25 Jahre nach dem Ende des Zweiten Golfkriegs (1990/91) erinnern die apokalyptischen Bilder des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado an eine Umweltkatastrophe, die durch die Bombardierung der Ölquellen im damals vom Irak besetzten Kuwait heraufbeschoren wurde.
Der Band "Kuwait. Wüste in Flammen" zeigt 100 Fotos - einige von ihnen sind 1991 im New York Times Magazine erschienen. Herausgegeben hat die dreisprachige Ausgabe (deutsch, englisch, französisch) Salgados Frau Lélia Warnick Salgado ( Taschen Verlag, Köln 2017. 208 Seiten, 49,99 Euro).
Aus über 600 Quellen sprudelte in dicken Fontänen Rohöl aus dem glutheißen Boden und verursachte ein ohrenbetäubendes Brüllen. Die Wüste war mit Landminen versetzt, sodass sich die Löscharbeiten als äußerst riskant erwiesen.
Bildband:Versilberte Schattengestalten des Infernos
Düstere Mahnmale einer menschengemachten Heimsuchung: Die Bilder des Fotografen Sebastião Salgado von der Ölkatastrophe nach dem Kuwait-Krieg von 1990/91 wirken nach wie vor aktuell.
Schwarze Rußwolken waberten über dem Inferno. Sie trugen den Dreck bis Kaschmir und Ostafrika. Mitte 1991 waren nach damaligen Schätzungen 40 Millionen Tonnen Öl verbrannt und hatten dabei 250 000 Tonnen Stickoxide und 30 Millionen Kohlendioxid in die Atmosphäre geschleudert.
Wie Phantome, versilberte Schattengestalten, erscheinen die mit einem schimmernd schwarzen, zähflüssigen Film überzogenen Männer auf den monochromen Bildern. Archaische Helden, die bis zur völligen Erschöpfung an den Sicherheitsventilen hantieren, um dann mitten im öligen Schlamm niederzusinken, um ihren Muskeln etwas Erleichterung zu verschaffen.
Die Augen weit aufgerissen, angesichts der unfassbaren Szenerie
Salgado macht in ihren Gesten und Blicken die unfassbare Katastrophe sichtbar - in Bildern starker Ästhetik, die nichts Abstoßendes an sich haben, sondern den Blick des Betrachters regelrecht aufsaugen.
Salgado war damals, Mitte April 1991, in Venezuela, um die riesige Ölindustrie des südamerikanischen Landes zu fotografieren, als er von der Katastrophe erfuhr. Er reiste zur saudischen Grenze, mietete einen Geländewagen und fuhr kurzerhand über die Grenze nach Kuwait, immer in Richtung der dichtesten schwarzen Wolken.
Er fand fünfzehn Teams von je etwa zehn Männern vor, die unter schwierigsten Bedingungen versuchten, die verheerenden Brände zu löschen. Sie leiteten Meerwasser über die Pipelines in die Wüste. Das Ziel der Männer war es, ein Gemisch aus Wasser und einem tonartigen Pulver so lange in die Leitungen zu pumpen, bis der Ölfluss durch ihr Gewicht stoppte.
Im November 1991 verschlossen sie das letzte Bohrloch. Etwa eine Milliarde Barrel Rohöl waren bis dahin verloren. Ein Fotograf der Financial Times geriet mit seiner Limousine in eine brennende Öllache und starb.
Bildband "Genesis" von Sebastião Salgado:Schönheit und Bombast
Wenn er etwas anpackt, wird meist eine Riesen-Aktion daraus. Sebastião Salgados fotografisches Langzeitprojekt "Genesis" über die unberührten Winkel unserer Welt ist monumental geraten - mit Bildern von bestechender Schönheit. Genau das ist aber auch das Problem.
Um in die Nähe der Arbeiter gelangen zu können, rüstete sich Salgado mit festen Stiefeln und Schutzanzügen gegen chemische Waffen aus, die die irakischen Truppen in der Wüste zurückgelassen hatten.
Ein Kollege überließ ihm zum Abschied eine Musikkassette, die immer wieder nur das eine Lied abspielte: "I just called to say I love you" von Stevie Wonder. Bis heute genügten wenige Takte des Songs, berichtet Salgado in dem Band, um ihn, wie ein Code, in die Wüste Kuwaits zurückzuversetzen.
Immer wieder zeigt Salgado die schwarzverschmierten Gesichter dieser heroischen Gestalten, die Augen weit aufgerissen, angesichts der unfassbaren Szenerie. Dazu öldurchtränkte, flugunfähige Vögel und versprengte, magere, einstmals kostbare Araberhengste, auch sie wie apokalyptische Boten, ölverschmiert, die in einem Waldstück nach Gras suchen.
Über zwanzig Jahre lang lagen die Aufnahmen, darunter viele noch unveröffentlicht, in Salgados Bildarchiv. Doch die Präsenz der Bilder faszinierte den ehemaligen Kriegsfotografen, als er das Portfolio nach so langer Zeit erneut sichtete. Noch immer schienen sie aktuell. Zeitlos, wie düstere Mahnmale, die eine menschengemachte Katastrophe immensen Ausmaßes zeigen, die jederzeit wiederkehren kann.