Uni-Finanzierung:Der falsche Gönner

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Der neue Partner der TU München: Facebook (Foto: dpa)

Die TU München lässt sich ihr Institut für künstliche Intelligenz und Ethik ausgerechnet von Facebook bezahlen. Dabei ist der Tech-Konzern der Musterfall ethischer Probleme.

Kommentar von Andrian Kreye

Wenn man die Regeln des Start-up-Wesens kennt, das der Technischen Universität München ansonsten sehr am Herzen liegt, dann ist der Oktober 2019 ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um ein Institut für künstliche Intelligenz und Ethik zu eröffnen, das die Firma Facebook finanziert. Denn die Start-up-Gesetze besagen, dass der Zeitpunkt eines "launches" für den Erfolg noch wichtiger ist als Produkt, Personal und Marketing. Und so liegt jetzt schon ein Schatten über dem "Institute for Ethics in Artificial Intelligence" (IEAI) der TU.

Denn ausgerechnet in diesen Wochen zerfleischt sich die amerikanische Wissenschafts- und Technologieszene in einer Debatte über die Finanzierung von Forschung und Lehre. Auslöser war der Fall des New Yorker Investors Jeffrey Epstein, der hinter seiner Fassade als charmanter und großzügiger Förderer der Wissenschaften ein Massenvergewaltiger, Mädchenschänder und Menschenhändler war. Seit seinem Suizid in Untersuchungshaft im August gibt es reihenweise Anschuldigungen und Selbstbezichtigungen, wer denn alles Geld von ihm genommen hatte. Doch jenseits des abgründigen Einzelfalles stellen sich amerikanische Wissenschaftler viele überfällige Fragen, die sich in Deutschland bisher erübrigten, weil Forschung hierzulande weitgehend von Bund und Ländern finanziert wird: Was für Geld kommt denn da herein? Und was bezwecken die Geldgeber damit?

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Der ehemalige Mathematiklehrer Jeffrey Epstein erkaufte sich mit seinen Spenden gesellschaftlichen Status. Aber was wollen beispielsweise die amerikanischen Streitkräfte mit ihren Spenden und Projektfinanzierungen? Die Industrie? Die Geldgeber aus dem Nahen Osten und Asien, die oft nicht nur Projekte finanzieren, sondern gleich ganze Universitätsfilialen aufbauen, mit denen die Mutterinstitute in den USA viel Geld verdienen?

Nun hat an der TU München am Montag das IEAI eröffnet. Die Anschubfinanzierung von 7,5 Millionen Dollar hatte die Facebook-Chefin Sheryl Sandberg im vergangenen Januar auf großer Bühne bei der Münchner Digitalkonferenz DLD verkündet. Das Konzept des IEAI ist hochmodern - die interdisziplinäre Erforschung all der Fragen rund um künstliche Intelligenz, die Technik- und Naturwissenschaften nicht beantworten können. Weil Ethik eben nicht messbar ist.

Bei Facebook weiß man allerdings, auf wen man sich einlässt. Auf den Musterfall der ethischen Probleme mit künstlicher Intelligenz. Die Algorithmen der sozialen Netzwerke Facebook, Whatsapp und Instagram waren mit schuld, dass der politische Diskurs weltweit erodierte, Populisten wie Trump und Bolsonaro an die Macht kamen, dass Lynchmobs unter anderem in Mexiko und Indien Morde begingen und dass die Rohingya in Myanmar vertrieben und massakriert wurden.

Facebook will bis heute kaum Verantwortung übernehmen. Mark Zuckerbergs Anhörung vor dem US-Parlament im vergangenen Jahr war eine Farce. Und vor wenigen Tagen stellte er seine Verachtung für demokratische Prozesse erneut unter Beweis, als er seine Mitarbeiter zum Kampf gegen die Anwärterin auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten, Elizabeth Warren, mobilisierte. Facebook-Geld für ein KI-Ethik-Institut wirkt deswegen, als würde die Tabakindustrie ein Lungensanatorium finanzieren. Ein paar einzelne Fälle werden sicherlich geheilt werden. Das Grundproblem wird bleiben.

© SZ vom 08.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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