Oberfranken:Zehnjährige tot in Heim aufgefunden: Polizei sieht Anzeichen für Tötungsdelikt

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Der Angeklagte lebte selbst zweimal im Kinder- und Jugendhilfezentrum St. Josef in Wunsiedel. (Foto: Kinder- und Jugendhilfezentrum St. Josef in Wunsiedel)

Das Mädchen wurde von Angestellten einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in Wunsiedel leblos gefunden. Eine Sonderkommission ermittelt. Medienberichte über angeblich tatverdächtige Jugendliche werden von Polizei und Staatsanwaltschaft dementiert.

Von Max Weinhold, Wunsiedel

Im oberfränkischen Wunsiedel ist offenbar ein zehnjähriges Mädchen getötet worden. Wie die Polizei am Mittwochvormittag mitteilte, sei das Kind bereits am Dienstagmorgen leblos in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung von Angestellten des Hauses gefunden worden. "Ob ein Fremdverschulden vorliegt, ist noch nicht abschließend gesichert", sagte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Oberfranken. Allerdings gebe es Hinweise darauf.

Diese ergaben sich laut einer Mitteilung der Polizei aus der Obduktion des Mädchens, die die Staatsanwaltschaft Hof zur Klärung der Todesursache angeordnet hat. Die rechtsmedizinische Untersuchung habe "nach ersten Erkenntnissen Anzeichen für ein Fremdverschulden am Tod des Mädchens" ergeben. Welche Anzeichen das waren, das wollte die Sprecherin auf Nachfrage noch nicht sagen. Die rechtsmedizinische Untersuchung sei abgeschlossen, ein abschließendes Obduktionsergebnis liege aber noch nicht vor.

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Neben den vorläufigen Ergebnissen der rechtsmedizinischen Untersuchung deute auch das Spurenbild, also die "Auffindesituation" am Tatort, auf ein Fremdverschulden hin, bekräftigte der leitende Staatsanwalt Matthias Goers im Gespräch mit der SZ. "Nach derzeitigem Stand gehen wir davon aus, dass es sich um einen unnatürlichen Tod handelt." Laut Polizei gibt es keine Hinweise darauf, dass sich Personen zur Tatzeit unberechtigten Zutritt zu dem Heim verschafft hätten. Trotzdem werde in alle Richtungen ermittelt.

Entgegen anders lautender Medienberichte hat die Polizei bisher jedoch keine Tatverdächtigen. Meldungen, nach denen sich drei Jugendliche in Gewahrsam befänden, dementierte eine Sprecherin am Nachmittag auf SZ-Nachfrage. "Dies ist nicht der Fall", sagte sie. Die Deutsche Presse-Agentur berichtet aber unter Berufung auf Sicherheitskreise, zwei Jungen im Alter von elf Jahren und ein 16-Jähriger stünden im Fokus der Ermittler.

Auch Staatsanwalt Goers widersprach Berichten, wonach sich die Jugendlichen in Gewahrsam befänden. Es gebe Überprüfungen von allen Personen, die mit dem Mädchen in Kontakt standen, insbesondere kurz vor seinem Tod. "Aber es gibt keine tatverdächtigen Personen", sagte er. Es seien zwar Vernehmungen durchgeführt worden, die freilich die Bewegungsfreiheit für den Moment einschränkten. Es habe sich aber zu keinem Zeitpunkt seit dem Tod des Mädchens am Dienstag eine Person in polizeilichem Gewahrsam befunden. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte eine schnelle Aufklärung: "Wichtig ist, dass nun möglichst schnell geklärt wird, wer an der Tat beteiligt war und welche Hintergründe es dafür gab", teilte er mit.

Die Polizei hatte am Mittwochvormittag mitgeteilt, das Mädchen sei am Dienstag gegen 9 Uhr in einem Zimmer des Heims gefunden worden. Notärzte hätten nur noch seinen Tod feststellen können. Spezialisten hätten im Anschluss "umfangreiche Spurensicherungsmaßnahmen" durchgeführt. Eine Sonderkommission der Kriminalpolizei Hof ermittelt. Am Mittwoch standen die Auswertungen der vor Ort gesammelten Spuren ebenso wie die Befragung von Zeugen im Mittelpunkt der Ermittlungen.

"Das ist ein Schock für unsere Stadt", sagte Manfred Söllner, Wunsiedels zweiter Bürgermeister, der SZ. "Die Leute hier sind zutiefst erschüttert. Unsere Gedanken sind in diesem Moment bei den Mitbewohnern des Mädchens und den Angestellten in dem Heim - insbesondere bei denen, die das Mädchen leblos aufgefunden haben." Seelsorgerische Hilfsangebote könne die Stadt in diesem Fall nicht organisieren, weil das Heim ein kirchliches sei, sagte Söllner.

Die Einrichtung, das Kinder- und Jugendhilfezentrum St. Josef, gehört zur Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg. Laut Auskunft auf der Internetseite der Einrichtung wohnen in dem Heim Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, "die nicht oder nicht dauerhaft in ihrer Familie leben können. In St. Josef unterstützen und begleiten wir die jungen Menschen auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden".

In der Einrichtung mit knapp 90 jungen Bewohnerinnen und Bewohnern im Alter von drei bis 19 Jahren und ebenso vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern laufen seit dem Bekanntwerden des Todes der Zehnjährigen zahlreiche Maßnahmen zur Trauerbewältigung. Wegen der Osterferien in Bayern seien viele Kinder zwar nicht vor Ort, sondern im Skiurlaub, sagte Christine Allgeyer vom Träger der Einrichtung, der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg. Diejenigen Kinder und Jugendliche, bei denen es möglich ist, befänden sich wegen der Ferien zudem bei ihren Familien. "Aber für die Kinder, die da waren und sind, ist das natürlich ein traumatisierendes Ereignis."

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Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses seien für derlei Ereignisse geschult, in diesem Fall aber auf gleiche Weise wie die Kinder und Jugendlichen betroffen und traumatisiert. Deswegen sei neben einem Kriseninterventionsteam der Polizei ein weiteres, örtliches anwesend. Auch die Einrichtung selbst habe sofort ein Krisenteam gebildet, "um die Kinder und Jugendlichen direkt aufzufangen und sie behutsam zu begleiten, damit sie in dieser Situation Struktur bekommen und Ansprechpartner haben".

Der Träger habe darüber hinaus speziell geschultes Personal nach Wunsiedel geschickt, darunter etwa Trauma-Pädagogen, um insbesondere die Angestellten der Einrichtung St. Josef zu unterstützen. "Wir haben alles mobilisiert, was wir in unseren Einrichtungen zur Verfügung haben", sagte Allgeyer.

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