Was, wenn es niemals Sklaverei gegeben hätte, keinen Kolonialismus auf dem afrikanischen Kontinent, keine Unterdrückung durch Weiße? Chadwick Boseman sah in "Black Panther" so aus, wie man sich den Herrscher eines afrikanischen Landes in solch einer Welt vorstellen würde. Der Königssohn T'Challa, den er da spielte, regiert das versteckte Königreich Wakanda, einen hochtechnisierten Kleinstaat, der von all den Übeln verschont geblieben ist, die Afrika im Lauf der Jahrhunderte heimgesucht haben und schwarze Menschen in der ganzen Welt gleich mit.
Chadwick Boseman sah nobel aus in dieser Rolle, wie ein ruhiger, ernster König. Einer, der sich seiner Stärke und Macht so bewusst ist, dass er sie nie laut hervorkehren muss. Aber es lag auch immer eine Melancholie, eine stille Sorge auf seiner Stirn. Er wusste ja, dass es Menschen mit afrikanischen Wurzeln überall sonst in der Welt bei Weitem nicht so gut ging wie seinem kleinen glücklichen Volk.
"Black Panther" war ein popkulturelles Großereignis, von dem es in Hollywood lange hieß, es sei unmöglich, weil unverkäuflich. Der erste Blockbuster mit afrikanischer Hauptfigur, fast komplett schwarzer Besetzung und mit Ryan Coogler von einem schwarzen Regisseur gedreht. Der Film kam in einer Zeit in die Kinos, als in den USA gerade wieder Tausende auf die Straßen gingen, um gegen Polizeigewalt und Rassismus zu protestieren.
Dass der überraschende Tod von Chadwick Boseman in den Vereinigten Staaten eine solche Bestürzung auslöst - Oprah Winfrey, Joe Biden, Kamala Harris schrieben in den sozialen Medien über ihre Trauer - liegt also nicht nur an den nur 43 Jahren, mit denen er gestorben ist. Es liegt auch daran, dass er durch seine ikonischen Rollen - James Brown ("Get On Up", 2014), Jackie Robinson, Thurgood Marshall - selbst schon eine Ikone des schwarzen Amerika war, als er die Rolle des fiktiven schwarzen Königs schlechthin - die des "Black Panther" - so perfekt verkörpert hat.
Seine erste große Filmrolle spielte Boseman 2013 im Sportdrama "42". Da verkörperte er Jackie Robinson, den ersten schwarzen Baseballspieler, der in der US-Profiliga spielte. Sein Regisseur Brian Helgeland sagte damals über seinen Hauptdarsteller, dass das Besondere an ihm "seine Haltung" sei, "seine Ruhe". Man habe einfach das Gefühl mit einer starken Person zusammen zu sein. In einer Szene des Films legt Robinsons Spielerkollege Pee Wee Reese den Arm um ihn, als Ausdruck seiner Solidarität. Boseman habe die Bedeutung dieser Umarmung in seinem Spiel aber umgekehrt. "Er spielte es, als wolle er sagen: 'Mir geht's gut. Ich bin ein harter Knochen, aber leg ruhig deinen Arm um mich, wenn du dich dadurch besser fühlst.'"
Würdevoll, kühler Kopf, freundlich und gebaut auf ein wenig glamouröses Fundament
Dass Boseman auch im echten Leben ein ziemlich harter Knochen gewesen sein muss, dafür spricht, dass er von seiner fortgeschrittenen Darmkrebserkrankung bereits 2016 erfahren hat. Danach drehte er nicht nur "Black Panther", sondern spielte auch zwischen Operationen und Chemotherapie die Hauptrolle im Biopic "Marshall" über Thurgood Marshall, den ersten schwarzen Richter am höchsten Gericht der USA. Er drehte Spike Lees Vietnamkriegsveteranenfilm "Da 5 Bloods", sowie "Ma Rainey's Black Bottom" nach einem Stück von August Wilson.
Wie ernst es ihm mit der Kunst war, zeigt auch ein Blick zurück auf seine Anfänge. Boseman ist in South Carolina aufgewachsen, als Sohn einer Krankenschwester und des Mitarbeiters einer Agrarfirma, der sich als Polsterer etwas dazuverdiente. Das ist eine Umgebung, in der einer jungen Person of Color wohl viel vorgezeichnet ist, aber eher keine Laufbahn als Hollywood-Schauspieler. Ohne die Entschlossenheit seines Bruders Kevin, der unbedingt Tänzer werden wollte und das auch schaffte, wäre er selbst wohl nicht auf die Idee gekommen, Künstler zu werden, sagte Boseman einmal.
An der High School war er ein guter Basketballer. Aber als ein Mannschaftskamerad erschossen wurde, begann er zu schreiben - einen Text, der nach und nach zu einem Theaterstück wurde. Nach der Schule studierte Boseman Regie an der Howard University in Washington, D.C., wo Phylicia Rashād (Clair Huxtable aus der "Cosby Show" ) zu seiner Mentorin wurde. Sie vermittelte ihm einen Schauspiel-Studienaufenthalt in Oxford - ein Abenteuer, von dem Boseman erst später erfuhr, dass Denzel Washington es ihm finanziert hatte.
Die New York Times bezeichnete Chadwick Boseman 2019 in einem Porträt als Typen aus dem selben Holz wie Barack Obama - würdevoll, kühler Kopf, freundlich und gebaut auf ein wenig glamouröses Fundament. Es stehe außer Zweifel, dass er Obama irgendwann in einem Film spielen werde. Das wird, nach seinem viel zu frühen Tod, nun leider nicht mehr passieren.