Habenschadens Wechsel zur Bahn:Bauen, bauen - auch an der eigenen Karriere

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Katrin Habenschaden (Grüne), zuletzt zweite Bürgermeisterin in München, künftig im Bahn-Management. (Foto: Florian Peljak)

SZ-Leser sehen den Amtsverzicht von Münchens zweiter Bürgermeisterin kritisch und sehen ihren Kurs nicht unbedingt Grünen-konform.

"Katrin Habenschaden legt Amt nieder" vom 12. Oktober, "Dominik Krause soll Zweiter Bürgermeister werden" und "Im Profil: Katrin Habenschaden" vom 13. Oktober:

Grüne Widersprüche

Ihre Lobpreisung auf Frau Habenschaden in allen Ehren, aber sollte man nicht auch erwähnen, dass Frau Habenschaden zu den Treibern des Bauen-Bauen-Bauen-Mantras in München gehört, entgegen grünen Bekenntnissen und vor allem entgegen den klimatischen und landesplanerischen Notwendigkeiten? Die zum Beispiel von Frau Habenschaden massiv vertretene städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) "Verbauung von München-Nordost" mit 40 000 neuen Bürgern vernichtet nicht nur wertvollen landwirtschaftlichen Boden und landwirtschaftliche Existenzen, die ihr ziemlich egal waren, wie ich selbst bei einer Großveranstaltung miterlebte, sondern auch die nötigen Frischluftschneisen und Freiräume.

Alles egal gewesen, Hauptsache, wir bauen - und ignorieren, was kein Politiker sagen will, aber jeder Fachmann weiß: Dass der Kampf gegen die Wohnungsnot aufgrund des starken Zuzugs und der anhaltend massiven Firmenbewerbung in München nie gewonnen werden kann. Das Ergebnis wird halt sein, dass am Schluss alles zugebaut ist und die Hitzeschäden und -toten weiter zunehmen werden. Das mochte Frau Habenschaden im Gegensatz zu ihrem kürzlich in den Landtag wiedergewählten Münchner Parteikollegen Christian Hierneis einfach nicht einsehen.

Sie schreiben: Raus aus der Politik, andere Luft atmen? Ja, mag schon sein, aber dieser Entschluss ist sicherlich auch mental verstärkt worden nach der Änderung des Wahlaltergesetzes: Keine Zukunft als Oberbürgermeisterin von München. Da mag man dann schon gern als grünes Aushängeschild zur Bahn wechseln und womöglich noch viel mehr verdienen. Ob da der Rücktritt wirklich nicht leicht fiel? Ich bezweifle das sehr.

Prof. Dr. Holger Magel, München

Kritikwürdiger Abgang

Eine von der Stadtbürgerschaft gewählte hohe Politikerin kommt inmitten ihrer laufenden Amtszeit plötzlich auf die Idee, in der Öffentlichkeit und von der Bürgerschaft genervt zu sein und - holla! - übernimmt just in diesem Augenblick eine noch höhere, noch höher bezahlte Sinecura-Stellung bei der... Deutschen Bahn! Ein ungeheurer Vorgang! Der aber von der ansonsten so kommunalpolitisch-kritischen SZ milde, ja zustimmend beurteilt wird. Warum?

Berenike Christadoula, München

Posten vor Politik

Die bisherige Münchner zweite Bürgermeisterin will ihren Job wegen der "hohen Belastung" aufgeben. Da bietet sich doch eine Arbeit bei der Deutschen Bahn geradezu an, zumal sie dort noch einmal ein paar Tausend Euro mehr verdient. Wie lautet doch sinngemäß ein Spruch über die Grünen? Früher sagten wir: Nie wieder Krieg. Heute sagen wir: Nie wieder krieg ich einen besseren Posten.

Rolf Schikorr, Berlin

Eine von uns im Bahn-Vorstand

Bisher dachte und schrieb ich bei Katrin Habenschaden immer von unserer zukünftigen Münchner Oberbürgermeisterin, also ab 2026 oder vielleicht auch erst ab 2032; aber zumindest die erste Münchner Oberbürgermeisterin. In Ihrem Artikel lese ich im zweiten Absatz: "(...) Katrin Habenschaden, die das Amt zuvor niedergelegt hatte, weil sie einen Job in der freien Wirtschaft annimmt, bei der Deutschen Bahn." Und an dieser Stelle stolperte ich gedanklich über den Begriff der "freien Wirtschaft", weil das halt für solch ein (schein-)privatisiertes Staatsunternehmen wie die Deutsche Bahn AG nicht zutrifft.

Es handelt sich viel mehr um ein öffentliches Unternehmen, für das wir Steuerzahlerinnen und -zahler über den Zeitraum der vergangenen Jahrzehnte schon mehrfach einbezahlt haben, ohne dass sich hier der Unternehmensaspekt der Gemeinwohl-Orientierung wesentlich weiterentwickelt hätte. Das liegt freilich auch daran, dass es bisher auch nicht als Unternehmens-Ziel formuliert wurde; vielleicht kümmert sich jetzt Katrin Habenschaden darum.

Jedenfalls haben wir Münchnerinnen und Münchner jetzt "eine von uns" im Bahnvorstand in Berlin sitzen. Katrin Habenschaden kennt als Allacherin die Münchner S-Bahn im Außenbereich zur leidvollen Genüge, vom Büro der grünen Stadtratsfraktion im Münchner Rathaus konnte sie lange genug auf die Milliarden-Tiefstbaustelle am Marienhof schauen, und wenn bei uns im Münchner Nordosten - irgendwann nach 2038 - mit dem viergleisigen Ausbau der S 8-Trasse begonnen wird, gibt es vielleicht auch eine ehrliche Kommunikation zwischen allen beteiligten Ebenen. Das wäre auch wesentlich nachhaltiger.

Herbert Gerhard Schön, München

Wachstum statt Klimaschutz

Zum Abschied von Bürgermeisterin Katrin Habenschaden wäre festzuhalten, dass sie zwar von sich selbst sagt, "einen Beitrag zu leisten für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz", sich in ihrer Amtszeit aber vehement für die Errichtung von zwei Wolkenkratzern an der Paketposthalle einsetzte, die nun ihrerseits weder nachhaltig noch klimaschützend sind (zum Beispiel laut Prof. Thomas Auer, TU München). Wer Näheres über das Wesen der Politik unserer Stadtregierung erfahren möchte, lese Dr. Wolfgang Zängls Texte "Moloch München".

Wolfgang Mengel, München

Da bleibt ein Gschmäckle

Ist ja alles richtig, was Sie über die allzeit freundliche, pragmatische, zugewandte, bald ehemalige zweite Bürgermeisterin schreiben, trotzdem haftet ein "Gschmäckle" dran. Und das liegt an Frau Habenschadens neuem Arbeitgeber und den Zeitabläufen: Was ist nicht auch die SZ damals über Gerhard Schröder und Ronald Pofalla hergefallen, als die sich erdreisteten, ohne "ausreichende" Karenzzeit bei Nord-Stream beziehungsweise der Deutschen Bahn anzuheuern. Letztere ein Chaos-Verein, ähnlich der Münchner Stadtverwaltung, aber seine Angestellten deutlich höher entlohnend - und es gibt halt mögliche Interessenskonflikte nicht nur beim Bau der Zweiten Stammstrecke, denn Frau Habenschaden wird sicher nicht erst vorgestern Verhandlungen mit der DB geführt haben. Wie gesagt: Da bleibt einfach a Gschmäckle haften.

Andreas Hautmann, München

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