"Monuments Men" auf der Berlinale:Clooney hat zu viel gewollt

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Matt Damon und George Clooney in einer Szene von "Monuments Men - Ungewöhnliche Helden". (Foto: dpa)

Eigentlich erzählt sich die Geschichte der Kunstschützer aus dem Zweiten Weltkrieg von selbst. Doch US-Kritiker nennen "Monuments Men" einen "bizarren Fehlschlag". Nun stellt sich auf der Berlinale die Frage: Was wollte George Clooney mit dem Film erreichen - und was ist auf dem Weg dorthin schiefgegangen?

Von Tobias Kniebe, Berlin

Die Anstrengung darf nicht spürbar werden. Das ist das Prinzip. Und es stimmt ja wirklich - man merkt da nichts. Der Mann wirkt ausgeruht, leicht gebräunt, schwer entspannt. Der Hemdkragen steht offen, das Silbergrau seines Anzugs ist exakt auf den aktuellen Grauton seiner Haare abgestimmt. Für jeden im Raum gibt es einen festen Händedruck, ein warmes Lächeln und die Scherzfrage in die Runde, ob er vielleicht einen Drink anbieten könne. Die Zimmer im Berliner Soho House haben Küchenzeilen im Landhausstil, und hinter Clooney stehen jetzt gerade die Whiskeyflaschen.

Am Freitag ist "Monuments Men", seine fünfte Regiearbeit, in den USA angelaufen. Die Kritiken dort sind wenig enthusiastisch bis offen feindselig ("bizarrer Fehlschlag", "monumentales Schlamassel"). Die Boxoffice-Hoffnungen wurden nach unten korrigiert. Den meisten in diesem Geschäft würde so etwas die Laune verderben, und sie wären vor allem unfähig, solche Wunden völlig zu verbergen. George Clooney aber wirkt aufgeräumt bis in den hintersten Winkel der Seele. Als Erstes findet er warme Worte für Berlin und die Berlinale: "Es gibt ja eine große Geschichte in Sachen Film hier, und das Festival ist mehr als nur Show."

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Die Journalisten sitzen mit ihm um einen großen runden Eichentisch herum. Sie sind zwangsweise zu einer Gruppe gebündelt, alle deutschen Zeitungen werden am Ende dieselben Zitate haben. Journalisten hassen so was. Aber alle sind trotzdem gekommen. Solche Bedingungen kann derzeit nur einer diktieren - hier findet gerade sehr konkret eine Form der Machtausübung statt. Aber auch die bleibt völlig unsichtbar. Clooney plaudert launig über Streiche am Set, über seine lustigen Kollegen. Er beteuert, dass er "Monuments Men" wirklich immer in Berlin-Babelsberg drehen wollte, nicht etwa in Prag, obwohl es beim Dreh in Berlin dann saukalt war.

Derweil steht eine Frage im Raum, der alle ausweichen, die aber nicht ganz zu ignorieren ist: Was genau wollten George Clooney und sein Schreib- und Produktionspartner Grant Heslov eigentlich mit "Monuments Men" erreichen - und was ist auf dem Weg dorthin schiefgegangen? Auf den ersten Blick ist das nämlich eine Geschichte, die sich nun wirklich praktisch von selbst erzählt.

Man schreibt das Jahr 1943. Die Amerikaner schicken sich an, in Sizilien zu landen, der lange und verlustreiche Endkampf beginnt, um Hitler aus dem Herzen Europas herauszuschneiden - und ein paar weise und großherzige Museumsmenschen der USA beschwören Präsident Roosevelt, dass Europas Baukunst, seine Gemälde und Skulpturen - überhaupt seine ganze Kunstgeschichte - bei dieser schmerzhaften und blutigen Operation bitte keinen Schaden nehmen darf.

Roosevelt hört ihnen zu - und ruft das "Monuments, Fine Arts, and Archives Program" der US-Regierung ins Leben. General Eisenhower unterstützt den Plan, und schon bald werden Kunsthistoriker, Kuratoren, Bildhauer und Museumsdirektoren in Armeeuniformen gesteckt, um dicht hinter der Front mitzumarschieren, das Erbe der Menschheit zu sichern, Raub- und Beutekunst der Nazis aufzuspüren - und nach dem Krieg alles wieder zurückzugeben: die sogenannten Monuments Men. Ideen wie diese, welthistorisch nahezu einmalig, machen es bis heute schwer, wirklich zum Antiamerikaner zu werden - auch wenn die aktuelle US-Administration auf dasselbe Problem wohl nur noch mit "Fuck Europe" antworten würde.

Ein Kriegsfilm, in dem nicht bloß für den Sieg gekämpft wird, sondern vor allem für das Erbe der Menschheit, den ultimativ noblen Zweck - ist das nicht ein Feelgood-Abräumer par excellence? George Clooney lächelt ein bisschen schief - und sehr charmant. Das kann er so nicht bestätigen. So funktioniert das nicht mehr im Amerika der Gegenwart, im herrschenden Superhelden-Blockbuster-Modus des Kinos. Aber Clooney klagt auch nicht darüber. Klagen lässt ja alles nur wieder so hässlich aussehen.

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"Ein Siebzig-Millionen-Dollar-Film über Kunst?" fragt er, jetzt ganz der Herzland-Amerikaner aus Kentucky, eingestimmt auf die Wellenlänge des Publikums. "Nein, das ist kein Verkaufsschlager, das war uns gleich klar. Wir wussten, wir mussten dem etwas Spaß hinzufügen, und wir wollten auch selbst einfach Spaß haben. Also haben wir sofort an diese augenzwinkernden klassischen Kriegsfilme gedacht - Filme wie ,Kelly's Heroes'" oder ,The Great Escape'."

Eine komische Schatzjägergeschichte hinter den feindlichen Linien? Ein Allstar-Ausbruch aus dem Kriegsgefangenenlager? Man wird "Monuments Men", den Film, besser verstehen, wenn man diese Referenzen im Hinterkopf behält. George Clooney hat zwar die Rechte am maßgeblichen historischen Sachbuch erworben, Robert M. Edsels "Monuments Men", er reist jetzt sogar mit dem letzten überlebenden Soldaten aus der Monuments-Truppe im Schlepptau, dem 88-jährigen Harry Ettlinger - aber für seinen Film hat er dann doch fiktive Figuren erfunden, die an die echten Monuments Men nur noch angelehnt sind. Dazu fiktive Kunstvernichtungsszenen, in denen die Nazis Bilder abfackeln, und einen stark übertriebenen Wettlauf mit den Russen.

Aber warum? Ein zugemauerter Bergwerksstollen, der überraschend zum Milliarden-Goldschatz der Reichsbank in der Mine von Merkers führt; atemberaubende Kunstschätze türmen sich, als die Amerikaner erstmals ins Schloss Neuschwanstein vordringen; ein wahnsinnig gewordener Gauleiter will ein ganzes Salzbergwerk voller Kunst in die Luft jagen, darin Michelangelos Brügger Madonna und Jan van Eycks Genter Altar, was gerade noch verhindert wird - schon die wahren Geschichten der Monuments Men sind dramatisch. Selten hatte ein historischer Stoff es weniger nötig, mit halbgaren Erfindungen aufgepeppt zu werden.

Genau das tun aber Clooney und sein Co-Autor Heslov. Damit der dicke John Goodman dann lustig schnauben kann, wenn ihm ein Stahlhelm auf den Kopf gedrückt wird. Damit der zerzauste Bill Murray auch in Uniform zum Knuddeln aussieht. Damit er dem Franzosen Jean Dujardin einfach die Regieanweisung geben kann, wie ein dämlicher Franzose zu schauen, Matt Damon aber den Auftrag, das Französische mit seiner Aussprache foltern. Cate Blanchett kämpft mit einer besonders absurden Aufgabenstellung. Als zivile französische Kunstretterin - angelehnt an die legendäre Kunsthistorikerin Rose Valland, die jedes Kunstwerk, das die Nazis raubten, in ihrer geheimen Kladde erfasste - muss sie ein möglichst laszives Mauerblümchen geben. Sehr würdevoll ist das nicht. Aber eben leider auch nicht wirklich komisch.

Im Soho House, wo die Wanduhren römische Ziffern haben und der runde Eichentisch sicher eine halbe Tonne wiegt, redet George Clooney inzwischen davon, dass der "amerikanische Geist" sich verschlossen habe, etwa zur Zeit von Watergate - und dass die Haltung, sich für den Rest der Welt nicht mehr zu interessieren, natürlich die falsche sei. Er staunt noch einmal über den Kunstfund von München, in der Wohnung des Cornelius Gurlitt, und vermutet, dass "immer noch jede Menge" nie zurückgegebene Kunst in Museen hängt. Er ist dafür, sie den Erben wieder zuzuführen, aber auch, sie weiterhin in der Öffentlichkeit zu zeigen: "Eigentlich gehören diese Werke doch der ganzen Welt."

Es geht, immer noch charmant und mit höchster Leichtigkeit, hin und her. Hey, man muss die Welt doch mit Spaß anreichern - und im nächsten Moment gibt er dann wieder ernste Gemeinplätze von sich. Genauso passiert es im Film - er findet einfach keinen konsistenten Ton. Als militärische Helden taugen die Monuments Men zum Beispiel nicht - dafür fehlt ihnen die Kampferfahrung, dafür werden sie auf dem Schlachtfeld auch viel zu schusselig gezeigt. Dann sterben aber doch ein paar, auf eher unsinnige Weise - und plötzlich hält Clooney, der selbst den Boss der Einheit gibt, eine bitter ernst gemeinte und sehr patriotische Rede über "unsere Toten". Überhaupt wird die Frage, ob die Monuments Men richtige Soldaten waren oder doch nur irgendwelche Kunstheinis (ersteres natürlich) peinigend oft verhandelt. Und in diesen Momenten passiert es dann auch, dass das Prinzip Clooney, das ja nicht nur für den Star, sondern auch für den Regisseur gilt, zusammenbricht. Auf einmal wird da eine ungut forcierte Anstrengung spürbar.

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Da gibt es zum Beispiel eine Szene im Feldlager, wo eine Frauenstimme von der Schellackplatte ein Weihnachtslied singt, die man Clooney nie zugetraut hätte - weil sie schamlos aufs Sentiment kalkuliert ist. Oder diesen erbaulichen Epilog am Schluss, in dem ein gealterter Monuments-Clooney (gespielt von dessen eigenem Vater) seinem jungen Sohn Jahrzehnte später die gerettete Madonna vorführt. Sie wirkt wie eine Parodie von Spielbergs "Saving Private Ryan", allerdings unfreiwillig.

Nun kann man vermuten, dass irgendwas an der ersten Idee dieses Weltkriegs-Spaßstücks bei den Zuschauertests überhaupt nicht funktioniert hat - und dass dann in der Postproduktion noch krampfhaft Erklärung, Bedeutung, Rechtfertigung und Patriotismus nachgereicht wurden. Aber vielleicht ist das auch ganz falsch. Dazu hätte man Clooney jetzt gern befragt. Bevor sich allerdings die Chance ergibt, in der Runde noch einmal zu Wort zu kommen, ist das Gespräch vorbei.

George wünscht allen noch viel Spaß, dann ist er weg. Zurück bleibt die starke Aura des guten Willens, die er soeben bei den Anwesenden erzeugt hat, und ein leicht resigniertes Gefühl: Wir brauchen sie ja doch, unsere Darsteller der großen Leichtigkeit. Anders käme gar kein Stargefühl mehr auf. Und wenn es mal nicht so läuft, haben sie auch ein Recht auf Ausweichmanöver. Ganz unangestrengt, versteht sich.

© SZ vom 10.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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