Lebensmittel-Marketing:WHO fordert verpflichtendes Verbot von Kinderwerbung

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Es braucht mehrere Maßnahmen, um eine ungesunde Ernährung von Kindern einzuschränken. Eine davon sind Werberestriktionen. (Foto: Ute Grabowsky/imago images / photothek)

Die Organisation legt in einer neuen Leitlinie dar, wie Kinder vor Werbung für ungesunde Lebensmittel geschützt werden können. Die Empfehlungen stimmen weitgehend mit den Plänen der Bundesregierung überein.

Von Berit Uhlmann

Eine neue WHO-Leitlinie stützt das Vorhaben der Bundesregierung, an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel einzuschränken. Gemessen an den Empfehlungen, müssten die deutschen Pläne sogar noch etwas strenger sein und Reklameverbote auch auf ältere Kinder ausdehnen. In dem am Montag veröffentlichten Dokument fasst die WHO zusammen, wie die Werbung für jene Lebensmittel reguliert werden sollte, die zu viel gesättigte Fette, Transfette, Zucker und Salz enthalten.

Der Leitlinie nach sollten Werbeeinschränkungen auf jeden Fall verpflichtend sein und alle Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahren einschließen. Zugleich sollten die Restriktionen so umfassend sein, dass die Hersteller mit ihrer Reklame nicht einfach auf andere Medien, Orte oder Zeiten ausweichen können. Daher müssten Verbote nicht nur für Kindermedien gelten, sondern überall dort, wo Heranwachsende den Anzeigen und Spots begegnen können. Auch digitale Werbeformen wie Spiele oder Mitmach-Aktionen sollten in die Regulierung einbezogen werden. Die betroffenen Lebensmittel seien anhand eines von der Regierung definierten Nährwert-Modells zu bestimmen, hieß es.

Der vom Ernährungsministerium vorgelegte Plan stimmt weitgehend mit dieser Richtlinie überein. Allerdings sieht er, anders als von der WHO gefordert, Werberestriktionen lediglich für Kinder bis 14 Jahren vor.

Freiwillige Aktionen haben wenig Wirkung

Grundlage der Leitlinie waren umfangreiche Literaturrecherchen und Expertenkonsultationen, erläuterte WHO-Wissenschaftlerin Katrin Engelhardt bei der Vorstellung des Dokuments. Dabei zeigten Studien wie auch bisherige Erfahrungen, dass freiwillige Werbeeinschränkungen wenig wirksam sind.

Auch dem aktuell in Deutschland geplanten Werbeverbot war eine lange Phase der freiwilligen Verpflichtung vorausgegangen. 2007 hatten Europas größte Lebensmittelkonzerne zugesagt, stark zucker-, fett- und kalorienhaltige Lebensmittel nicht in Spots für Kinder zu bewerben. Eine Analyse der Verbraucherorganisation Foodwatch zeigte aber, dass 2021 noch immer 86 Prozent der untersuchten beworbenen Kinderlebensmittel zu viel Zucker, Fett und Kalorien enthielten, wenn man den Gehalt an Empfehlungen der WHO bemisst.

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Weitere Vorteile von Werbebeschränkungen sind laut WHO, dass sie sehr wahrscheinlich kosteneffektiv sind. Sie schützen zudem im besonderem Maße benachteiligte Kinder, denn Familien mit geringerem sozioökonomischen Status sind tendenziell mehr Werbung ausgesetzt als besser begüterte. Werbeeinschränkungen, obgleich von der Industrie hart bekämpft, würden außerdem von der breiten Bevölkerung recht gut akzeptiert. Einige Länder, darunter Portugal, haben sie bereits umgesetzt.

Die Autoren der Richtlinie räumen zugleich einige Forschungslücken ein. So konnten einige Studien zwar zeigen, dass sich Werbeeinschränkungen positiv auf die Essenauswahl von Kindern auswirken. Wie sehr davon aber die Gesundheit profitiert, ist kaum untersucht.

Allerdings sind solche Studien methodisch schwer durchzuführen. Die Ernährung ist komplex, es ist im Einzelnen schwer voneinander zu trennen, welcher der vielen Einflüsse in welchem Ausmaß zu welchen gesundheitlichen Folgen führt. In der Gesamtschau der Evidenz gehen die WHO-Forscher jedoch davon aus, dass Werberestriktionen moderate positive Effekte für Kinder sowie die gesamte Gesellschaft und kaum Nachteile haben.

Die Regulierung der Werbung ist nur ein Baustein einer umfassenden WHO-Strategie für eine gesündere Ernährung. Zu den anderen Maßnahmen gehören unter anderem eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln und steuerliche Anreize. Experten gehen davon aus, dass es eine ganze Reihe von Maßnahmen braucht, um der Marktmacht der Industrie begegnen zu können.

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