Liv Ullmann als Regisseurin von "Fräulein Julie":"Die Natur Irlands hat perfekt zur Geschichte gepasst"

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Bei Strindberg zündet die Mutter auch das Haus an. Warum war das unwichtig?

Mir ging es vor allem um das tiefe Gefühl der Einsamkeit, das Julie empfindet. Dass das abgebrannte Haus dafür ein Grund sein könnte, konnte ich nicht erkennen. Ausschlaggebend für mich war, dass die Mutter niemals für sie da war und dafür gesorgt hatte, dass sie kein gesundes Verhältnis zu Männern aufbauen konnte.

Auch John und seine Verlobte Kathleen sind in dem Stück phasenweise sehr durcheinander. John hadert mit seiner sozialen Herkunft, während Kathleen das Werben Julies um John zutiefst abstößt, vor allem wegen ihrer tiefen Frömmigkeit.

Colin Farrell und Liv Ullmann bei der Premiere von "Miss Julie" in Chicago im Oktober 2014.

Colin Farrell und Liv Ullmann bei der Premiere von "Miss Julie" beim Chicago International Film Festival im Oktober 2014.

(Foto: imago/APress)

Sie sind beide nicht glücklich mit dem, was ihnen zuteil wurde. Aber im Gegensatz zu Julie haben sie noch Träume im Leben. Sie hat nur noch Sehnsucht danach, nicht mehr zu existieren. Für sie ist auf dieser Welt kein Platz.

Warum haben Sie Strindbergs Stück von Schweden nach Irland verlegt?

Der wichtigste Grund dafür bestand darin, dass es sich bei "Fräulein Julie" um eine englische Produktion handelt. Ich musste daher mit englischsprachigen Schauspielern arbeiten. Also verlegte ich die Szenerie nach Irland, worüber ich im Nachhinein sehr glücklich bin. Denn die Natur Irlands passt perfekt zur Geschichte, genau wie das Schloss, das wir dort gefunden haben.

Der irische Akzent des gebürtigen Iren Colin Farrell passt in der Tat gut zu dem Schauplatz Ihres Filmes. Jessica Chastian ist in der Originalfassung hingegen anzumerken, dass sie ins Irische erst hinein finden musste.

Ich persönlich empfand gerade sie genial in der Arbeit mit der Sprache. Wie sich ihre Stimme im Laufe dieser Nacht verändert, wie sie ihren seelischen Verfall durch die Sprachmelodie intoniert, das fand ich großartig.

Haben Sie darauf geachtet, dass sich das in der deutschen Synchronisation wiederfindet?

Darauf hatte ich leider keinen Einfluss. Ich habe meine Rollen ab und zu selbst ins Englische synchronisiert. Für deutsche Synchronisationen reichten meine Sprachkenntnisse nicht aus, was ich bedauere, denn ich bin der Überzeugung, dass Originalschauspieler Rollen besser sprechen als Synchronsprecher. Eine Ausnahme gibt es: Als ich Judy Winters deutsche Synchronisation meiner Marianne in Ingmar Bergmans "Szenen einer Ehe" hörte, kam es mir so vor, als ob sie die Rolle an manchen Stellen tatsächlich besser sprach als ich selbst. Sie hat mich öfters synchronisiert und ich wusste bei ihr immer, dass ich in den Händen einer sehr guten Schauspielerin bin.

Ingmar Bergman war ihr wichtigster Mentor und ein großer Bewunderer August Strindbergs. Er hat dessen Stücke ja auch auf die Bühne gebracht. Wenn er einen Film aus dem Stoff der "Miss Julie" gemacht hätte, wäre das Ergebnis ähnlich wie bei Ihnen ausgefallen?

Auch wenn unser Geschmack sehr ähnlich war, wäre bei ihm sicher etwas anderes herausgekommen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ihm meine Interpretation des Stücks gut gefallen hätte.

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