Professoren-Verband zu Titel-Aberkennung:"Schwer vorstellbar, dass Schavan im Amt bleibt"

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Eine Bildungsministerin, der die Doktorwürde aberkannt wurde, ist für die Wissenschaft nicht gut, sagt Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes. Studentenvertretungen fordern Schavan gar offen zum Rücktritt auf. Doch es gibt auch andere Stimmen in der Wissenschaft.

Union und FDP wollen Annette Schavan als Bildungsministerin halten, zumindest noch. Für die Opposition ist sie nach Aberkennung ihrer Doktorwürde dagegen unhaltbar. Die Protagonistin selbst lässt die Entscheidung über ihre Zukunft vorerst offen. So weit die Positionen in der Politik.

Nun gibt es auch erste Stimmen aus der Wissenschaft - und die sind in Bezug auf den Verbleib der CDU-Politikerin im Ministeramt durchaus geteilter Meinung.

Für den Deutschen Hochschulverband, die Berufsorganisation von mehr als 27.000 Universitäts-Professoren hierzulande, ist eine Bildungsministerin kaum tragbar, deren Promotion widerrufen wurde. Verbandspräsident Bernhard Kempen sagte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa, es sei "sehr schwer vorstellbar, dass Bundesbildungsministerin Annette Schavan weiter im Amt bleibt". Schavan sollte die Entscheidung der Universität Düsseldorf "zunächst als Faktum" akzeptieren.

Es sei ihr gutes Recht, gegen den Entzug des Doktortitels durch die Universität zu klagen, so Kempen. Ein solches Verfahren werde aber nicht vor der Bundestagswahl entschieden und könne sich unter Umständen bei einer Revision über Jahre hinziehen. "Ich habe Zweifel, ob das der Wissenschaft guttut."

"Wichtig sind Kompetenz und Leistung"

So sehen das auch Vertretungen der Studenten - und fordern Schavan offen zum Rücktritt auf. "Schavan kann keine Sekunde länger für eine verantwortungsvolle Wissenschaftspolitik stehen", erklärte Erik Marquardt, Sprecher des Freien Zusammenschlusses von StudentInnenschaften. Nach "diesem Vertrauensbruch mit der Wissenschaft" könne sie jungen Wissenschaftlern kein gutes Vorbild mehr sein.

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Als Annette Schavan ihre Doktorarbeit schrieb, kursierte das Heft schon in der achten Auflage: Auf 32 Seiten gibt ein Professor der Uni Düsseldorf "Hinweise zur Anfertigung von Seminararbeiten". Schavans Doktorvater ist einer der Herausgeber. Süddeutsche.de dokumentiert Auszüge aus der Broschüre.

Die Bundesvorsitzende der Liberalen Hochschulgruppen (LHG), Josephine Dietzsch, erklärte, Schavan sei als Bundesbildungsministerin "nicht mehr tragbar". Auch wenn sie Einspruch gegen die Entscheidung einreichen wolle, könne sie nicht glaubwürdig weiterarbeiten. "An eine Bundesbildungsministerin sind besonders hohe Maßstäbe anzusetzen", betonte Dietzsch.

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Der CDU-Studierendenverbund RCDS kritisierte indes das intransparente Verfahren von Schavans ehemaliger Universität. Die Aberkennung des Titels sei "ohne den Einsatz unabhängiger Gutachter, die eine vorsätzliche Täuschungsabsicht feststellen, unglaubwürdig", erklärte der RCDS-Bundesvorsitzende Erik Bertram.

Rückendeckung für den Verbleib im Amt bekommt Schavan vom Präsidenten der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. "Die Eignung für ein Ministeramt hängt nicht von einem Titel ab; wichtig sind Kompetenz und Leistung", sagte Helmut Schwarz der SZ. Er betonte, dass Annette Schavan als Bundesministerin außerordentliche Leistungen vorzuweisen habe, um die Deutschland weltweit beneidet werde. Die Humboldt-Stiftung fördert internationale Zusammenarbeit in der Forschung.

Bernhard Kempen vom Deutschen Hochschulverband sieht in Bezug auf die Plagiatsaffäre auch die Unis in der Verantwortung. Der Fall Schavan sei "eine Schlappe für die Universität". Hinweise, dass man Arbeiten ohne die heutigen technischen Möglichkeiten schlechter habe kontrollieren können, seien "keine Entschuldigung - allenfalls eine Erklärung", sagte der Verbandspräsident.

Die jüngsten Plagiatsfälle hätten die Wissenschaft jedoch sensibilisiert. Es werde heute stärker kontrolliert. Gleichwohl hält Kempen ein grundsätzliches Nachdenken über einheitliche Qualitätsstandards bei Promotionen wie Abschlussarbeiten für erforderlich. (Linktipp: Lesen Sie hier, welche Bemühungen von Promovierenden es hierzu bereits gibt.) Dazu gehörten auch Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa die Einführung einer Verjährungsfrist im Verwaltungsrecht.

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