"Respect" im Kino:Die Soulmaschine

Lesezeit: 3 min

Jennifer Hudson als Aretha Franklin in "Respect". (Foto: Universal/dpa)

"Respect": Für den Kinofilm über ihr Leben hat die verstorbene Aretha Franklin noch selbst die Hauptdarstellerin ausgesucht. Eine würdige Wahl?

Von Annett Scheffel

Wie erzählt man vom Leben einer Pop-Ikone? Von den Bildern, die sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt haben, und von dem Menschen dahinter, von den persönlichen und künstlerischen, mitunter auch politischen Kämpfen? Hollywood, so scheint es, hat darauf fast immer die gleiche Antwort. Und die ist ziemlich langweilig.

Das Musiker-Biopic ist zu einem eigenen Genre geworden. Es gibt Filme über Ray Charles ("Ray"), Johnny Cash ("Walk the Line"), James Brown ("Get on Up"), ) über die Hip-Hop-Pioniere von N.W.A ("Straight Outta Compton") und zuletzt über Queen ("Bohemian Rhapsody") und den Aufstieg von Elton John ("Rocketman").

Man muss kein großer Musikkenner sein, um zu wissen, wie stark sich diese Künstler unterscheiden. Trotzdem ähneln sich die Filme über sie auf fast schon gespenstische Weise. Zwar gibt es immer mal wieder gute Ausnahmen ("I'm Not There", "Control", "Love & Mercy"), aber fast immer werden Musikerbiografien auf der Leinwand eingedampft auf die stets gleiche Hochglanzformel aus opulenter Ausstattung, prominenter Besetzung und einem bewährten Handlungsbogen in drei Akten (schwierige Kindheit, dann Aufstieg und Ruhm, dann Drogen und Lebenskrise, die schließlich überwunden wird). Kommerziell werden diese leicht verdaubaren Popmärchen sogar oft belohnt - wie im Fall von "Bohemian Rhapsody", das 2018 mit mehr als 900 Millionen Dollar Umsatz zum bislang erfolgreichsten Biopic wurde.

Aretha Franklin wurde mit elf vergewaltigt, ein Trauma, das hier weichgezeichnet erzählt wird

Auftritt Jennifer Hudson, die in "Respect" die 2018 verstorbene Soul-Sängerin Aretha Franklin spielt. Deren Leben ist eigentlich guter Stoff für ein spannendes Biopic. Und Regisseurin Liesl Tommy stellt zunächst auch die richtigen Fragen: Wie wurde aus dem Detroiter Mädchen, das in der Baptistenkirche ihres Vaters Gospel sang, die "Queen of Soul", deren warmer, wuchtiger Gesang in den besten Momenten der Gesamtheit aller menschlichen Gefühle eine Form zu verleihen schien?

Bei den Antworten geht der Film dann aber kein Risiko ein. Er erzählt von traumatischen Erfahrungen, vor allem was ihr Verhältnis zu Männern betrifft, ohne dass es jemals richtig düster wird. Hollywood liebt das Pathos. Keine Experimente. Drama ja, aber keine Abgründe. Das stört den Nostalgiefaktor. Und so ist "Respect" im Prinzip genau das geworden, was man nach den oben genannten Biopics erwartet, oder sagen wir befürchtet hat: ein von Symbolik überladenes und von Kontroversen gesäubertes, üppig inszeniertes und gut gecastetes, sehr respektvolles Porträt, das trotz zweieinhalb Stunden Laufzeit kaum Raum für Ambivalenzen oder Zwischentöne lässt.

Dabei hätte man sich von der Regisseurin Liesl Tommy mehr erhoffen können. Die in Südafrika zur Zeit der Apartheid geborene Regisseurin hat sich mit hochgelobten, politisch aufgeladenen Theaterstücken einen Namen gemacht. Am Broadway inszenierte sie mit Lupita Nyong'o "Eclipsed" über Frauen im liberianischen Bürgerkrieg und erhielt dafür - als erste schwarze Frau - eine Tony-Nominierung für die beste Theaterregie. "Respect" ist ihr Spielfilmdebüt. Tommy verzichtet immerhin auf die altbekannte Rückblenden-Struktur und erzählt strikt chronologisch von Aretha Franklins Leben und Karriere.

Ihr Film setzt 1952 ein. Die zehnjährige Aretha lebt unter der strengen Aufsicht ihres Vaters, Reverend C. L. Franklin (Forest Whitaker), charismatischer Prediger und Schwergewicht der Bürgerrechtsbewegung, in dessen Haus musikalische und intellektuelle Größen wie Martin Luther King, Mahalia Jackson und Duke Ellington ein- und ausgehen. Die Traumata dieser Kindheit - das schwierige Verhältnis zum dominanten Vater, eine Vergewaltigung mit elf, die zu einer ungewollten Schwangerschaft führt - werden zwar miterzählt, wirken aber seltsam weichgezeichnet. Ähnlich ist es später mit dem gewalttätigen ersten Ehemann. Oder ihre Erfahrungen mit dem Rassismus der Sechzigerjahre. Die Kamera hält in diesen Szenen besonders lange auf Jennifer Hudsons trauriges Gesicht. Ein Gefühl für den wahren Horror bekommt man nicht. Die erste Hälfte des Films rettet eher Mary J. Blige mit einem flammend-extrovertierten Auftritt als Dinah Washington.

Musikalisch kann Hauptdarstellerin Jennifer Hudson gut mit Aretha Franklin mithalten. (Foto: Quantrell D. Colbert/Universal/dpa)

Seinen Groove findet der Film dann aber in den Musikszenen. Dass es davon mehr gibt als in anderen Biopics, ist Liesl Tommys beste Entscheidung. "Respect" lässt sich Zeit mit den Konzert- und Studioszenen und zeichnet ausführlich nach, wie Franklin nach frustrierenden Columbia-Jahren in New York mit dem Wechsel zu Jerry Wexlers auf Rhythm and Blues spezialisiertes Label Atlantic Records ihren eigenen Sound fand. Man sieht und hört, wie "I Never Loved a Man (the Way I Love You)", die erste Hit-Single, gemeinsam mit den Studiomusikern entsteht. All diese Szenen leben von Jennifer Hudsons beeindruckender Gesangsperformance. In diesen Momenten kommt sie Franklin nah.

Aber Hudson ist eine bessere Sängerin als Schauspielerin. Ihre schmollmündige Verkörperung der Figur ist weniger glaubwürdig und oft zu plakativ. Weitaus besser gelungen ist diese Aufgabe Cynthia Erivo in der Miniserie "Genius: Aretha", die ebenfalls dieses Jahr erschienen ist. Erivo klang zwar nicht wie Franklin, bekam aber deren Resolutheit und Selbstgewissheit besser zu fassen, die mindestens genauso wichtig waren wie diese Wahnsinnsstimme.

Im Gegensatz zum Film genoss die Serie nicht den Segen von Franklins Nachkommen - und von "Lady Soul" selbst. Franklin hatte Hudson noch zu Lebzeiten höchstpersönlich für die Rolle bestimmt. Das war bereits 2007, nach dem Oscar-Gewinn für "Dreamgirls". Gut möglich, dass die Beteiligung von Franklin und ihrer Familie dem Film nicht gutgetan hat. "Respect" erzählt weniger vom Menschsein, sondern verwaltet die Legende Aretha. Immerhin strahlt deren Musik so hell wie eh und je.

Respect , USA 2021 - Regie: Liesl Tommy. Buch: Tracey Scott Wilson, Liesl Tommy. Kamera: Kramer Morgenthau. Mit: Jennifer Hudson, Forest Whitaker, Marlon Wayans, Mary J. Blige. Universal, 145 Minuten. Kinostart: 25.11.2021.

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