Artenvielfalt in Bayern:Wenn Bienenschützer und Bauern aufeinandertreffen

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Der Runde Tisch aus Politikern (wie hier Ludwig Hartmann von den Grünen), Umweltaktivisten und weiteren Verbänden traf sich in der Staatskanzlei. (Foto: dpa)
  • Am runden Tisch diskutieren Ministerpräsident Markus Söder, der Bauernverband und die Initiatoren des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" über eine mögliche Umsetzung.
  • Der Präsident des Bauernverbands signalisiert Kompromissbereitschaft.
  • Moderator Alois Glück spricht von einer "Riesenchance für ein anderes Naturverständnis".

Von Lisa Schnell und Wolfgang Wittl, München

Die Botschaft an Markus Söder ist zwar auf Englisch formuliert, aber trotzdem klar verständlich: "Markus, bee a hero", steht auf einem Plakat vor der Staatskanzlei. Für wen sich der Ministerpräsident heldenhaft einsetzen soll, ist nicht zu übersehen. Übergroße Bienen recken Plakate, und wer keinen Bienenhaarreif auf dem Haupt trägt, hält eine kleine Kuscheltierbiene in den Händen.

Auch einen Traktor haben die Initiatoren des Volksbegehrens zur Rettung der Bienen dabei. Auf Weisung eines Polizisten muss er auf die andere Straßenseite weichen, von ihren Forderungen aber rücken die Initiatoren keinen Deut ab. Der Gesetzestext, für den 1,75 Millionen Menschen unterschrieben haben, sei die Messlatte. "Drunter geht's nicht", sagt Agnes Becker von der ÖDP, die das Volksbegehren angestoßen hat und nun auf dem Weg zum runden Tisch ist, zu dem Söder am Mittwoch eingeladen hat.

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Ein paar Meter weiter kommt Beckers größter Gegenspieler an, Walter Heidl, Präsident des Bauernverbandes. Auch er sagt, was für ihn gar nicht geht: Nur die Bauern an den Pranger stellen. Doch Heidl signalisiert auch Kompromissbereitschaft. Das Volksbegehren enthalte nichts, worüber man nicht reden könnte. Das sind völlig neue Töne. Bislang hatte Heidl sich nur kritisch über den Gesetzentwurf geäußert. Es sind die ersten Zeichen der Entspannung, die hinter verschlossenen Türen ihre Fortsetzung finden werden. Doch davor gibt es noch kleinere Rempeleien.

Dreißig Teilnehmer stehen auf der Gästeliste der Staatskanzlei, darunter die Vorsitzenden des Landwirtschaftsausschusses und der stellvertretende Sprecher des Umweltausschusses, alle von CSU und Freien Wählern. Nur Rosi Steinberger, Vorsitzende des Umweltausschusses und von den Grünen, wurde nicht eingeladen. "Ganz mieser Stil", schimpft Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann.

Die Staatskanzlei bessert nach, auch Steinberger darf kommen. Sie fängt sich in der Sitzung prompt den ersten Ordnungsruf von Moderator Alois Glück ein, weil sie das Zitat eines Teilnehmers twittert. Auch das Spektakel mit dem Traktor wird in der Staatskanzlei skeptisch beäugt. So gehe man nicht in seröse Gespräche, heißt es. Doch der gute Wille, den Heidl bereits bekundet hat, ist bei allen Teilnehmern festzustellen.

Drei Stunden sprechen Befürworter und Skeptiker des Volksbegehrens miteinander. Alle legen ihre Positionen dar, manche können gar nicht glauben, was sie vom anderen hören. Bauernpräsident Heidl listet zwar ausführlich die Leistungen auf, welche die Landwirte schon jetzt für den Naturschutz erbrächten. Er sagt aber auch, die Bauern würden sich weiteren Maßnahmen nicht verschließen.

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So konstruktiv und ohne Schaum vor dem Mund, "nicht wiederzuerkennen" sei Heidl gewesen, staunt ein Teilnehmer. Bestätigt fühlen sich die Naturschützer auch durch Aussagen von Jürgen Vocke, dem Präsidenten des bayerischen Jagdverbands und früheren Landtagsabgeordneten der CSU. Austritte habe es im Verband gegeben, weil er sich gegen das Volksbegehren ausgesprochen hatte, soll Vocke erzählt haben.

Zu Beginn hatten die Organisatoren des Volksbegehrens betont, dass sie nicht ein Gesetz gegen, sondern für die Landwirte anstreben. Auch das trägt zum friedlichen Miteinander bei. Ministerpräsident Söder übernimmt nur die Begrüßung, dankt allen Teilnehmern für ihre Bereitschaft - und hört fortan zu. Auch die drei Minister halten sich zurück. Michaela Kaniber (Landwirtschaft) und Thorsten Glauber (Umwelt) schweigen wie Hubert Aiwanger (Wirtschaft). Die Staatsregierung ist offensichtlich um Demut bemüht, die Leitung der Gespräche liegt nun in den Händen von Alois Glück, dem früheren Landtagspräsidenten. Eine "Riesenchance für ein anderes Naturverständnis" in ganz Bayern biete dieser runde Tisch, wirbt Glück. Niemand würde es wagen, zu widersprechen.

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Die Pressekonferenz bestreiten dann nicht nur Söder und Glück, auch Agnes Becker und Walter Heidl sind mit dabei. Auch das ist als Demonstration des versöhnlichen Miteinanders zu verstehen. Söder spricht von seiner Hoffnung auf eine neue "kooperative Demokratie" in Bayern, von der Chance auf "einen neuen Gesellschaftsvertrag, der nicht nur die Landwirtschaft betrifft". Er habe viel positive Energie gespürt und viel fachliche Kompetenz, sagt Söder: "Wir nehmen das Volksbegehren sehr ernst. Das Anliegen ist auch unser Anliegen." Die Regierung wolle Artenschutz nicht gegen jemanden machen, "sondern fair, praxisgerecht und finanzierbar". Wenig später berichtet Söder im Landtag seiner CSU-Fraktion von dem Treffen. Seine Aufgabe als Parteichef wird es sein, die vielen internen Zweifler mitzunehmen.

Alois Glück hat diese Fraktion viele Jahre lang geleitet. Seine Autorität als Moderator ist unbestritten - bei Unterstützern wie auch Kritikern des Volksbegehrens. "Das ist eine ungeheuer komplexe fachliche Materie", sagt Glück. Er sieht vor allem den Staat, die Kommunen und Kirchen mit ihren vielen Grundstücken in der Pflicht. Es dürfe keine Sündenböcke geben, es brauche gemeinsame Lösungen. Fachkommissionen will er einsetzen, Experten aus Wissenschaft und Behörden einbinden und Gespräche mit den Beteiligten führen - das erste soll dem Vernehmen nach bereits am Mittwoch mit Becker im Prinz-Carl-Palais stattgefunden haben.

Die Zeit drängt. Bis Ende April muss die Staatsregierung ihre Stellungnahme abgegeben haben, der Volksentscheid ist für Herbst geplant. Der Zeitdruck sei schwierig, aber auch heilsam, sagt Glück: "Man muss zu Ergebnissen kommen." In spätestens einem Monat soll die Runde wieder zusammenkommen.

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Seine Aufgabe sei es nicht, einen Gesetzentwurf zu entwickeln, sondern eine breite Basis zu schaffen, stellt Glück klar. Das Gesetz müssten schon diejenigen machen, "die legitimiert sind". Auch Söder sieht das so. Man wolle keine Vorgaben machen, sondern Ideen entwickeln. Das Gesetz müsse der Landtag erarbeiten. "Der Ball liegt jetzt bei den Fraktionen von CSU und Freien Wählern", sagt Richard Mergner (Bund Naturschutz).

Auch andere Initiatoren fragen sich, ob sich die Regierungspartner trauen, einen fraktionsübergreifenden Entwurf zu starten. Dann sitzen womöglich auch die Fraktionen am Tisch, die bislang außen vor sind. SPD-Fraktionschef Horst Arnold musste sich am Mittwoch noch damit begnügen, seine Unterstützung durch eine Krawatte mit Insektenaufdruck zu zeigen.

Wenn Gesetzentwürfe besprochen werden, müssten alle dabei sein, fordert Grünen-Sprecher Hartmann. Sie werden dann aber feststellen, wie groß der gesetzgeberische Einfluss auf die Landwirtschaft bereits aus Berlin und Brüssel ist. Die CSU verweise ja gerne auf ihren Einfluss im Bund und in Europa, sagt Agnes Becker. Das könne sie nun beweisen.

Mit einem guten Gefühl gehen die Teilnehmer nach ihrem ersten Treffen auseinander. "Alle haben das Zusammenführende betont und nicht das Trennende", lobt Hartmann. Niemand sieht unüberbrückbare Hindernisse. Auf die Frage, ob sie nun an eine gemeinsame Lösung glaubten, antworten Glück und Heidl: Ja, sie seien zuversichtlich. Sie hoffe das Beste, sagt Agnes Becker. Und Markus Söder? "Das wird noch eine Menge Arbeit."

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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