Atomausstieg in Bayern:Profit für Konzerne - ewige Bürde für die Allgemeinheit

Lesezeit: 4 min

Am 15. April ist Schluss mit der Stromerzeugung im Kernkraftwerk Isar 2 in Essenbach bei Landshut. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Mit dem Ende der heimischen Atomstrom-Produktion hadern Leser aus verschiedenen Gründen. Einer davon: Die Endlagerung ist ungeklärt und wird teuer.

"Betreiber hadert mit dem Atomausstieg" vom 30. März:

Kerngesund?

Einmal mehr wird in dieser gemeinsamen Pressekonferenz des Betreibers des Atomkraftwerks Isar 2 und des Ministeriums, das diesen eigentlich beaufsichtigen soll, in Eintracht die Hochrisikotechnologie, die nicht mehr so genannt werden soll, gesund gebetet. Umweltminister Thorsten Glauber spricht von dem Reaktor als einem "kerngesunden 50-Jährigen". Ein Blick auf die Webseite seines eigenen Ministeriums hätte ihn eines Besseren belehrt. Dort wird zum KKI-2 von einer "Häufung menschlicher Fehlhandlungen sowie Mängeln im organisatorischen bzw. administrativen Bereich" gesprochen.

Dass der Betreiber des Altreaktors, Preussen-Elektra, in Superlativen schwelgt, verwundert nicht weiter, hat er doch 35 Jahre lang gutes Geld verdient - zuletzt unerwartet noch dreieinhalb Monate länger. Die Profite kamen den Aktionären zu gute, das Risiko eines Super-GAUs und die atomaren Altlasten des Hunderttausende Jahre strahlenden Atommülls trug und trägt die Bevölkerung. Nicht ohne Grund war und ist keine Versicherung der Welt bereit, die "kerngesunden" Meiler zu versichern. Der 15. April und das endgültige Aus der Atomstromerzeugung ist deshalb ein guter Tag für Deutschland.

Karl Amannsberger, Berlin

Atommädchenrechnung

Von einem Ende "eines großen Kapitels der bayerischen Energiegeschichte" würde ich jetzt nicht gerade sprechen. Vielmehr stehen wir am Anfang einer Zeitspanne von unter Umständen einer Million Jahren (Quelle: Wikipedia, in Verbindung mit dem Standortauswahlgesetz), in denen zum Beispiel der Eingang zum Endlager - das wir allerdings erst noch suchen - zu bewachen sein wird.

Machen wir doch eine kleine Rechnung à la Aiwanger/Glauber auf: Drei Mann im Schichtbetrieb und ein Mann für Urlaubs- und Krankheitsvertretung (es dürfen natürlich auch Frauen mitmachen) und zu extrem niedrigen Gehaltskosten ergäbe 200 000 Euro pro Jahr. Das für eine Million Jahre ergibt 200 Milliarden Euro. Und das nur für die Türsteher! Mit wie vielen Milliarden hat sich noch gleich die Atomindustrie (für immer und ewig natürlich) frei gekauft? Es waren wohl ein paar weniger.

Grundsätzlich hat der Preussen-Elektra-Chef schon recht, für seine Firma ist das Abenteuer ausgestanden, die Gewinne sind kapitalisiert und die Verluste trägt wie immer die Allgemeinheit. In diesem speziellen Fall allerdings etwas sehr lange.

Ferdinand Maier, Passau

Von dürftiger Nachhaltigkeit

Das Kernkraftwerk Isar 2 gilt als eines der sichersten und bestfunktionierenden Atomkraftwerke weltweit. Trotzdem soll es jetzt verschrottet werden - ganz im Sinne der Anti-Atomkraft-Ideologen, die sonst doch so sehr für Nachhaltigkeit schwärmen. Es ist unglaublich, welche Werte mit dem Abbau notgedrungen vernichtet werden.

Angela Merkel, die gern und oft als Physikerin bezeichnet wird, obwohl sie nur mal Physik studiert hatte, aber schon vor 1989 nicht mehr im Fach Physik tätig war, betrieb einstmals schon als Kanzlerin die Verlängerung der Laufzeiten. Als dann in Fukushima der Tsunami die hausgemachte Katastrophe herbeiführte (die Betreiberfirma war selbst Genehmigungsbehörde und hatte aus Sparsamkeitsgründen die Schutzdämme zum Meer nicht in der geforderten Höhe errichtet), hängte Merkel unter dem Eindruck der weltweiten Bestürzung ihr Mäntelchen flugs wieder in den Wind, kippte den Verlängerungsbeschluss und ließ das "Aus" für alle deutschen AKWs verkünden. Bei uns gibt es ja schließlich auch viele schwere Erdbeben und Tsunamis.

Auch wenn man wegen der bislang ungeklärten Endlagerung abgebrannter Brennstäbe sinnvollerweise keine neuen AKWs mehr baut und nach alternativen Energiequellen sucht: Was macht man jetzt dann mit dem vorzeitig abgewrackten AKW und dessen Resten? Ja, und dann wäre noch die Überleitung des Windstroms aus Norddeutschland zu klären. Da haben sich doch auch genügend Leute gefunden und Initiativen gebildet, die gegen ober-/unterirdischen Stromtrassen sind. Aber da vertraue ich auf unseren quasi ubiquitären Starkbierkönig Aiwanger: Er lässt doch sicher bald an Isar und Laaber LNG-Terminals für Fracking-Gas und/oder Wasserstoff errichten.

Es bleibt nur zu hoffen, dass endlich einmal Vernunft über Ideologie siegt.

Dr. Fritz Anetsberger, Landshut

Hausgemachte Energieprobleme

Auch wenn der Betreiber des Atomkraftwerks Isar 2 es nicht glauben mag, aber Symbolort der gescheiterten bayerischen Energiepolitik ist nicht Essenbach bei Landshut, sondern Meitingen bei Augsburg. In Meitingen, dem Standort von Bayerns größtem Stahlwerk, können die Folgen studiert werden, wenn Parteien sich einen populistischen Überbietungswettkampf liefern, statt seriöse Sachpolitik zu betreiben.

Die CSU stimmte 2013 im Bundestag und Bundesrat dem Bundesbedarfsplangesetz zu, das unter anderem den Bau einer Gleichstromleitung von Sachsen-Anhalt nach Meitingen vorsah. Die Leitung sollte ab 2022 Strom nach Bayern transportieren und die Stromversorgung nach der Stilllegung des Atomkraftwerks Gundremmingen sicherstellen. Der geplante Leitungsbau rief Hubert Aiwanger auf den Plan. Die Freien Wähler, damals noch Oppositionspartei, organisierten im März 2014 in Meitingen eine Demonstration, auf der Aiwanger gegen die "Monstertrasse" und die Staatsregierung polterte und die Emotionen der Leitungsgegner befeuerte. Die Folgen sind bekannt. Die CSU knickte vor Aiwanger und der kleinen, aber lautstarken Gruppe an Wutbürgern ein und verkündete 2014, dass die Leitung nach Meitingen nicht notwendig sei und daher nicht gebaut werde. Neun Jahre später, im März 2023, stand Ministerpräsident Söder mit leeren Händen vor der Belegschaft des Meitinger Stahlwerks, als diese gegen die hohen Strompreise demonstrierte (siehe SZ-Bericht "Genosse Söder", 11./12. März)). Weder wurde in Bayern der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben, noch existieren leistungsfähige Stromtrassen für den Stromimport aus Norddeutschland. Die prekäre Stromsituation in Bayern hat die (wut-)bürgerliche Koalition aus CSU und Freien Wählern zu verantworten, nicht aber die Bundesregierung in Berlin.

Roland Sommer, Diedorf

Hinweis

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion, sie dürfen gekürzt und in allen Ausgaben und Kanälen der Süddeutschen Zeitung , gedruckt wie digital, veröffentlicht werden, stets unter Angabe von Vor- und Nachname und dem Wohnort. Schreiben Sie Ihre Beiträge unter Bezugnahme auf die jeweiligen SZ-Artikel an forum@sz.de . Bitte geben Sie für Rückfragen Ihre Adresse und Telefonnummer an. Postalisch erreichen Sie uns unter Süddeutsche Zeitung, Forum & Leserdialog, Hultschiner Str. 8, 81677 München, per Fax unter 089/2183-8530.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: