterin für manches Abenteuer, war lange ihre Schwester Frauke. Frauke lebt aber nicht mehr - und es ist diese immer noch schmerzhafte Wunde in dieser Familie, die womöglich der eigentlich Anlass war für Janna Ji Wonders' Film.

In bayerischer Tracht, mit Hackbrett und Gitarre tourten die junge Anna Werner und ihre Schwester Frauke durch Mexiko. (Foto: FlareFilm)

Was ist Familie? Und was ist Heimat? Welche Träume lassen sich leben? Welche Risiken gibt es dabei? Das sind einige der Fragen, die "Walchensee Forever" - nein, nicht offensiv stellt - eher feen- oder wassernymphenhaft anklingen lässt. Zu diesem luftigen Gespinst muss man sich bayerische Volksmusik vorstellen. Nicht, wie sie in Bierzelten zu hören ist, sondern "Volxmusik" wie die von LaBrassBanda oder die, die Anna Werner mit ihrer Schwester Frauke machte. In traditioneller bayerischer Tracht reisten die beiden Schwestern in den Sechzigerjahren nach Mexiko, um dort zu jodeln, die mexikanischen Machos waren hingerissen und voller Respekt. Es ist dieselbe Mischung, die den Charme von "Walchensee Forever" ausmacht, die Mischung aus bayerischer Bodenständigkeit und denkbar größter Weltoffenheit.

Walchensee Forever , D 2020 - Regie: Janna Ji Wonders. Buch: J. J. Wonders, Nico Woche. Kamera: J. J. Wonders, Sven Zellner, Anna Werner. Schnitt: Anja Pohl. Musik: Cico Beck, Markus Acher. Verleih: Farbfilm, Länge: 110 Minuten, Kinostart: 21. 10. 2021 .

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