Die Favoriten der Woche:Von Ohrwürmern und Felsenbühnen

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Ein Museum in Kalifornien, zwei geniale Musik-Erlebnisse und Freiluftkunst: Fünf Empfehlungen aus der SZ-Redaktion.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Das Western-Museum in Lone Pine

Das "Museum of Western Film History" in Lone Pine, Kalifornien. (Foto: Museum)

Gut, es liegt zugegebenermaßen nicht gleich ums Eck. Aber falls doch jemand demnächst mal nach Lone Pine, Kalifornien kommen sollte: Unbedingt beim "Museum of Western Film History" einen kleinen Stopp einplanen. Man kann es gar nicht verfehlen, Lone Pine besteht quasi nur aus der Main Street, und das Museum liegt gleich am Stadteingang, wenn man von Los Angeles aus kommt. Von dort sind es etwa drei Stunden mit dem Auto (wenn der Verkehr günstig ist, ansonsten braucht man schon drei Stunden, um aus Los Angeles rauszukommen, was immer dann der Fall ist, wenn man ein quengelndes Kleinkind auf dem Rücksitz hat). Der flache Bau des Western-Museums sieht natürlich nicht so spektakulär aus wie das riesige mehrstöckige Protzmuseum der amerikanischen Filmakademie am Wilshire Boulevard in L.A. - aber er hat deutlich mehr Charme.

Und was die Artefakte aus der Filmgeschichte angeht, muss sich Lone Pine auch nicht vor der Großstadt verstecken. Das liegt unter anderem daran, dass Quentin Tarantino ein riesiger Fan des Museums ist und diesem unter anderem die Kutsche von Dr. King Schultz (Christoph Waltz) aus "Django Unchained" zur Verfügung gestellt hat. Sie steht gleich im Eingangsbereich zwischen Kasse und Museumsshop. Weil um Lone Pine herum in den Alabama Hills aber gefühlt auch jeder zweite Western aus der goldenen Zeit Hollywoods gedreht wurde, gibt es ebenfalls etliche Exponate aus der Ära John Waynes. Die freundliche ältere Dame am Empfang fängt beim Kauf der Eintrittskarten gleich an, die vielen Stars aufzuzählen, die schon hierherkamen zum Arbeiten: Clint Eastwood, Cary Grant, Douglas Fairbanks, Gregory Peck, Spencer Tracy, Tony Curtis, Jack Lemmon, Natalie Wood. Um die 400 Filme sind hier entstanden, erklärt sie stolz. Auch die Macher einiger Folgen von "Star Trek", "Iron Man" und "Transfomers" haben das atemberaubende Bergpanorama über Lone Pine schon als Kulisse benutzt. Das kann man sich auf der sogenannten "Movie Road" ein Stück hinauf in die Berge auch auf einer kleinen Wanderung anschauen. Und wenn man eh schon mal da ist: Bis zum Death Valley, wo Michelangelo Antonioni "Zabriskie Point" gedreht hat, ist es von Lone Pine aus auch nicht mehr weit. David Steinitz

Der Superpianist Chilly Gonzales

Der kanadische Pianist Chilly Gonzales. (Foto: Sven Thielmann/imago images)

Bevor eine neue Pest, ein Krieg oder eine ganz andere Katastrophe es verhindert, sollte man sich ein Konzert der Sommertour des kanadisch-kölschen Pianisten und Entertainers Chilly Gonzales ansehen. In einer formatierten Branche ist seine Disziplin die Innovation, die Überraschung und Improvisation. Fest steht nur, dass er Piano spielen wird - aber ob er dort die elektronische Musik von Plastikmans Album "Consumed" neu interpretiert, seine minimalistischen Eigenkompositionen aus den Alben "Solo Piano" 1 bis 3 vorträgt oder wieder etwas ganz anders, weiß man erst, wenn man dort ist. Der 1972 in Montréal geborene Kosmopolit ist im Jazz ebenso versiert wie in der ungarischen Klassik und kultiviert ein Faible für das Genre des Weihnachtspektakels. Die Tournee beginnt am 6. Juni in Hamburg und setzt sich durch Europa und Kanada fort, es wird ein Fest! Nils Minkmar

Die beste Podcastfolge

Der Podcast "Reply all" schuf eine der genialsten Folgen: "The Case of the Missing Hit". (Foto: N/A)

Kann es eine beste Podcast-Folge der Welt geben? Es kann. "Reply All" der amerikanischen Produktionsfirma Gimlet hat sie geschaffen. Doch der sehr charmante Podcast über das Internet in all seinen schillernden Facetten steht jetzt vor seinem Ende: Beide Moderatoren werfen hin, nachdem ein Neustart nach Rassismus-Vorwürfen in der Redaktion schon missglückt war. Anlässlich des Endes von "Reply All" aber muss nun eben jene beste Podcast-Folge gewürdigt werden: "The Case of the Missing Hit". Ein Mann wird von einem Ohrwurm geplagt, von Text und Melodie eines Pop-Songs aus seiner Jugend, den niemandr sonst und auch das Internet nicht zu kennen scheinen. In einer umwerfend peniblen und lustigen investigativen Recherche sucht "Reply All" nach dem verlorenen Lied, lässt es aus Gedächtnisfragmenten von einer Band nachspielen, und als man glaubt, das kann es nicht geben, einen Radiohit aus den Neunzigern, der verschwunden ist - kommt es anders. Aurelie von Blazekovic

Die Europatournee der Band "Mastodon"

Endlich wieder Konzerte: Die Band "Mastodon". (Foto: Peter Richter)

Am Ende stand Brann Dailor am Mittwoch vor sehr vielen beglückten Menschen im Leipziger Clara-Zetkin-Park und hielt eine Ansprache. Der Schlagzeuger und Sänger der amerikanischen Gruppe Mastodon war nämlich seinerseits beglückt: "Ich weiß nicht, wie ihr die letzten zwei Jahre verbracht habt, aber ich saß zu Hause", und das sei "Mist" gewesen. "Das hier ist doch viel besser: Wir sind wieder beisammen, wir machen Musik, ihr hört Musik ..." So einfach ist das. Riesenbestätigungsjubel. Dabei ist es so einfach auch wieder nicht: Komplett ausrasten und gleichzeitig andächtig die virtuose Fingerfertigkeit von Musikern bewundern muss man erst mal hinkriegen. Mastodons aktuelle Platte ist hier bereits gelobt worden. Jetzt hat ihre Europatournee begonnen, und live sind sie in ihrer irren Post-Pandemie-Spielfreude fast noch besser. Peter Richter

Die wiedereröffnete Felsenbühne Rathen

Blick über die sanierte Felsenbühne Rathen. (Foto: Steffen Unger/IMAGO)

Die Sächsische Schweiz ist voller Wunder, aber nirgendwo sonst ist es als Kind so schön wie im Wehlgrund. Dort, unterhalb der Bastei, liegt die Felsenbühne Rathen, und sie hat die ganzen konstruierten Superlative gar nicht nötig, mit denen sie gelegentlich beworfen wird. "Einzige Naturbühne in einem Nationalpark in Deutschland", "schönstes Naturtheater Europas" - stimmt alles, ersetzt aber nicht im Geringsten das tatsächliche Gefühl, an einem lauen Sommertag hier unter zahnendem Elbsandstein und sachte wogenden Baumkronen zu sitzen. Auf der Spielfläche: am allerliebsten eine Variation sehr frei nach Karl May, mit galoppierenden Pferden und durchsichtigen Schaukämpfen und knatternden Schüssen aus falschen Pistolen, die dabei lustig rauchen. In der trügerischen Erinnerung hat es hier nie geregnet - und wenn doch einmal, dann war es nur "'ne Husche", ein kurzer Schauer.

Zweieinhalb Jahre lang wurde diese Felsenbühne saniert, bei Kosten von 18,4 Millionen Euro. An diesem Wochenende wird die Anlage mit einer Gala der Landesbühnen und der Elbland Philharmonie Sachsen wiedereröffnet, es folgen in diesem Sommer Leonard Bernsteins "West Side Story", eine Musiktheater-Adaption von Shakespeares "Romeo und Julia", eine Inszenierung von Wilhelm Hauffs "Das kalte Herz". "Der fliegende Holländer" wird zu erleben sein, der "Freischütz", die "Carmina Burana" von Carl Orff. Und wer schon mal da ist, wird sich noch einen Apero mit Aussicht irgendwo in der nahen Natur organisieren oder von Dresden aus gleich mit dem Schiff nach Rathen fahren. Als dem Wahnsinn ohnehin zuneigender Sachse heißt es da natürlich aufpassen, sonst ersäuft man in zu viel Romantik - aber die Felsenbühne war auch diesbezüglich schon immer ein guter, regulierender Ort und wird es wieder sein. Sie ist nie Zentrale für gleich welchen Standesdünkel gewesen oder wie andere Kulturstätten auf ein bestimmtes soziologisch klar zu definierendes Publikum ausgerichtet. Sie ist das, was anderswo ein leeres Versprechen auf Pappschildern bleibt, nämlich ein Ort "für alle", und so mörderisch viele gibt es von denen nun wirklich nicht. Cornelius Pollmer

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