Rhetorik:Dem Humanismus beim Abblättern zusehen

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Trump verkündet das Ende des IS-Chefs al-Bagdadi auf eine Art, die eines Präsidenten unwürdig ist. Damit treibt er die Entmenschlichung des Besiegten voran.

Kommentar von Bernd Graff

Er hat mal wieder in Mikrofone gesprochen, der Mann im Weißen Haus. Man erwartet da ja nicht mehr viel nach fast drei Jahren Präsidentschaft von Donald Trump. Man ist schier abgestumpft von den Sprechblasen dieses Präsidenten - doch dieses Mal war etwas anders.

Trump beschrieb den amerikanischen Einsatz gegen den IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi sehr detailliert, sogar so detailliert, dass sich seine Generäle nun Sorgen machen, dass ihr Oberbefehlshaber zu viel geplaudert haben könnte. Doch Trump war in Fahrt und auskunftsfreudig (und wie immer mäandernd langatmig), passte die Geschichte vom Ende eines Terroristen und Staatsfeindes doch hervorragend in das archaische Auge-um-Auge-Weltbild des amtierenden US-Präsidenten.

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Trump prahlte damit, dass nun auch er, nach Barack Obama, einen gewaltigen Gegner eliminiert habe. Doch anders als Obama stimmte Trump ein Triumphgeheul an, das in fast johlender Überheblichkeit die Grenzen dessen, was Präsidenten sonst im Moment der Überwindung eines Feindes von sich geben, ins Vulgäre verschoben hat. Die Umstände des Todes al-Bagdadis, der sich und Familienangehörige in die Luft gesprengt hat, sind gewiss nichts für den Kaffeeklatsch bei feinen Leuten. Doch die will Trump ja auch nicht bewirten.

Er untermalte seinen Bericht zum brutalen Kriegsgeschehen darum mit der kruden Metaphorik aus scheinbar vorzivilisatorischen Zeiten. Als "Hund" und "Feigling" wurde al-Bagdadi von ihm geschmäht, das Wort "wimmern" zur Bestimmung seiner letzten Momente fiel gleich sechs Mal. "Verrückt vor Angst" sei der IS-Anführer gewesen, "krank und verdorben" sowieso, dessen Anhänger bezeichnete Trump als "Verlierer" und "verängstigte Welpen". Damit nicht genug. Trump wollte auch seine persönliche Leistung durch sich selbst gerühmt wissen und sagte, dass der Tod des IS-Führers "größer" war als der Schlag gegen Al-Qaida-Chef Osama bin Laden, der in die Zeit der Präsidentschaft Obamas fiel. Bin Laden sei vielleicht "groß" gewesen, aber der habe ja nur ein World Trade Center auf dem Gewissen, al-Bagdadi indes habe ein schändliches Reich, das sogenannte Kalifat des Islamischen Staats, errichtet.

Die Menschheit hat sich nicht weiterentwickelt

All das ist geschmacklos, eines Präsidenten unwürdig, eines amerikanischen zumal. Wenn man Zivilisation und Kultur für einen hauchdünnen Firnis über einer kaum gebändigten, rohen Natur hält, kann man in Trumps archaischer Schmährhetorik allem Geist, Idealismus und Humanismus beim Abblättern zusehen. Die Menschheit hat sich nicht weiterentwickelt, heißt das, die Dehumanisierung, die Entmenschlichung des Besiegten, die der amerikanische Präsident für seine Klientel verbal betreibt, macht dies erschütternd deutlich.

Man kann nun über Trump und seinen bizarren Auftritt den Kopf schütteln. Doch eigentlich muss man sich eingestehen, dass Barack Obamas zurückhaltender Stil, seine unvergleichliche Eleganz und rhetorische Überlegenheit nach der Tötung des Al-Qaida-Chefs bin Laden auch nur eine sublime Kompensation war, das gut gesetzte Wort zur blutrünstigen Tat. Es ist leicht, den polternden Trump zu verachten und mit ihm die schmutzige Wirklichkeit des Syrienkrieges zu verwerfen. Doch was diesen Krieg und seine Gräuel angeht, sind auch wir längst nicht mehr bei feinen Leuten.

© SZ vom 29.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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