"Der Chiemsee und ein Lob der Demokratie" und "Eine ganz große Koalition für die Demokratie", beides vom 11. August:
Ausgerechnet Bayern
Zwischen dem breitbeinigen Söder bleibt auf der Schiffsbank bei der Überfahrt zum 75. Jahrestag des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee ebenso wenig Platz wie in der ersten Reihe beim Festakt im Neuen Schloss Herrenchiemsee für die hohen Repräsentanten der Demokratie, den Bundespräsidenten und seine Frau - die, sollte man meinen, im Mittelpunkt dieses Festakts stehen. Dabei gibt es zu einer breitbeinigen Inbesitznahme bei diesem Festakt für Söder und Bayern keinen Anlass, lehnte Bayern das Grundgesetz doch 1949 als einziges Bundesland bei der Abstimmung ab! Zwischen dem Bundespräsidenten und dem breitbeinigen Söder kommt sich die Frau des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, beim Festakt symbolisch wie die in die Zange genommene Demokratie vor, die doch zu schützen Anlass sein sollte.
Jan-Christian Stegmann, Bad Essen
Da wünscht man sich Gauck zurück
Wenn die Printmedien einigermaßen wiedergegeben haben, was das Staatsoberhaupt aus Anlass des Festaktes zum 75 Jahrestag des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee zu sagen hatte, kann man als aufmerksamer und halbwegs kritischer Bürger Reaktionen der Enttäuschung, Ernüchterung und der Desillusion nicht leugnen: Eine "Brandrede" war das nicht. Das Niveau ging wohl nicht über das eines Sozialkundelehrers hinaus. Eine Aneinanderreihung von bekannten Allgemeinplätzen und der Hinweis, dass die Demokratie gefährdet sei und dass die Gesellschaft und jeder Bürger Verantwortung für deren Sicherung trügen, ist für den "ersten Mann im Staate" entschieden zu wenig. Ja, in den Zeiten der großen Koalition wurden ja auch manche Weichen, welche zur Spaltung der Gesellschaft und zum Erstarken der bekannten Rechtspartei beigetragen haben, gemeinsam mit der Kanzlerin-Partei falsch gestellt.
Keine Ansätze einer wirklichen Analyse und Beschreibung der politischen Realität, keine Benennung der die Politik der letzten Wahlperioden als alternativlos darstellenden Akteure, keine Hoffnung und Zuversicht vermittelnden, strategischen und visionären Gedankengänge, keine Zielorientierung - wie sie die Bundesrepublik in dieser Zeit nötiger denn je hätte. Und wie sie an seiner Stelle mit Sicherheit der Altpräsident Joachim Gauck in überzeugender Weise zu formulieren in der Lage gewesen wäre. Er, ein zu seiner Zeit wie auch jetzt wahrer, authentischer Repräsentant, ausgestattet mit dem nötigen "Ethos, Pathos und Logos", fehlt in dieser "Wendezeit" und in diesem Amt. Die wenigsten von uns wussten in seiner Amtszeit, was wir an ihm hatten. Er hätte an diesem historisch-denkwürdigen Tag die Chance genutzt, um den Verstand seiner Bürger anzusprechen und zugleich deren Herzen zu berühren.
Dr. Michael J. Kindl, München
Blutleere Appelle
Es reicht nicht, sich mit Appellen an Politik und Wahlvolk zum Wächter und Übervater der Demokratie aufzuspielen, wenn eben genau dieser Bundespräsident durch sein eigenes Verhalten - zum Beispiel seiner Eigenbewerbung für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident - für das steht, was die etablierten Politiker nach dem Wahlabend und dem obligatorischen Schwur schnell vergessen: nämlich im Sinne und zum Nutzen des deutschen Volkes zu handeln. Selbstinszenierung, Selbstgefälligkeit und wie bei Kanzler Scholz Erinnerungslücken bezüglich der eigenen politischen Vergangenheit samt diffuser Entscheidungen bei Hafenbeteiligungsgeschäften und Warburg-Bank-Zusagen. Dennoch besteht bei den Akteuren die Erwartung, dass wir als Bürger schon darauf vertrauen, dass diese das Ganze "schon im Griff haben". Eine Wunschvorstellung, denn so funktioniert diese Politik - Vertrauensverlust inklusive - nur noch in der Vorstellung dieser Leute, und die AfD hat diesen Zwiespalt längst erkannt und treibt ihren Pflock derweil munter weiter in unser freiheitlich-demokratisches Grundverständnis. Steinmeier, Scholz und Co. fällt dazu nichts ein, als sich in schönster Umgebung selbst zu inszenieren und schwülstige Reden unter ihresgleichen zu halten. Danke, Herr Steinmeier, von Ihnen brauche ich solche Aufforderungen nicht.
Oliver Schulze, Detmold
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