Laptops in der Vorlesung:Klappe zu, Student allein

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Ablenkung statt Arbeitsinstrument: Immer mehr Professoren in den USA verbannen Laptops aus den Hörsälen - manchmal schrecken sie dabei auch vor dem Einsatz ungewöhnlicher Waffen nicht zurück.

Maria Holzmülller

Ohne Laptop geht Thomas Honesz, Student der Germanistik und der Theaterwissenschaften, nicht aus dem Haus. Jedenfalls dann nicht, wenn er sich auf den Weg in seine Vorlesungen an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) macht. Zu Beginn der Lehrveranstaltung wird das Gerät aufgeklappt - und nicht eher wieder abgeschaltet, bis der Professor seinen Vortrag beendet hat.

Rabiate Professoren: Manch ein Dozent in den USA lässt sich einiges einfallen, um Studenten davon abzubringen, in den Vorlesungen mit Laptops zu arbeiten. (Foto: Foto: iStock)

Bildschirme statt Gesichter

Der Laptop zählt zu Thomas Honesz' wichtigsten Arbeitsinstrumenten. Hier gibt er seine Notizen ein und recherchiert ihm unbekannte Begriffe. So arbeiten heute viele seiner Kommilitonen in ganz Deutschland. "Vor fünf Jahren waren Studenten mit Notebook in den Vorlesungen die große Ausnahme, aber inzwischen werden es immer mehr", sagt Bernhard Schmidt-Hertha, Pädagogik-Dozent an der LMU. In seinem Fachbereich sitzt inzwischen ein Viertel der Studenten in der Vorlesung hinter Bildschirmen. In den technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen sind es weitaus mehr.

Während in Deutschland der Siegeszug der Laptops an den Unis noch anhält, haben Professoren in den USA den mobilen Computern inzwischen vielfach den Kampf angesagt. David Cole, Dozent an der Georgetown University in Washington, hat Laptops in seinen Vorlesungen bereits wieder verboten. Jura-Studenten, die seinen Vorträgen lauschen wollen, dürfen nur noch eines mitbringen: Stift und Papier.

Wie fünf Magazine gleichzeitig

Nach Jahren der Erfahrung ist Cole überzeugt: "Erlaubt man Studenten, während der Vorlesung an ihrem Laptop zu arbeiten, ist das, als ob man ihnen fünf verschiedene Zeitschriften, mehrere Fernsehserien, ein Telefon und einen Shopping-Katalog auf den Tisch legt und sagt: Wenn Ihr Euch nicht mehr konzentrieren könnt, schaut Euch doch das mal an." Das lenke nicht nur den surfenden Studenten ab, sondern auch all diejenigen, die ihn dabei beobachten, schreibt er in der Washington Post.

Noch Jahre zuvor war auch Cole ein Befürworter der Technik im Unterricht, doch Internet und Wireless Lan verwandelten das neue Arbeitsgerät in eine Quelle der Ablenkung. Cole ist sich sicher, dass Studenten, anstatt Notizen zu machen, lieber E-Mails oder Blogbeiträge schreiben, bei Youtube reinklicken, nach den Ergebnissen ihrer Fußballmanschaft schauen oder einfach ein Videospiel spielen.

Landesweit Verbote

Wie er halten es inzwischen auch Professoren an zahlreichen anderen Universitäten des Landes, unter anderem an der University of Virginia, der American University in Washington oder dem College of William and Mary in Williamsburg - sie alle haben Notebooks aus ihren Lehrveranstaltugnen verbannt.

Lesen und sehen Sie auf der nächsten Seite, zu welch drastischen Mitteln manche Professoren greifen.

Hubertus Kohle, Professor der Kunstgeschichte an der LMU München würde zwar nicht so weit gehen, Laptops während der Vorlesung zu verbieten, die Ablehnung der amerikanischen Kollegen kann er aber verstehen. "Sicherlich kann die Benutzung von Laptops in Vorlesungen sinnvoll sein, beispielsweise, wenn ein Name, den der Professor erwähnt, zum Verständnis gegoogelt wird. Aber üblicherweise werden die Studenten abgelenkt und verlieren den Anschluss. Diese Art von Multitasking funktioniert nicht", sagt er.

Die Erfahrung der amerikanischen Professoren scheint das zu bestätigen. David Cole machte sechs Wochen nach seinem Laptop-Verbot eine anonyme Umfrage unter seinen Studenten. Vier Fünftel von ihnen gaben an, ohne Computer engagierter an den Diskussionen teilzunehmen. Und 95 Prozent räumten ein, ihren Computer in den Vorlesungen zuvor tatsächlich anderweitig genutzt zu haben.

"Das geht auch gleichzeitig"

Das räumt auch Student Thomas Honesz ein. Ein Problem sieht er darin allerdings nicht. "Nur weil ich mal bei Facebook vorbeischaue, heißt das nicht, dass ich nicht mehr zuhöre. Das geht auch gleichzeitig. Und wenn der Vortrag des Professors langweilig ist, surfe ich schon mal im Internet. Aber diese Ablenkung hat nichts mit dem Laptop zu tun. Hätte ich keinen dabei, würde ich halt auf meinem Block herumkritzeln und trotzdem an etwas anderes denken."

Diesen Einwand lässt auch Professor Kohle gelten: "Früher haben Studenten dann einfach geschlafen oder gestrickt - da ist mir der Laptop doch lieber."

Unerkanntes Potential

Gabrielle di Assumpcao, die derzeit an der LMU München promoviert, kämpft mit ihrem Laptop in Seminaren noch immer gegen das Misstrauen der Dozenten an. "Zu Beginn schauen sie mich skeptisch an - wohl mit der Angst, ich würde chatten oder zocken. Das gibt sich, wenn sie sehen, dass ich damit wirklich arbeiten will, auch weil ich immer wieder in meine Aufzeichnungen schaue, um Nachfragen zu machen", sagt sie.

Die meisten Dozenten in Deutschland hätten das Potential von Laptops innerhalb der Lehrveranstaltungen noch nicht erkannt, findet Schmidt-Hertha. "Wenn Professoren die Folien zu ihren Veranstaltungen schon im Vorfeld ins Netz stellen, können Studenten sich diese herunterladen und schon in der Vorlesung mit ihren eigenen Aufzeichnungen ergänzen - das nützt dann auch anderen Studenten, die vielleicht ebenfalls auf das Dokument zugreifen können", sagt er.

Drastische Warnung

In den USA war diese Vision bis vor kurzem ebenfalls noch lebendig - und wird vielfach noch immer verfolgt. Für einige Professoren ist das Thema Laptop jedoch endgültig abgehakt. Drastisch machte das ein Dozent der University of Oklahoma deutlich. Zur Warnung an alle Studenten, die mit dem Gedanken spielten, ihr Notebook mit in die Vorlesung zu bringen, überschüttete er vor den Augen seiner Zuhörer - und inzwischen auch auf Youtube - einen Laptop mit flüssigem Stickstoff und zerschmetterte ihn dann auf dem Boden. Die Aufmerksamkeit der Studenten jedenfalls war ihm gewiss.

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