Filmwirtschaft:Sprachlos in Hollywood

Lesezeit: 2 min

Schreiben sich solche Filmstoffe künftig womöglich von selbst? Szene aus "Schlaflos in Seattle" mit Meg Ryan und Bill Pullman. (Foto: Imago United Archives/imago stock&people)

Mehr Geld, mehr Sicherheit und Angst vor künstlicher Intelligenz: Warum die US-amerikanischen Drehbuchautoren streiken und was das für Filmliebhaber bedeutet.

Von Susan Vahabzadeh

Autoren sieht man nicht auf den Bildschirmen und Leinwänden, aber ohne sie geht nichts. Die US-amerikanische Unterhaltungsbranche ist folglich in erheblichen Aufruhr geraten, als am Montagabend die "Writer's Guild of America" ankündigte, die Verhandlungen mit den Studios und Produzenten seien gescheitert, von Dienstagnachmittag an würden die Autoren die Arbeit niederlegen. Niemand weiß, wie lang das dauert: Die jüngsten großen Autorenstreiks legten Hollywood 1988 für 153 Tage, 2007 für 100 Tage lahm, was der New York Times zufolge allein den Großraum Los Angeles mehr als zwei Milliarden Dollar gekostet hat. Die aktuelle Auseinandersetzung kommt am Ende eines Booms, in den vergangenen Jahren haben vor allem die Streaming-Anbieter sich gegenseitig darin überboten, Serien und Filme zu ordern - zuletzt fuhren Netflix, Disney und Amazon die Ausgaben für neue Produktionen aber zurück, Kredite sind teurer geworden und die Konkurrenz größer.

Der letzte Streik führte Doku-Soaps zu ungeahnten Siegeszügen, weil die zumindest offiziell keine Drehbücher haben - also kann man im Fernsehen dann bald noch ein paar Polizisten, Zollfahndern und Rettungsdiensten mehr bei der Arbeit zuschauen.

Die Produktion von Kinofilmen dauert so lange, dass die Auswirkungen eines Autorenstreiks erst Jahre später spürbar werden, bei den Serien dauert es Monate, bis keine Drehbücher mehr da sind. Aber die Gastgeber der Late-Night-Talkshows, Jimmy Kimmel oder Stephen Colbert etwa, die aktuell produzieren, hätten gleich am ersten Tag Gelegenheit, zu demonstrieren, was von ihnen übrig bleibt, wenn kein Dutzend Autoren an ihren Monologen herumgefeilt hat - wahrscheinlich werden sie einfach gar nicht mehr gesendet. Das ist dann allerdings kein Solidaritätsstreik, sondern blanke Not. Viele Crew-Mitglieder haben Verträge, die ihnen einen Solidaritätsstreik erlauben. Die Verbände der amerikanischen Regisseure und der Schauspieler allerdings haben ihre Mitglieder darauf hingewiesen, dass eine Teilnahme am Streik der Autoren einen Vertragsbruch darstellt.

Es ist in der Unterhaltungsbranche fast unmöglich, zu arbeiten, ohne Mitglied einer Gilde zu sein

Der Einfluss der Gewerkschaften in der US-amerikanischen Unterhaltungsbranche ist groß, es ist dort fast unmöglich, überhaupt zu arbeiten, ohne einer Gilde beizutreten. Trotzdem verdienen Autoren weniger - Streamingdienste ordern oft nur acht oder zwölf Episoden einer Serie pro Jahr, beim Fernsehen waren es oft 24. Die Autorengilde kämpft deswegen für höhere Gagen, und sie versucht, ganz kurze Engagements in den Griff zu bekommen.

Der andere wichtige Punkt ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz. Die Autoren verlangen strenge Regeln, die Gewerkschaft soll verhindern, dass ganze Serien-Folgen oder Filme von einem Programm generiert und dann von einem Autor nur noch ein bisschen poliert werden. Was passiert, fragt einer der Gewerkschaftsvertreter in der New York Times, wenn jemand alle Drehbücher von Nora Ephron, die beispielsweise "Harry und Sally" geschrieben hat und "Schlaflos in Seattle", in eine künstliche Intelligenz füttert und sie ihren Stil imitieren lässt und das Publikum mit der recycelten Ephron zufrieden ist? Bis zu den nächsten Tarifverhandlungen 2026 ist das bestimmt schon geschehen. Dieser große Autorenstreik von Hollywood wäre dann der letzte seiner Art.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBrooke Shields
:"Sich selbst zu bemitleiden, ist oft der bequemste Weg"

Die Schauspielerin Brooke Shields erzählt von ihrer Karriere als Kinderstar und Sexsymbol, ihrer alkoholkranken Mutter und dem unbedingten Willen, sich nicht mehr fremdbestimmen zu lassen.

Interview von Silke Wichert

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: