Arbeitsmarkt - Erfurt:Drei Jahre Mindestlohn in Thüringen: Kein massiver Jobabbau

Erfurt (dpa/th) - Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland hat in Thüringen die Arbeitslosigkeit nicht deutlich ansteigen lassen. "Selbst in den sogenannten Mindestlohnbranchen können wir keinen Negativ-Trend beobachten", sagte der Chef der Arbeitsagenturen in Thüringen, Kay Senius. Auch Gewerkschafter und Vertreter von Wirtschaftsunternehmen äußerten sich in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ähnlich. Allerdings gibt es besonders aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe weiterhin massive Kritik am vor drei Jahren eingeführten Mindestlohn.

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Erfurt (dpa/th) - Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland hat in Thüringen die Arbeitslosigkeit nicht deutlich ansteigen lassen. "Selbst in den sogenannten Mindestlohnbranchen können wir keinen Negativ-Trend beobachten", sagte der Chef der Arbeitsagenturen in Thüringen, Kay Senius. Auch Gewerkschafter und Vertreter von Wirtschaftsunternehmen äußerten sich in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ähnlich. Allerdings gibt es besonders aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe weiterhin massive Kritik am vor drei Jahren eingeführten Mindestlohn.

Die Pläne zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland waren von Wirtschaftsvertretern jahrelang mit dem Argument abgelehnt worden, dies führe zum massenhaften Jobabbau, weil die Lohnkosten für manche Arbeitgeber dadurch unzumutbar stiegen.

Senius dagegen sagte, viele Arbeitgeber im Freistaat hätten im Zuge der Einführung des Mindestlohns in allen Branchen Minijobs gestrichen und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geschaffen. "Viele davon in Teilzeit", so Senius.

In klassischen Mindestlohnbranchen wie etwa dem Wach- und Sicherheitsgewerbe, bei Call Centern, Post-Kurierdiensten oder der Gastronomie sei die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs stärker gewachsen als in den anderen Wirtschaftszweigen. Zwischen Juni 2014 und Juni 2017 um 6,4 Prozent. In den anderen Wirtschaftsbereichen habe das Plus in diesem Zeitraum bei nur 1,9 Prozent gelegen.

Ebenso positiv bewertet Michael Rudolph, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Bezirk Hessen-Thüringen, die Einführung des Mindestlohns. Auch die Menschen hätten davon profitiert, die schon in der Vergangenheit mehr als den Mindestlohn in Höhe von derzeit 8,84 Euro brutto pro Stunde verdienten. "Der Mindestlohn hat vielen Menschen höhere Einkommen gebracht. Er kurbelt die Binnennachfrage an und sorgt damit für mehr Beschäftigung", sagte Rudolph.

Allerdings gebe es nach den Erfahrungen der Gewerkschaften auch immer wieder Versuche von Unternehmen, den Mindestlohn zu umgehen. So würden bei Beschäftigten bisweilen Trinkgelder auf den Lohn angerechnet, sagte Rudolph. Die Kosten für die Dienstkleidung von Mitarbeitern würden diesen manchmal vom Lohn abgezogen.

Zudem seien den Gewerkschaften Fälle bekannt, in denen Beschäftigten neue Arbeitsverträge vorgelegt würden - mit verkürzter Arbeitszeit bei Beibehaltung des bisherigen Umfangs der Arbeit.

Rudolph forderte deshalb mehr Kontrollen der Behörden, ob der Mindestlohn wirklich gezahlt wird. Dafür müssten der Prüfdienst der Rentenversicherung aufgestockt und Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet werden.

Nach Angaben eines Sprechers des Thüringer Arbeitsministeriums hat der für die Kontrollen zuständige Zoll in Thüringen im Jahr 2015 insgesamt 30 Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Mindestlohngesetz eingeleitet. Ein Jahr später seien es 74 gewesen, im ersten Halbjahr 2017 waren es den Daten zufolge zwei Verfahren.

Mit Blick auf wissenschaftliche Studien über Verstöße gegen den Mindestlohn sagte der Sprecher, auch im Ressort der Linke-Politikerin Heike Werner sei man der Meinung, dass die Mindestlohnkontrollen durch den Zoll verstärkt werden müssten.

Auch wenn es bislang keine Arbeitsplatzverluste im großen Stil durch den Mindestlohn in Thüringen gegeben habe, bleibe die Lohnuntergrenze für viele Unternehmen eine große Herausforderung, berichtete der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Wirtschaft Thüringens, Stephan Fauth. Ähnlich äußerte sich eine Sprecherin des Thüringer Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga.

Dass die großen negativen Auswirkungen des Mindestlohns ausgeblieben seien, habe auch an der positiven, anhaltenden wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland gelegen, sagte Fauth. "Dennoch hat er auch in den Firmen, die deutlich mehr als den Mindestlohn zahlen, zu zahlreichen bürokratischen Hürden geführt."

Für die Dehoga-Sprecherin ist der Mindestlohn "ein massives Bürokratiemonster". Er habe zu Verwerfungen in der Branche geführt, weil die Beschäftigung von Aushilfskräften deutlich teurer geworden sei. Während Ministerin Werner sich dafür aussprach, den Mindestlohn schrittweise auf zwölf Euro brutto pro Stunde zu erhöhen, erklärte die Sprecherin, der Dehoga Thüringen lehne die Lohnuntergrenze weiter ab. Er sei ein Eingriff des Staates in die Tarifautonomie.

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