Nach Rücktritt von Katrin Habenschaden:Dominik Krause soll neuer Zweiter Bürgermeister werden

Lesezeit: 3 min

Dominik Krause wurde von der Vollversammlung zum Zweiten Bürgermeister gewählt. (Foto: Catherina Hess)

Die Grünen nominieren ihren bisherigen Fraktionsvorsitzenden als Nachfolger von Katrin Habenschaden. Deren überraschender Rücktritt und ihr neuer Job in Berlin sorgen für Aufsehen im Rathaus.

Von Heiner Effern, Sebastian Krass und Joachim Mölter

Dominik Krause soll neuer Zweiter Bürgermeister von München werden. Die Fraktion von Grünen und Rosa Liste hat sich in einer Sondersitzung am Donnerstag darauf verständigt, dem Stadtrat ihren bisherigen Fraktionsvorsitzenden als Nachfolger von Katrin Habenschaden vorzuschlagen. Die grüne Bürgermeisterin hatte am Mittwochnachmittag überraschend ihren Rücktritt angekündigt, sie wechselt zur Deutschen Bahn. Damit folgt sie dem Beispiel weit prominenterer Politiker wie dem früheren Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) oder dem Ex-Verkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD). Eine ähnliche Fallhöhe oder Symbolkraft dürfte dem Wechsel einer Münchner Bürgermeisterin nicht zukommen, doch Aufmerksamkeit erweckte der nahtlose Übergang schon.

Habenschaden hatte ihren Wechsel in die Wirtschaft mit der hohen Belastung durch ihre öffentliche Rolle begründet. Diese habe "Spuren hinterlassen". Sie habe sich nicht mehr in der Lage gesehen, das Amt mit vollem Einsatz auszuüben, erklärte sie am Mittwochnachmittag in einer Mitteilung. Alles andere komme für sie jedoch nicht in Frage. In ersten Reaktion auf der Plattform X, früher Twitter, hatten auch die Kolleginnen von der SPD besorgt bis bestürzt reagiert. "Wir sind alle geschockt. Und persönlich tut mir jede Konfliktsituation, die zu weit ging, leid. Politik geht viel zu oft über Grenzen", schrieb etwa SPD-Fraktionschefin Anne Hübner.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Offene Kritik am fast nahtlosen Übergang in den neuen Job als Leiterin des Bereichs Umwelt und Nachhaltigkeit kam aus der Stadtpolitik nicht. Auf kommunaler Ebene gibt es keine Karenzzeit für Politiker, die in die Wirtschaft wechseln. Auch lief die Anstellung offenbar nicht über politische Kanäle. Habenschaden verweist darauf, dass sie ein normales Bewerbungsverfahren durchlaufen habe. Ihre Position ist nicht auf Vorstandsebene angesiedelt, sie berichtet aber dem Konzern-Chef Richard Lutz.

Nichts von ihren Problemen mit dem Dauerdruck mitbekommen

Habenschadens Probleme mit dem Dauerdruck einer öffentlichen Rolle scheinen ihre Parteikollegen nicht mitbekommen zu haben. Möglicherweise waren enge Vertraute über ihren Entschluss und den Jobwechsel informiert, die meisten hat es nach eigener Aussage kalt erwischt. Ein Teil der Fraktion weilt auf einer Bildungsreise des Stadtrats in Schweden, sie wurden digital an der Wahl Krauses zum Nachfolger beteiligt.

Der plötzliche Rückzug Habenschadens aus der Politik brachte vor allem ihre Fraktion unter Zugzwang, die jedoch sofort und geschlossen reagierte. Der 33 Jahre alte Krause wurde keine 24 Stunden später mit einer Gegenstimme gekürt. Das gab die mit 24 Mitgliedern größte Fraktion im Stadtrat in einer Mitteilung bekannt. Anschließend habe man die Koalitionspartner, Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und den SPD-/Volt-Fraktionsvorstand, informiert. An dessen Spitze steht Christian Müller. Er erklärte: "Wir werden die Wahl von Dominik Krause mitgehen."

Gemeinsam mit Mona Fuchs ist Krause seit 2022 Fraktionsvorsitzender

Damit dürfte der Wahl zum Zweiten Bürgermeister nichts entgegenstehen. Krause ist gebürtiger Münchner und aufgewachsen in Moosach/Untermenzing, inzwischen wohnt er in Giesing. Er hat ein Physikstudium an der TU München abgeschlossen. Seine politische Karriere begann bei der Grünen Jugend, deren Sprecher er war, bis er in den Stadtrat kam. Dort wurde er 2016 Stellvertreter im Fraktionsvorstand und rückte 2022 an die Spitze, gemeinsam mit Mona Fuchs. Krause würde, wie seine Fraktion mitteilt, im Fall seiner Wahl "der erste offen schwule Bürgermeister Münchens".

"Ich freue mich über die große Zustimmung, die meine Fraktion mir für die Bewerbung um das Amt des Zweiten Bürgermeisters gegeben hat", erklärte Krause. "Mit diesem starken Rückhalt traue ich mir zu, die Nachfolge von Katrin Habenschaden anzutreten, die dieses Amt in beispielhafter Weise ausgefüllt hat." Er wolle, gemeinsam mit seiner Fraktion und "unserer Bündnispartnerin SPD/Volt die Arbeit für das sozial-ökologische Projekt fortführen und Münchens Reputation als weltoffene und tolerante Metropole stärken". Seine Co-Fraktionschefin Fuchs würdigt Krauses "zehnjährige Erfahrung in der Kommunalpolitik". Wer Krause an der Spitze der Stadtratsfraktion nachfolgen soll, wollen die Grünen in der kommenden Woche klären.

Mit Krause haben die Grünen jedoch nur eine Lücke geschlossen, die Habenschaden hinterlassen hat. Ob sich eine Person mit ähnlichen Sympathiewerten findet, bleibt abzuwarten. Vor allem ist nun die Frage offen, wer Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) 2026 bei der Kommunalwahl 2026 herausfordern soll. Dieser hatte Habenschadens Zukunftspläne Anfang des Jahres heftig durcheinandergewirbelt, als er seine neuerliche Kandidatur erklärte. Bis dahin hatte die Grüne als Favoritin gegolten. Dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Altersgrenze für Bürgermeister in Bayern aufheben würde und der dann fast 68 Jahre alte Reiter nochmals antreten könnte, hatte niemand bei den Grünen auf dem Schirm.

Die OB-Kandidatur ist damit wieder offen

Die OB-Kandidatur bei der derzeit stärksten Partei Münchens ist mit dem Abschied Habenschadens wieder offen. Der schnelle Entschluss für Krause als ihren jetzigen Bürgermeister-Nachfolger zeigt, dass die Entscheidung noch nicht gefallen sein kann. Eine solche Vergabe ohne die Basis ist bei der Partei nicht denkbar. Krauses Schritt ins Rathaus könnte ein erster Fingerzeig sein. Wer drei Jahre vor der Wahl ein solches Amt antritt, sollte eine OB-Kandidatur nicht grundsätzlich ausschließen.

Für Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion ist der Weg damit verbaut, sich aus dem Amt heraus dafür bekannt zu machen. Sollten die Grünen doch lieber eine Frau nominieren wollen, die ausreichend bekannt ist, dann hätten sie eine: Katharina Schulze. Doch die hat bisher wenig Lust gezeigt, in die Kommunalpolitik einzusteigen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusWechsel zur Deutschen Bahn
:Neun Jahre Wartezeit sind ihr zu viel

Katrin Habenschaden von den Grünen hat sich in München schnell einen Namen gemacht. Mit dem nächsten Anlauf wollte sie Oberbürgermeisterin werden. Doch dann kam Markus Söder.

Von Heiner Effern

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: