Auch wenn Frauen in den Führungsetagen immer noch unterrepräsentiert sind - es tut sich etwas, zumindest was die Zusatzqualifikationen angeht: Lag der Frauenanteil bei den Executive-MBA-Programmen, also den MBA-Programmen für Positionen im oberen Management und mit besonders großer Verantwortung im Jahr 2016 noch bei 29,7 Prozent, so stieg er im vergangenen Jahr auf 32 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Executive MBA Councils (EMBAC), einer weltweiten Interessensvertretung von Business Schools. Doch was bringt ein Master of Business Administration (MBA) oder EMBA wirklich? Ist er tatsächlich ein sogenannter Karriere-Booster - gerade für Frauen, die mitten im Berufsleben stehen? Drei Absolventinnen berichten, wie sich die Qualifikation auf ihre berufliche Laufbahn ausgewirkt hat.
"Der Austausch und das Netzwerk sind mir extrem wichtig"
Corinna Lindinger, 40, hat an der Johannes-Kepler-Universität Linz in Österreich das MBA-Programm "Management und Leadership für Frauen" absolviert und ist jetzt Personalleiterin in einem mittelständischen Unternehmen:
Allein unter Männern - die meiste Zeit ihres bisherigen Berufslebens hatte es Corinna Lindinger mit männlichen Kollegen zu tun. Als sie sich 2018 für ein MBA-Programm speziell für Frauen entschied, war die Österreicherin zunächst skeptisch: "Ich hatte Sorge, das könnte ein kleiner Zickenkrieg werden, nur mit Frauen", erinnert sie sich. "Aber die Zweifel waren schnell zerstreut. Unser Kurs mit den zwölf Frauen war von Anfang an sehr harmonisch und absolut solidarisch untereinander."
Lindinger hatte zuvor ausschließlich im Betrieb ihres Vaters gearbeitet, einem Formen- und Werkzeugbauer in der Metallbranche in Traun in Oberösterreich. Angefangen hatte sie dort direkt nach dem Gymnasium mit einer kaufmännischen Ausbildung. Als sie mit 21 ihren Sohn bekam, pausierte sie während der Mutterschutzzeit, um dann aber schnell wieder zurückzukehren und - einige Fortbildungen später - das Qualitätsmanagement der Firma zu übernehmen.
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2013 ging der Vater in Pension, und Lindinger wechselte in die Geschäftsführung. Anfangs ließ sich alles gut an: Die neue Chefin startete einen Umstrukturierungsprozess, stellte den Produktionsbereich neu auf, führte Teamleiter ein. "Aber ich merkte, dass ich das Unternehmen nicht so gut führen konnte, wie ich es gewollt hätte - mir fehlte es an Wissen in den Bereichen Führung und Organisationsentwicklung", sagt Lindinger. Zufällig stieß sie auf eine Werbung für einen MBA-Studiengang an der Johannes-Kepler-Universität Linz und wusste gleich: Das ist es. "Für mich war das die Theorie zur gelebten Praxis."
Das Studium startete 2018 berufsbegleitend. "Durch den MBA wurde mir bewusst, wie sehr ich unter Konflikten gelitten hatte, die ich lange verdrängt hatte", sagt Corinna Lindinger. "Mein Vater war weiterhin sehr präsent im Unternehmen, da prallten unterschiedliche Führungsstile aufeinander", berichtet sie. "Das hat mich auf Dauer so sehr belastet, dass ich mich dazu entschlossen habe, eine Auszeit zu nehmen und nach dem Abschluss meines MBA das Unternehmen zu verlassen." Ihre Studienkolleginnen bestärkten sie darin, neue Wege zu gehen.
Während sie die Master-Thesis schrieb, überlegte Lindinger, in welchen Bereich es in Zukunft gehen könnte: "Was mir immer am meisten Spaß gemacht hat, war definitiv die Arbeit mit den Mitarbeitern, also der Personalbereich." Das wurde auch das Thema ihrer Masterarbeit mit dem Titel: "Flexible Arbeitszeiten als wichtiger Aspekt im Employer Branding". Seit Juni dieses Jahres hat die MBA-Absolventin eine neue Arbeitsstelle in Linz als Personalleiterin in einem Unternehmen mit 500 Mitarbeitenden, das sich mit Saatgut beschäftigt. Und nach wie vor trifft sie sich einmal monatlich mit ihren ehemaligen Kommilitoninnen zum MBA-Stammtisch: "Der Austausch und das Netzwerk sind mir extrem wichtig."
"Zu verstehen, wie Märkte reagieren, faszinierte mich sehr"
Bettina Möckel ist Vice President Corporate Business Development und hat mit 40 Jahren einen EMBA an der WHU - Otto Beisheim School of Management in Vallendar (Rheinland-Pfalz) absolviert:
"Ich bin Naturwissenschaftlerin, da habe ich einen ganz bestimmten Blick auf die Welt", sagt Bettina Möckel. "Als Biologin war ich es gewohnt, mich mit Problemstellungen analytisch auseinanderzusetzen und dabei sehr ins Detail zu gehen - für die Positionen, in denen ich später arbeitete, musste eine andere Denkweise her." Die Karriere von Bettina Möckel hatte zu der Zeit, als sie das Studium begann, bereits ordentlich Fahrt aufgenommen: Nach ihrer Promotion hatte die Biologin in der Diagnostik-Industrie gearbeitet. Dann wechselte sie zu Qiagen, einem Anbieter von Testtechnologien für das Gesundheitswesen und die Forschung, wo sie für das Vertriebs- und Produktmanagement zuständig war. "Ich war Anfang 40, als ich mir überlegte: Da geht noch was", fasst Möckel ihre damaligen Gedanken zusammen. Sie habe sich gefragt: "Wie kann ich die nächste Karrierestufe schneller erreichen? Das Berufsleben ist ja nicht mit 40 zu Ende." Für die Naturwissenschaftlerin war der logische nächste Schritt ein Executive MBA: "Ich wollte lernen, eine Metaebene einzunehmen, Datenpunkte zu verknüpfen und daraus Schlüsse zu ziehen - kurz gesagt, eine andere, schnellere Denkweise zu etablieren."
Dass der EMBA berufsbegleitend sein sollte, war ihr von Anfang an klar. Ihre Wahl fiel auf das EMBA-Programm der WHU, ihre Auswahlkriterien dabei: ein gutes Ranking, nicht zu weit weg von ihrem Wohnort, international ausgerichtet, mit Modulen im Ausland. "Klar war das sehr sportlich. Man muss sich dafür entscheiden, zwei Jahre Freunde, Familie und Hobbys zu reduzieren." Für die begeisterte Sportlerin hieß das: kein Marathon, kaum Rennradtouren und selten Treffen mit Freunden. Dennoch habe sich das alles gelohnt: "Der EMBA war wie ein Beschleuniger, vor allem was meine Denkweisen in Sachen Strategie und Strategieentwicklung von Unternehmen angeht. Zu verstehen, wie Märkte reagieren, faszinierte mich sehr."
Besonders gut fand sie es, an Fallstudien in Gruppen zu arbeiten, die aus ganz unterschiedlichen Disziplinen kamen: "Wenn zum Beispiel eine Anwältin, ein Architekt, eine Psychologin, ein Controller und eine Biologin gemeinsam an einer Sache arbeiten und dann versuchen, die Sichtweisen aus den unterschiedlichen Disziplinen zu synthetisieren - dann ist das ist ein superspannender Prozess. Man lernt, mit unterschiedlichen Sichtweisen umzugehen und auf einer anderen Ebene zu denken."
Nach Abschluss ihres Studiums fragte Möckel in der Abteilung Corporate Business Development an, ob es für sie eine Position gebe. Die gab es tatsächlich - heute leitet sie die Strategieentwicklung für einen wichtigen Teil des Unternehmens. "Ich finde, ich habe den spannendsten Job im Haus", sagt die EMBA-Absolventin. "Zum Glück habe ich damals selbst die Initiative ergriffen."
"Viel mehr Selbstbewusstsein und Mut erarbeitet"
Maria Roßbander, 39, hat einen MBA an der Berlin Professional School gemacht und arbeitet als Programm Officer des Berliner Stadtentwicklungsprogramms "Siemensstadt Square":
Sie war schon zehn Jahre im Beruf, als Maria Roßbander das Gefühl hatte: "Ich trete auf der Stelle - ich muss etwas machen, um mich weiterzuentwickeln." Dabei sah es eigentlich von außen betrachtet nach Erfolg für die damals 37-Jährige aus: Schon während ihres BWL-Studiums war sie als Werkstudentin bei der Siemens AG beschäftigt. Nach dem Studium wurde sie direkt übernommen und arbeitete in verschiedenen Bereichen, von der Kommunikationsabteilung über die Assistenz der Geschäftsführung bis hin zum strategischen Marketing. Von dort aus wollte sie weiterkommen. "Mein Mentor hatte mir schließlich Folgendes geraten: "Lern etwas Neues, eigne dir eine zusätzliche Qualifikation an - hast du schon mal über einen MBA nachgedacht?", formuliert Maria Roßbander dessen Ratschlag, der sie überzeugte. Drei Wochen nach dem Gespräch hatte sie sich bereits für ein berufsbegleitendes MBA-Programm entschieden und sich an der Berlin Professional School angemeldet.
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Man hört und liest von vielen MBA-Studierenden, wie hart ihr Studium gewesen sei und wie schwierig es sei, akademische Ausbildung und Beruf zu verbinden, doch Maria Roßbander sieht das anders: "Ich habe die zwei Jahre sehr genossen, das war so ziemlich die beste Zeit meines Lebens - auch wenn sie anstrengend und fordernd war." Sie begeisterte der Austausch mit den Mitstudierenden, die internationale Zusammensetzung ihres Kurses - von 35 Leuten kamen 20 aus unterschiedlichen Ländern. Und damit auch die verschiedenen Perspektiven, die sie kennenlernte. Und noch ein großer Pluspunkt: die BWLerin konnte durch den MBA tiefer in Finanzfächer und in ihr Interessensgebiet Blockchain eintauchen und beendete ihr Studium als Spezialistin auf diesem Gebiet. Die Blockchain, also verteilte, dezentrale Netzwerke, die beispielsweise im Kontext von Bitcoin genutzt werden, um Geldtransaktionen zu verwalten, ohne dabei einen Mittelsmann wie eine Bank einbinden zu müssen - das hatte sie schon vorher interessiert. Als sie sich gegen Ende des Studiums für ein spezielles Blockchain-Talentprogramm für Frauen bewarb, wurde sie sofort angenommen. Nur naheliegend, dass auch ihre Masterarbeit die neue Technologie zum Thema hat.
Wenige Wochen nach dem MBA-Abschluss erhielt sie das Jobangebot für "Siemensstadt Square" in Berlin. "Ich bin mir sicher, dass mein MBA mir überhaupt erst diese Möglichkeit geebnet hat", meint die 39-Jährige. Als Programm Officer ist es unter anderem ihre Aufgabe, für das Viertel ein neues Ökosystem aufzubauen, das Aspekte wie Nachhaltigkeit, Inklusion und Technologien verknüpft. Klingt nach Zukunftsmusik, ist es auch. Maria Roßbander erklärt: "Die Zielgruppe dieses neuen Stadtteils ist die Generation nach mir. Deren Zukunft wollen wir absichern. Durch den MBA habe sie sich "viel mehr Selbstbewusstsein und Mut erarbeitet - das brauche ich, gerade, wenn ich mich in neue Gebiete vorwage."