Humboldt-Forum:Bedrohter Zauberstoff

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Verbrennung von beschlagnahmtem Elfenbein durch den Kenya Wildlife Service. (Foto: Alamy)

"Schrecklich schön" erzählt die grausame Geschichte des Elfenbeins.

Von Jörg Häntzschel

Seit die Museen sich kritisch mit ihrer Geschichte beschäftigen, sind sie gut darin geworden, dunkle Kapitel gleichzeitig einzuräumen und zu verschleiern. Sie sprechen dann von Kunst, die "belastet" oder "problematisch" ist oder aus "Unrechtskontexten" stammt. Das Humboldt-Forum schlägt mit seiner ersten eigenen Ausstellung einen klareren Ton an. "Schrecklich schön" lautet der beherzte Titel. Es geht um Elfenbein, das Material, das für Ausbeutung und Naturzerstörung ebenso steht wie für filigrane Kunst.

Verharmlost wird hier nichts. Eine Triggerwarnung am Eingang kündigt Inhalte an, die "im Zusammenhang mit Gewalt, Diskriminierung und Rassismus" stehen und "Gefühle der Verletzung und Ohnmacht" auslösen können. Und auch die, die solche Gefühle nicht fürchten müssen, fragen sich, was dieses apokalyptische Stöhnen sein mag, das unheilvoll durch den Raum hallt. Es stammt von einem Elefanten, dem man in einem Video 20 Minuten lang beim Sterben zusehen kann.

Nach und nach entblättert die Ausstellung ihr Thema. Erklärt die Einzigartigkeit des Materials und wie es zum Treibstoff von Sklaverei und Kolonialismus wurde. Am Fuß einer animierten Grafik, die die Elfenbeinströme durch die letzten Jahrtausende zeigt, laufen - wie bei CNN die Aktienkurse - die jährlichen Kilopreise über den Bildschirm. Elfenbein war nicht nur Währung politischer und ökonomischer Macht, es war ein Zauberstoff. Die Kraft des getöteten Elefanten ging, so die Vorstellung, auf den über, der sich seine Zähne leisten konnte. Sogar als Metapher für die Überlegenheit der Weißen diente es. Paul McCartneys Aufruf zu perfekter Harmonie zwischen "Ebony and Ivory" half nicht weiter.

Bald nähert sich die Ausstellung dann dem Elefanten an, der keystone species, deren Verschwinden ganze Ökosysteme verarmen lässt. Sogar ein paar Klumpen Elefantendung sind ausgestellt, doch nicht zur Dekoration einer schwarzen "Virgin Mary", wie in dem berühmten Werk des Künstlers Chris Ofili, sondern weil er ökologisch so wichtig ist.

Afrikanisches Elfenbeinlager aus der Kolonialzeit. (Foto: Alamy)

Doch liegt der Verdacht in der Luft, das Humboldt-Forum lenke hier von seinen eigenen Problemen ab. Es ringt um eine Haltung zum Kunstraub aus den Kolonien. Es weiß nicht, wie umgehen mit den Tausenden zweifelhaften Objekten, die die Mitarbeiter ein Stockwerk höher gerade hinter Glas stellen. Doch mit dem Elfenbein hat das Humboldt-Forum sich statt des eigenen moralischen Problems ein anderes vorgenommen. Stoßzähne sind keine kulturellen Gegenstände. Die Kunst, die hier gezeigt wird, wurde zum größten Teil in Europa gemacht. Restitution steht nicht zur Debatte. Am Ende entlässt die Ausstellung den Besucher mit einem Appell für den Artenschutz. Wer wäre nicht dafür?

Elfenbein-Schmuckdose aus dem Museum für Asiatische Kunst. (Foto: Jürgen Liepe/bpk)

Das Ausweich-Thema stellt das Humboldt-Forum allerdings vor gestalterische Probleme. Werke aus Elfenbein sind selten größer als eine Faust. Es mögen ganze Welten in diese Stücke geschnitzt sein, doch bei trüber Beleuchtung und hinter Glas sind oft nur Schemen in Beige zu erkennen. Am Ende sind es die Zahnprothesen und Cocktailrührer, die im Gedächtnis bleiben. Wie froh steht man vor der prachtvollen französischen Tapisserie, die eine Elefantenjagd zeigt: endlich Farbe. Deshalb machten die Kuratoren auch einen von Elefanten zertrampelten Jeep zum Fluchtpunkt. Inhaltlich bietet das Wrack nichts, doch sein Schauwert ist groß.

Und an Schauwerten mangelt es, schon wegen der Größe des Raums. Anderswo sind die Decken zu niedrig, hier sind sie zu hoch. Die Ausstellungsarchitekten versuchten, mit voluminösen Bauten davon abzulenken, doch sie verzwergen die Miniaturen zusätzlich. Klein wirkt auch die Ausstellung selbst. Nach den ersten liebevoll gemachten Kapiteln ist die Sache schon vorbei.

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