Medizin:Alle mögen's kühl

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Besonders gefährdet bei Hitze sind ältere Menschen. Ihr Durstgefühl meldet sich oft zu spät oder gar nicht mehr. (Foto: Thibaud Moritz/AFP)

Wie extreme Hitze dem Körper zusetzt und wieso seine ausgefeilte Wärmeregulation dabei zu versagen droht.

Von Werner Bartens

Der Rüppellfuchs und der Afrikanische Esel bekommen es hin. Beide Tiere sind an ein Leben in extremer Hitze angepasst. Der Esel hat große Ohren zur Wärmeabgabe sowie einen geeigneten Stoffwechsel und hält es so im Norden Äthiopiens bei Temperaturen bis an die 50 Grad aus. Der Rüppellfuchs ist einem der heißesten Orte der Welt gewachsen, der iranischen Wüste Dascht-e Lut. Sein kleiner Körper kann Hitze schnell abgeben, sein Stoffwechsel ist verlangsamt, zudem jagt das Tier hauptsächlich nachts.

Vom Menschen sind - trotz manchen Exemplaren mit großen Ohren - solche Anpassungsleistungen nicht zu erwarten, jedenfalls nicht in der Geschwindigkeit, mit der die Temperaturen durch den Klimawandel steigen. Liegt die Umgebungstemperatur über der physiologischen Körpertemperatur von 37 Grad (bei hoher Luftfeuchtigkeit reichen auch schon 32 oder 34 Grad aus), wird es äußerst anstrengend, obwohl die Kühlung des Menschen mit seinen Millionen Schweißdrüsen eigentlich ziemlich ausgereift ist. Wenn der Schweiß verdunstet, entzieht dies dem Körper Wärme, doch wird das körpereigene Kühlsystem zu stark beansprucht, hat dies Nebenwirkungen, die weit über den starken Elektrolytverlust hinausgehen. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, deren Durstgefühl sich oft zu spät oder gar nicht meldet und deren Wärmeregulierung nicht mehr gut funktioniert.

Mit steigender Außentemperatur versagen die Organe irgendwann

Unter steigenden Temperaturen leiden gleich mehrere Organsysteme: Bei großer Hitze erweitern sich die Venen, mehr Blut gelangt in oberflächliche Bereiche der Haut. Für die Kühlung mag das sinnvoll sein, doch woanders fehlen das Blut und der Sauerstoff, der damit transportiert wird. Diese körpereigene Umverteilung im Kreislauf ist besonders gefährlich für das Gehirn, das Herz und den Darm. Kommt es hier zur Mangelversorgung, drohen Schlaganfall, Infarkt und Entzündungen im Verdauungstrakt. Die erhöhte Flüssigkeitszufuhr belastet zudem das Herz, gerade ältere Menschen sind der zusätzlichen Pumpanforderung oft nicht gewachsen.

Mit steigender Außentemperatur versagt die Wärmeregulation irgendwann und der Zusammenbruch droht. Die Körpertemperatur steigt dann auf 40 Grad oder mehr an, sodass es zum Hitzschlag kommt. Dann besteht akute Gefahr, weil etliche körpereigene Zellen, Gewebe und Moleküle in Mitleidenschaft gezogen werden. Eiweißhaltige Stoffe wie Hormone und Antikörper können genauso geschädigt werden wie Botenstoffe des Nervensystems. Zudem werden manche Zellen durch die Hitze direkt beeinträchtigt; der Darm reagiert besonders empfindlich darauf. Sterben dadurch Zellen oder Gewebe ab, werden Entzündungsstoffe freigesetzt, was den Organismus zusätzlich angreift - ein sich selbst verstärkender Prozess, der so weit gehen kann, dass die Darmwand durchlässiger wird und es zu einer chronischen Entzündung kommt.

In diesem Zustand droht der Körper vollends aus der Balance zu geraten. Die vermehrt gebildeten Entzündungsstoffe tragen dazu bei, dass Gerinnungsfaktoren aktiviert werden. Auf diese Weise können sich Thrombosen bilden - doch der Organismus steuert im Übermaß dagegen, sodass lokale Blutungen auftreten können. Der vermehrte Abbau von geschädigten Zellen, Blutpfropfen und Entzündungsresten kann wiederum die Leber und die Niere überlasten. Jedes Organ hat mehr zu tun als sonst und ist zudem von direkter Schädigung bedroht.

Die Weltgesundheitsorganisation hat errechnet, dass von 2030 bis 2050 mit jährlich 250 000 zusätzlichen Todesfällen durch den Klimawandel gerechnet werden muss. Es drohen vermehrt Herzinfarkt, Kreislaufversagen, Niereninsuffizienz, Hitzschlag. Aber auch manche Infektionskrankheiten werden häufiger. Malaria und tropische Durchfall-Leiden werden jene Zonen erobern, die mal als "gemäßigt" bezeichnet wurden. Unter gesundheitlichen Aspekten und auch wegen ihrer neuen Temperaturrekorde müssten sie längst in Hotspots umbenannt werden.

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