Chadwick Boseman als James Brown:Wie eine Sexmaschine

Chadwick Boseman als James Brown: "Aus diesem Typen wird mal was werden", prophezeite schon vor Jahren Quentin Tarantino dem James Brown-Darsteller Chadwick Boseman

"Aus diesem Typen wird mal was werden", prophezeite schon vor Jahren Quentin Tarantino dem James Brown-Darsteller Chadwick Boseman

Vor den Tanzaufnahmen hatte er Angst, dabei hatte ihm doch Quentin Tarantino Ruhm prophezeit. Ein Treffen mit Chadwick Boseman, der im Musikfilm "Get on Up" den legendären Soul-Exzentriker James Brown spielt.

Von Annett Scheffel, Berlin

Mit dem Kopf durch die Wand - aber immer bestens frisiert. So zeigt Regisseur Tate Taylor in seinem Biopic "Get on Up" den legendären James Brown. Ein Selfmademan, ein Getriebener, ein zu allem Entschlossener. Nur in zwei Szenen muss sein Brown-Darsteller Chadwick Boseman Momente des Zweifels spielen - für jeweils einen Augenblick nur, in dem eine Entscheidung längst gefallen ist, sich aber noch so frisch anfühlt, dass man denkt, er könne sie vielleicht doch revidieren.

Zweifelsekunde Nummer eins findet statt, als er seinen Manager Ben Bart (Dan Aykroyd, der noch mit dem echten James Brown 1980 in "Blues Brothers" spielte) überreden will, auf eigene Rechnung ein Konzert im New Yorker Apollo mitzuschneiden und zu veröffentlichen. 1963 war das ein unerhörtes Wagnis für einen schwarzen Musiker. In Zweifelsekunde Nummer zwei hat er gerade in einem Tobsuchtanfall seine Frau DeeDee (Jill Scott) verprügelt.

Beide Male blinzelt Bosemans James Brown, ganz kurz, fast unbemerkt, bevor sich sein Gesicht wieder zu gnadenloser Sturheit verhärtet und er den Unterkiefer unnachgiebig nach vorne schiebt. Niemand hat behauptet, der "Godfather of Soul" könne nicht gleichzeitig auch ein selbstgefälliger Mistkerl sein. Die Platte "Live at the Apollo" klettert auf Platz zwei der US-Charts. Und Frauen, das weiß die "Sex Machine", gibt es für ihn ab jetzt genug.

Für eine James-Brown-Filmbiografie stellt sich natürlich dieselbe Frage wie bei ähnlichen Vorgängerprojekten. "Ray" etwa, über Ray Charles, oder "Walk the Line" über Johnny Cash: Wie zum Teufel spielt man einen begnadeten, verrückten, unersättlichen Showmaster?

Vor allem, erklärt Chadwick Boseman beim Treffen in Berlin, durch harte Arbeit und unerbittliches Training: "Am Anfang hatte ich wirklich Angst - und zwar hauptsächlich vor dem Tanzen. Brown war ein phantastischer Performer. Aber nach den Probeaufnahmen, nachdem ich gesehen hatte, wie sich die Rolle anfühlt, mit Perücke auf dem Kopf und einem Tanztrainer an der Hand - da wusste ich, dass das kein Ding der Unmöglichkeit sein würde."

"I've got soul and I'm super bad!" Boseman spielt James Brown als gnadenlos-genialen Zampano

Der 37-jährige Boseman ist ein vergleichsweise neues Gesicht in Hollywood, aber längst professionell genug, um selbstbewusste Antworten zu geben. In den letzten zehn Jahren hatte er kleinere Gastauftritte in TV-Serien: "Emergency Room", "Law & Order", "CSI: NY". In New York war er auch am Theater zu sehen, schrieb eigene Stücke. Und im vergangenen Jahr tastete er sich das erste Mal in die schauspielerischen Grenzbereiche einer Legenden-Rolle vor: Neben Harrison Ford spielte er in "42" Jackie Robinson, den ersten schwarzen Baseballspieler in der amerikanischen Profiliga.

James Brown bleibt haften

Den sicheren Ruhm hat Boseman einst von Quentin Tarantino persönlich prophezeit bekommen. Als er für eine Nebenrolle in dessen "Django Unchained" vorsprach, bekam er zwar nicht den Job - aber Tarantino flüsterte seiner Casting-Chefin ins Ohr: "Aus diesem Typen wird mal 'was werden!"

Boseman ist gut gelaunt bei seinem Berlin-Besuch, aber müde: Versehentlich bestellt er bei zwei Kellnern einen Kaffee und lacht laut über die beiden Tassen, die kurz darauf fein säuberlich nebeneinander vor ihm auf den Tisch gestellt werden. Als eine Art Schutzmantel vor den vielen Journalisten, die hier im schicken Sterne-Hotel so viele Fragen haben, hat er eine lässige, schwarze Lederjacke übers weiße Hemd gezogen.

Vielleicht kann man eine Rolle wie James Brown, diesen einnehmenden Bühnenmann und ultimativen Ur-Hipster, aber auch einfach nicht so schnell wieder abstreifen. "I've got soul and I'm super bad", sang Brown. Irgendwas von diesem wunderbar überschäumenden Säbelrasseln ist bei Chadwick Boseman hängen geblieben. Er habe es während der Dreharbeiten vermieden, mit seinem Manager zu telefonieren, erzählt er: " Du kannst dir nie sicher sein, dass der James Brown in dir nicht plötzlich grundlos jemanden feuert."

Aber trotz sanfter Brown-Charakter-Abfärbungen wurde er die Ehrfurcht vor diesem großen Zampano nie ganz los. Deshalb spricht Boseman, der mit seiner ungeheuren Präsenz den Film quasi alleine schultert, obwohl sein Regisseur, die beiden Drehbuchautoren und Koproduzent Mick Jagger auch ein bisschen was beitragen durften, am liebsten nicht über sich, sondern über James Brown: "Unsere Köpfe sind ja vor allem mit Schlagzeilen gefüllt, wenn wir an James Brown denken: der große Musikpionier, der stolze schwarze Mann, am Ende der verrückte Drogensüchtige. Aber nichts an diesem Leben war wirklich geradlinig oder simpel. James Brown hat nicht drei oder vier, sondern tausend verschiedene Leben gelebt."

In diesem Sinne will der Film auch nicht die eine Wahrheit über James Brown vorführen, sondern all die vielen Wahrheiten. Nicht chronologisch wird Browns Lebensweg nacherzählt, sondern - fast so polyrhythmisch wie seine Musik - zwischen diversen Zeitebenen hin und her. Eine dieser Wahrheiten ist, dass Browns Geschichte die eines exzentrischen Egomanen ist, eines wahnsinnigen Cholerikers, der gleich zu Beginn des Film vollkommen high im grünen Jogginganzug mit einer Schrotflinte um sich ballert.

Eine andere Wahrheit wiederum ist, dass im Amerika der Sechziger sein unbedingter Wille zur Selbstbestimmung eine große Befreiungsgeste war. Eine, die zum Begleiter der Bürgerrechtsbewegung wurde: Sein Song "Say It Loud - I'm Black and I'm Proud" wurde zum Credo vieler Afroamerikaner. Er war der rechte Mann zur rechten Zeit, das große Vorbild, das aus eigener Kraft der Armut und Diskriminierung seiner Südstaaten-Kindheit entkommen war. Chadwick Boseman, wie Brown in South Carolina geboren, spielt ihn deshalb als unerschrockenen Kämpfer, abgebrüht durch die harte Schule der Kindheit. "Er war aber nie ein klassisches Opfer", sagt Boseman. "Er hat selbst bestimmt, wer er sein will, wo er hingehört. Darum ist seine Geschichte für mich vor allem die eines Triumphs. Auch wenn Amerika damals wohl noch gar nicht bereit war für einen wie ihn."

Boseman als Brown wird auf der Bühne zu einem atemberaubenden Mischwesen aus Boxer, Straßentänzer und Prediger. Hier vollzieht sich der Evolutionssprung von der schwarzen Musik Amerikas zum weißen Mainstream noch einmal. Am Ende sagt er schweißtriefend zu Mick Jagger am Bühnenrand: "Willkommen in Amerika!" In diesem Moment, das wusste Jagger damals und das weiß der Zuschauer spätestens jetzt, war nichts mehr wie zuvor.

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