Antifaschismus und Hass auf Israel: Dass sich das verträgt, dass es sich schon in der DDR gut vertrug, musste sich nicht nur die Partei Die Linke vor kurzem in dieser Zeitung von Dieter Graumann sagen lassen. Das vom Präsidenten des Zentralrats der Juden benannte Muster ist auch aus Teilen der westlichen Achtundsechziger-Bewegung schon länger bekannt.
Daniel Cohn-Bendit: "Ich habe, ich gebe es zu, die Nase voll. Ich weiß nicht, warum alle dieses Achtundsechziger-Bashing betreiben."
(Foto: dpa)"Jüdische Stimmen im Diskurs der sechziger Jahre" wollte in dieser Woche eine schon lange geplante Tagung auf dem oberbayerischen Schloss Elmau befragen. In der Konfrontation von Zeitzeugen und Historikern wurde aus der Konferenz, an der unter anderem Jürgen Habermas und Daniel Cohn-Bendit teilnahmen, schnell die Debatte über die Gretchenfrage: Wie hält es die Linke mit dem Antisemitismus?
Dabei scheinen die Dinge zunächst einfach: In einem korrumpierten Deutschland, in der "verunsicherten und kleinlaut gewordenen Universität" der Nachkriegszeit - so berichtete Jürgen Habermas auf der Konferenz, die vom Judaistik-Lehrstuhl der Münchner Universität zusammen mit dem Institute of European Studies der University of California in Berkeley organisiert wurde - seien gerade die Remigrierten unersetzliche Lehrer geworden.
Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Herbert Marcuse natürlich, aber auch Helmuth Plessner, Karl Löwith oder Ernst Bloch: "Wer, wenn nicht sie?" Indem sie gegenüber den auch während der NS-Zeit lehrenden Professoren wie Arnold Gehlen und Helmut Schelsky die "Relevanzstruktur" wieder hin zur Aufklärung verschoben hätten - "Der geistige Gegensatz war auch politisch, wie sollte es anders sein?"-, hätten jene für eine vaterlose Generation den besseren Strang der Tradition verkörpert. "Nach meinem Eindruck", so Habermas, "verdankt die politische Kultur der alten Bundesrepublik ihre zögerlichen Fortschritte in der Zivilisierung ihrer Einstellungsmuster zu einem, sogar zu einem ausschlaggebenden Teil jüdischen Emigranten."
Radikal enthusiastische Aufklärung
Das Band scheint in der Tat unzertrennlich; Adorno schrieb bald nach der Remigration an Thomas Mann: "Manchmal ist mir zumute, als wären die Geister der ermordeten Juden in die deutschen Intellektuellen gefahren." Doch sollte gerade Adorno bekanntlich größte Probleme mit der Studentenbewegung haben.
Die merkwürdige Spaltung der Linken entsteht, so beschrieb es Christoph Schmidt (Jerusalem) in Elmau, als "Supersession": "Wir haben diskutiert, als ob wir Juden waren", habe Joschka Fischer ja einmal gesagt. Eben indem die akademisch Vaterlosen, so Schmidt, die Juden als geistige Väter für ihre eigenen biologischen eingesetzt hätten, hätten sie die "Juden im Geiste", also über eine Opferidentifikation im Grunde sich selbst, anstelle der realen gesetzt.
Gleichzeitig wurde vermittels der Lektüre von Walter Benjamin und Ernst Bloch aus dem theologisch messianischen Impuls der säkular messianische einer radikal enthusiastischen Aufklärung, wie sie gerade Adorno immer bekämpft habe.
"Echte Juden" waren damit nur noch die imaginierten revolutionären beziehungsweise die Revolutionäre selbst. "Falsche Juden" wurden oder blieben die Kapitalisten im Bund mit den USA, vor allem aber die Zionisten. Diese hatten ja den Internationalismus "durch einen Rückfall in den Nationalismus" verleugnet.
Im Sechstagekrieg wurde Israel zum Feind; dass die Springer-Presse israelfreundlich war, war ein Indiz. Ulrike Meinhof verglich Stammheim mit Auschwitz und rechtfertigte zugleich das Massaker an den jüdischen Athleten bei den Olympischen Spielen. Der Bombe, die 1969 im Jüdischen Gemeindehaus Berlin gefunden wurde, lag ein Bekennerschreiben gegen "Schalom und Napalm" bei.