Das Dröhnen der Rettungshubschrauber und das Heulen der Sirenen sind verstummt, stattdessen brummen Wasserpumpen. Die Helfer räumen am Donnerstag fort, was die Flut durch die Innenstadt von Simbach am Inn gespült hat: Bäume, Steine, Autos, Hausrat, Schutt und jede Menge Schlamm.
Oft stehen ihnen dabei Schaulustige im Weg. Die ersten Gaffer seien bereits vergangene Nacht aufgetaucht, sagt Christian Biedermann vom Polizeipräsidium Niederbayern. "Diese Leute wollen sich am Leid anderer Menschen ergötzen, so drastisch muss man das sagen." Die Polizei versucht das im Moment zu verhindern, will notfalls Platzverweise aussprechen. Doch das sei nicht so einfach bei einem Katastrophengebiet, das insgesamt doppelt so groß wie der Chiemsee ist.
Außerdem sollen Schaulustige keine Drohnen mehr über dem betroffenen Gebiet fliegen lassen, um zu filmen. Die Fluggeräte könnten die Arbeit der Rettungshubschrauber massiv gefährden. "Wir werden im Falle von Drohneneinsätzen, die rechtlich nicht zulässig sind, die nötigen juristischen Schritte unternehmen", sagte Michael Fahmüller, der Landrat von Rottal-Inn.
Hochwasser in Niederbayern:Wie die starken Regenfälle entstehen
Es ist kein Zufall, dass die Wochen nach Pfingsten besonders unwetter- und hochwasserträchtig sind.
Drei Tote hatten Taucher nach der verheerenden Überschwemmung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in Simbach gefunden. Nach Angaben des Polizeisprechers handelte es sich um drei Mitglieder einer Familie - eine 56-jährige Frau und deren 28-jährige Tochter sowie die 78-jährige Großmutter. Bewohner der oberen Stockwerke, die gerettet werden konnten, hatten auf die vermissten Bewohner im Erdgeschoss aufmerksam gemacht.
In Julbach, wenige Kilometer von Simbach entfernt, wurde ein viertes Todesopfer aus einem Bach gezogen. Die Frau hing über einem Baumstamm. Die 80-Jährige sei offenbar weggeschwemmt worden, als ihr Haus einstürzte. Donnerstagvormittag wurde nach Polizeiangaben dann in Simbach noch die Leiche eines 75-jährigen Mannes geborgen.
Unklar ist, ob die Helfer im Laufe des Tages weitere Todesopfer finden werden. Ebenso wenig weiß man im Landratsamt des niederbayerischen Landkreises Rottal-Inn, wie viele Menschen verletzt wurden. "Es ist alles ein großes Chaos", sagt eine Sprecherin. Noch immer werden einige Menschen vermisst, eine genaue Zahl konnte der Landrat jedoch nicht nennen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Angehörigen der Opfer der Unwetterkatastrophe ihre Anteilnahme ausgesprochen. Die Bundesregierung trauere um die Menschen, für die Hilfe zu spät gekommen sei und sie trauere mit den Angehörigen, sagte Merkel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Merkel sagte weiter, sie verfolge die Entwicklungen in den Katastrophengebieten in Süddeutschland, in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen genau. Das Bundesinnenministerium stehe im Kontakt mit den Behörden der betroffenen Ländern. Die Katastrophenhilfe von Bund und Ländern sei in vielen Orten im Einsatz, um zu helfen und wieder aufzubauen. Auch diese Notsituation zeige, "wie wir in Deutschland zusammenhalten".
Plünderer wollten das das Leid anderer ausnutzen
"Die Polizei hat bereits zwei Plünderer aus dem Bereich Salzburg festgenommen, die das Leid der Menschen in Simbach am Inn ausnutzen wollten", sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in Eggenfelden. "Das ist unbegreiflich und schändlich." Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) versprach indes eine Soforthilfe für Betroffene. "Ähnlich wie beim Hochwasser 2013 werden wir 1500 Euro zur Verfügung stellen", sagte er nach einem Überflug über das Katastrophengebiet.
Zwar hat es in der Nacht im Landkreis nicht weiter geregnet. Doch für Donnerstag erwartete der Deutsche Wetterdienst erneut unwetterartige Mengen an Niederschlag, besonders im Landkreis Passau.
Die Schäden sind verheerend
Klar ist, dass in Simbach - und auch in den anderen betroffenen Gemeinden wie Triftern - nach diesem Tag nichts mehr so sein wird, wie es einmal war. 9000 Haushalte waren ohne Strom. In Simbach wurden Autos und Bäume weggespült. Die Schäden sind verheerend und liegen nach ersten Schätzungen in zweistelliger Millionenhöhe. Ganze Wohnsiedlungen sind völlig verwüstet und wohl bis auf Weiteres unbewohnbar.
Die Gartenstraße liegt direkt am Inn und muss ein hübsches Wohnviertel gewesen sein, bevor die Flut kam. Danach ist es nur schwer vorstellbar, wie Familien dort wieder leben können. Autos liegen auf dem Dach, Kinderrutschen und Trampoline sind überschwemmt - und Boote der Wasserwacht fahren dort, wo früher einmal Straßen und Vorgärten waren. "Hallo, hallo", rufen die Helfer - für den Fall, dass sich noch Menschen in den überschwemmten Häusern befinden.
Das Bürgertelefon des Landratsamtes Rottal-Inn ist erreichbar unter: 08561/ 20-725.