Tiermedizin:Genveränderung soll Hühner gegen Vogelgrippe resistent machen

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Hühner auf einer Farm in in Lichtenburg, Südafrika. In dem Land wurden zuletzt 2,5 Millionen Hühner gekeult, um die Ausbreitung der Vogelgrippe zu bremsen. (Foto: Denis Farrell/AP)

Die Vogelgrippe bedroht nicht nur Vögel und Geflügelfarmen, sondern auch Säugetiere wie den Menschen. Sind genetisch veränderte Vögel die Lösung? Neben rechtlichen Hürden sehen Fachleute vor allem praktische Probleme.

Von Hanno Charisius

Mit einem kleinen Eingriff ins Erbgut ist es Biotechnologen gelungen, Hühner gegen Vogelgrippe-Erreger resistent zu machen. Wie das Team um Alewo Idoko-Akoh und Mike McGrew von der University of Edinburgh in der Zeitschrift Nature Communications berichtet, entstanden durch den Austausch eines Gens in den Keimzellen der Tiere Vögel, die auf normale Dosierungen der Erreger kaum noch reagierten. Neun von zehn dieser Hühner infizierten sich bei geringer Viruslast nicht. Mit steigender Viruslast in den Labortests nahm die Resistenz jedoch ab. Ansonsten hätten sich die Tiere im Untersuchungszeitraum von zwei Jahren nicht von anderen Hühnern unterschieden, heißt es in dem Fachartikel.

Die Vogelgrippe ist ein globales Problem, der Erreger bedroht längst nicht mehr nur Geflügel in Zucht- und Mastbetrieben, sondern auch Wildpopulationen auf jedem Kontinent, und hat auch das Potenzial, eine Pandemie unter Menschen zu entfesseln. Derzeit sorgten Varianten des Influenza-Virus H5N1 in Europa, Asien, Afrika und Amerika für ein beispielloses Vogelsterben in der Natur und auf Geflügelfarmen, sagte Studienleiter McGrew während einer Pressekonferenz. Zudem gebe es Todesfälle bei Säugetieren wie etwa Robben sowie vereinzelt auch bei Menschen. Impfungen von Geflügel bieten demnach keinen zuverlässigen Schutz gegen die mutationsfreudigen Erreger.

Die Forschenden um Idoko-Akoh und McGrew tauschten per Genom-Editierung zwei Aminosäuren-Bausteine des Proteins ANP32A der Hühner aus, das für die Vermehrung der Viren in den Vögeln von zentraler Bedeutung ist. Da die Veränderung in den Keimzellen der Tiere vorgenommen wurden, geben sie diese an ihre Nachkommen weiter. Es gibt noch zwei weitere Gen-Varianten des ANP32-Proteins im Erbgut von Hühnern. Experimente an Zellen zeigten, dass die Viren keine Chance mehr haben, wenn alle drei verändert wurden - das jedoch wäre vermutlich tödlich für die Tiere, da die Proteine auch in Zellen wichtig sind, die nicht von den Viren befallen werden können. Unabhängige Fachleute loben die Arbeit des Teams um Idoko-Akoh und McGrew als gelungene Machbarkeitsstudie, die jedoch klar aufzeige, was derzeit auf diese Weise erreicht werden könnte - aber auch, welche Probleme dieses Vorgehen mit sich bringen könnte.

Könnten dadurch Viren entstehen, die für Menschen gefährlicher sind?

Die Experimente zeigten etwa, dass Viren, die sich auch ohne für sie passendes ANP32A-Protein vermehren konnten, Mutationen trugen, die es ihnen - "unerwartet", wie die Forscher schreiben - erlauben, sich auch in Zellen der menschlichen Atemwege zu vermehren. Insofern lägen zwar die Vorteile von Hühnern auf der Hand, die teilweise resistent sind gegen die Vogelgrippe, sagt James Wood, Leiter der Abteilung für Veterinärmedizin an der University of Cambridge. Doch die Eigenschaft, für Viren zu selektieren, die für den Menschen gefährlicher sein könnten, sei "etwas, das vermieden werden sollte". Es sei wichtig, eine vollständige Resistenz gegen verschiedene Vogelgrippe-Genotypen zu erreichen.

Wie das gelingen soll, ohne die Gesundheit der Hühner zu beeinträchtigen, ist noch unklar. Außerdem sind nicht so sehr Hühner Treiber der Vogelgrippepandemie, sondern vor allem Wildvögel, die das Virus um den Planeten tragen. Auch diese durch genetische Veränderungen vor dem Erreger zu schützen, wäre selbst dann nicht möglich, wenn klar wäre, wie man das anstellt, ohne den Tieren dabei zu schaden.

Würde zumindest das irgendwie gelingen, wäre es jedoch bereits ein wesentlicher Beitrag zum Schutz vor einer Vogelgrippe-Pandemie unter Menschen. Denn wenn sich Zuchtgeflügel nicht mehr infizieren kann, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Menschen anstecken, die mit den Vögeln arbeiten. Dies wäre vor allem dann bedeutend, wenn sich Viren durchsetzten, "die eine wesentlich höhere Neigung zu zoonotischen Übertragungen hätten als die derzeit zirkulierenden", sagt Timm Harder, Laborleiter am Institut für Virusdiagnostik im Friedrich-Loeffler-Institut. Nach geltendem EU-Recht wären solche Tiere allerdings als gentechnisch veränderte Organismen zu betrachten. Ihre Nutzung bedürfte einer Genehmigung, und die Haltung wäre nur in einer gentechnischen Anlage möglich. "Freilandhaltung wäre dann einem Freisetzungsvorhaben gleichzustellen", so Harder. "Ohne entsprechende rechtliche Anpassungen wäre eine Massennutzung sicherlich nicht vorstellbar."

Mit Material von dpa und dem Science Media Center

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