Corona-Pandemie:Wie es zur Renaissance des Schachspiels kam

Lesezeit: 3 min

Dank eines Serien-Hypes gibt es einen gewissen Ansturm auf die Schachbretter von Corinna Ulbrich. (Foto: Elena Kolb)

Die kleine Firma Ulbrich Spieledesign in Weisendorf bei Erlangen erlebt eine immense Nachfrage. Grund sind die Corona-Krise - und eine Netflix-Serie.

Von Elena Kolb, Weisendorf

Liebevoll streicht Corinna Ulbrich über die wertvollen Hölzer, die sie für die Herstellung von Schach- und Backgammonbrettern aussucht. Im Betrieb Ulbrich Spieledesign in Weisendorf bei Erlangen arbeitet sie mit Edelhölzern von Roter Zeder, Mango oder Roseneiche. Der Betrieb ist deutschlandweit der einzige, der die Oberflächen der Spielbretter noch in Handarbeit fertigt. 4000 bis 6000 Bretter werden in normalen Jahren aus Weisendorf an Kunden auf der ganzen Welt verschickt. Aber die vergangenen Monate waren nicht normal: In Pandemie-Zeiten gab es einen außergewöhnlichen Schachbrett-Verkaufsboom - Grund war neben Corona auch eine Netflix-Serie.

Die Protagonistin der US-amerikanischen Serie "Das Damengambit" Elizabeth Harmon entdeckt als junges Waisenmädchen das Schachspiel für sich. Im Verlauf der Mini-Serie spielt sie sich erfolgreich von Schachturnier zu Schachturnier. Dabei stehen nicht nur König und Dame im Fokus - die Geschichte handelt auch von Emanzipation und Erwachsenwerden. Zum Serienstart im Oktober 2020 war "Das Damengambit" die meistgesehene Mini-Serie auf Netflix. Millionen Zuschauer weltweit begeisterten sich für die zielstrebige Beth Harmon.

"Das war genau die richtige Serie zur richtigen Zeit", sagt Bernd Ohlmann, Sprecher beim bayerischen Handelsverband. Der Serienstart während Corona habe genau zum Trend zu Gesellschaftsspielen im Lockdown gepasst: "Die Leute waren gezwungen, sich in ihre eigenen vier Wände zurückzuziehen und sie hatten wieder mehr Interesse am Spielen." Neben der großen Nachfrage nach Schach seien auch die Verkaufszahlen von Monopoly, Mensch-Ärgere-Dich-Nicht, Halma und Mühle stark gestiegen, sagt Ohlmann.

Im Betrieb Spieledesign in Weisendorf kannte man die Netflix-Serie anfangs gar nicht. Corinna Ulbrich erinnert sich an den Beginn des ersten Lockdowns im März 2020: "Am Anfang von Corona hatte ich eher Angst, dass wir den Betrieb komplett schließen würden müssen." Sie nahm trotzdem allen Mut zusammen und produzierte im Sommer Bretter für die Wintersaison vor. Und das hat sich gelohnt.

Der rasante Nachfrageanstieg begann im vergangenen Herbst. "Ab November ließen die Bestellungen nicht mehr nach. Wir hatten unglaublich viele Aufträge", sagt Ulbrich. In etwa die dreifache Menge im Vergleich zum Vorjahr habe der Betrieb verkauft. Gerade sei sie immer noch dabei, Aufträge aus dem Winter abzuarbeiten. Normalerweise sei vor Weihnachten immer mehr los, aber diesen riesigen Boom konnte sie sich nicht erklären. Der Hinweis auf die Netflix-Serie sei dann von einem niederländischen Zwischenhändler gekommen. Ulbrich schaute sich die Serie an. Und fand sie gut.

Ein Blick für die Hölzer

"Auch in meiner Familie spielen wir seit dem Beginn von Corona wieder mehr Gesellschaftsspiele", erzählt Ulbrich - fast täglich nach dem Abendessen. Ihre Lieblingsspiele im Moment seien Wizard, Pictures oder Codenames. Auch Backgammon mag sie gern, nur Schach steht nicht in der eigenen Spielesammlung. Aber dafür hält sie die Bretter jeden Tag in der Hand.

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Ihre Arbeit erledigt Ulbrich mit viel Bedacht. Die gelernte Schreinerin und Absolventin eines Holztechnik-Studiums kümmert sich um die Furnier-Hölzer. Aus den hauchdünnen Holzblättern fertigt sie die Intarsien, also die Oberflächen der Spielbretter an. Schwärmend steht sie vor der Auswahl ihrer edlen Hölzer: Dunkle Nusswurzel bilde einen guten Kontrast zu hellem Vogelaugenahorn. Oder sie kombiniere schwarz gefärbte Elsbeere mit Ahorn.

Gewissenhaft überprüft Ulbrich wie die Fasern verlaufen und ob es irgendwo ein Astloch gibt, das sie abschneiden muss. "Es war mir wichtig, in einem Beruf zu arbeiten, in dem ich nicht so sehr auf Normen achten musste, sondern meine Kreativität ausleben konnte", sagt Corinna Ulbrich. Ursprünglich wollte sie Innenarchitektin werden, blieb dann aber beim Holz hängen. "Die Arbeit mit dem Holz erdet mich", erzählt sie.

Ein Produkt mit langer Tradition

Nachdem sie die passenden Holzblätter für eine Produktionsreihe ausgewählt hat, werden diese zugeschnitten. Sie benutzt eine eigens für den Betrieb umgebaute Papierschneidemaschine. Ulbrich schneidet die Blätter in Streifen. Dabei ist es ihr wichtig, so wenig Reste wie möglich zu produzieren. Denn sie liebt ihr Holz und möchte nachhaltig arbeiten: "Ich habe eine tiefe Verbindung zur Natur und bin auch gerne zwischen den Bäumen im Wald."

Die Firma Ulbrich stellt Intarsien für Spielbretter her. (Foto: privat)

Nachdem das dünne Holz geschnitten ist, muss es für eine Weile gepresst werden. Erst wenn die Blätter gleichmäßig glatt gedrückt sind, folgt der nächste Arbeitsschritt: Ulbrich klebt Reihe für Reihe von hell-dunkel karierten Streifen aneinander. Nach und nach entsteht ein Schachbrett. Es ist noch ganz dünn. Nur 0,6 Millimeter. Das sind die Intarsien. Sie werden von Weisendorf weiter nach Österreich geschickt. In einem Partnerbetrieb werden sie auf ein Trägermaterial geleimt und weiterverarbeitet. Die Figuren für die Spielbretter des bayerischen Betriebs kommen handgefertigt aus Indien.

Der Familienbetrieb besteht in dritter Generation. 1949 gründete ihn Rolf Ulbrich. Er war der Großvater von Gottfried Ulbrich, dem Geschäftspartner von Corinna Ulbrich. Großvater Ulbrich musste zum Ende des Zweiten Weltkriegs aus Tschechien fliehen, wo er zwei Kaufhäuser geführt hatte. In Bayern begann er dann mit der Herstellung der Brettspiele. "Mein Großvater fragte sich, was es noch nicht gibt und was die Leute nach dem Krieg wohl brauchen würden", sagt Gottfried Ulbrich. Spiele waren es.

© SZ vom 19.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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