Die Ständige Impfkommission wird umgebaut. Das Gremium, das die Impfempfehlungen für Erwachsene und Kinder in Deutschland ausarbeitet, wird von Februar 2024 an turnusmäßig neu berufen werden - allerdings soll es dabei nach den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine empfindliche Änderung geben: Mitglieder sollen statt bisher unbegrenzt nur noch drei Amtsperioden tätig sein dürfen, also maximal neun Jahre. Das bedeutet für zwölf der 17 Mitglieder ein Ende ihrer Stiko-Arbeit im Februar 2024. Das gilt auch für den derzeit amtierenden Vorsitzenden Thomas Mertens.
Der Virologe aber gibt im Gespräch mit der SZ an, "grundentspannt" zu sein: "Ich freue mich darauf, ab Februar mehr Zeit für andere Dinge zu haben." Er habe schon im September 2022 angekündigt, nicht mehr für eine weitere Amtsperiode zur Verfügung zu stehen, sagte Mertens. "Und das hatte nichts mit Unzufriedenheit oder Zwistigkeiten zu tun. Ich bin jetzt 73, nun sollen es mal andere machen."
"Wir hätten uns einen nicht so einen großen Schritt gewünscht"
Er habe die Gremienarbeit in der Pandemie geschätzt: "Das war eine sehr intensive und auch spannende Zeit", sagt Mertens. "Wenn ich mal wieder im Edeka angepöbelt wurde, dann habe ich mich manchmal gefragt, warum mache ich das hier eigentlich?" Es habe ihn bisweilen erschüttert, wie viel Unwissenheit, Dummheit und Bösartigkeit in dieser Zeit auf ihn eingeprasselt sei. Aber das seien immer nur Augenblicke gewesen, die schnell wieder verflogen.
Insgesamt zieht Mertens eine positive Bilanz der Stiko-Arbeit: Die Mitglieder der Kommission hätten in der gesamten Pandemie in exzellenter Weise zusammengearbeitet. "Es hat nie Reibereien gegeben außerhalb sachlicher Diskussion", sagte er. Und das, obwohl es immer wieder Kritik in der Öffentlichkeit gegeben habe.
Auch das Bundesgesundheitsministerium betont auf Anfrage. "Die Stiko hat insbesondere im Rahmen der Pandemie Höchstleistungen vollbracht. Sie arbeitet national und international auf hohem Niveau." Das Ministerium danke "insbesondere Prof. Mertens stellvertretend für die gesamte Stiko für die hervorragende Arbeit", teilte ein Sprecher mit. An den Grundprinzipien der Arbeit dieser Kommission werde sich nichts ändern, versicherte er. So bleibe die Stiko an das Robert-Koch-Institut angebunden, auch sollten die Mitglieder weiterhin ehrenamtlich tätig sein und unabhängig von politischer Einflussnahme agieren.
Mertens hält die Beschränkung der Amtszeit für grundsätzlich richtig: "Das machen viele internationale Impfkommissionen so, ich finde das okay." Andere Stiko-Mitglieder äußern sich kritisch zu den Plänen des Ministeriums. So sagt der Berliner Kinderarzt Martin Terhardt, die bisherige Stabilität in der Besetzung habe dazu beigetragen, dass die Stiko in der Pandemie so gut funktioniert und zusammengearbeitet habe. Mitglieder hätten ihre "Sorge, dass die Pläne der Qualität der Kommissions-Arbeit nicht zuträglich seien", bereits dem Ministerium mitgeteilt. Dass die Stiko neu organisiert werden soll, steht bereits länger im Raum. Die Stärke des Umbruchs hat manche Mitglieder aber offenbar überrascht. "Wir hätten uns im Interesse einer reibungslosen Fortsetzung dieser wichtigen und anspruchsvollen Arbeit einen besseren Übergang und nicht so einen großen Schritt gewünscht", sagt Terhardt.
Neben der Beschränkung der Amtszeit steht auch eine inhaltliche Neubesetzung im Raum. So sollen offenbar Experten für Kommunikation in die Stiko berufen werden und der Öffentliche Gesundheitsdienst vertreten sein. Dafür dürfte die Zahl der Kinderärzte deutlich sinken. Grundsätzlich sei es positiv, wenn breitere Expertise gehört werde, sagte dazu der noch amtierende Vorsitzende Mertens, aber es komme natürlich auf die Ausgestaltung an. Wer sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin werde, wisse er nicht. Denn das Ministerium bestimmt nur über die Berufungen. Der oder die Vorsitzende wird in der konstituierenden Sitzung im Februar von den dann berufenen Mitgliedern gewählt.