Ärzteausbildung:Eine Uniklinik für Niederbayern

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  • SPD und FDP fordern in einem gemeinsamen Antrag eine medizinische Fakultät in Passau.
  • Gesundheitsministerin Melanie Huml reagiert verhalten auf den Vorstoß, Lokalpolitiker unterstützen die Initiative.

Von Andreas Glas, Anna Günther und Lisa Schnell, München

Die Umwandlung des Augsburger Klinikums zum Universitätskrankenhaus wird zum Jahreswechsel vollzogen, da kommen von SPD und FDP bereits Forderungen nach einer weiteren Uniklinik. Die Argumente ähneln sich, die Ziele auch: Digitalisierung in der Medizin sei ein wichtiger Schwerpunkt, und in einer alternden Gesellschaft müssten dringend mehr Ärzte ausgebildet werden, um auch auf dem Land die medizinische Versorgung zu sichern. Deshalb solle in Niederbayern eine Uniklinik entstehen - und an der Universität Passau eine medizinische Fakultät.

Die Fraktionen von SPD und FDP haben nun einen entsprechenden Antrag im Landtag eingereicht und verweisen auf den Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern. Darin steht, dass die Zahl der Medizinstudienplätze in den kommenden fünf Jahren auf 2000 steigen soll. Aus Sicht der Liberalen und der SPD geht das nur mit einer neuen Fakultät in Niederbayern. Zumal es in allen anderen Regierungsbezirken bereits Studienangebote für Mediziner gebe. Derzeit gibt es sechs Unikliniken: zwei in München, je eine in Erlangen, Würzburg, Augsburg und Regensburg. Knapp 13 000 Medizinstudenten lernten 2017 an den zugeordneten Unis. Die Forderung nach Gleichbehandlung schwingt im Antrag mit: "Lediglich für Niederbayern gibt es offensichtlich keine von der Staatsregierung verfolgten Konzepte", heißt es. Sogar von "Vernachlässigung" ist die Rede.

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Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) will sich nicht auf ein Ja oder Nein zu Passau festlegen. Sie verweist auf den Medizincampus Oberfranken als Modell. Dort sollen 100 Medizinstudenten bis zum vierten Semester an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen (FAU) ausgebildet werden, um den klinischen Teil des Studiums am Klinikum Bayreuth zu absolvieren. Im Wintersemester 2019 geht es los. Huml möchte abwarten, wie sich dieser Campus entwickelt. "Dann kann man überlegen, ob es auch in Niederbayern ein ähnliches Modell geben kann." Ob dies in Passau sein wird, wollte sie nicht sagen.

Doch ist die Staatsregierung überhaupt bereit, in einen neuen Medizin-Standort zu investieren? Augsburg kostet bis 2023 etwa 730 Millionen Euro, plus jährlich 100 Millionen für den Betrieb. Geplant sind zudem Milliardenprojekte wie die Technische Uni in Nürnberg. Zwar fordert auch Ärzte-Präsident Gerald Quitterer eine medizinische Fakultät für Passau, aber so dramatisch wie SPD und FDP es schildern, ist die Lage in Niederbayern nicht. In Deggendorf soll ein Medizincampus auf dem Grund des Klosters Metten entstehen. Die Regierung von Niederbayern will in Kooperation mit der im österreichischen Krems ansässigen Privatuniversität 20 Medizinstudenten ausbilden. Die Technische Hochschule Deggendorf (THD) plant, in Metten Studiengänge der Fakultät für Angewandte Gesundheitswissenschaften anzusiedeln. Vier Bachelorstudiengänge gibt es bereits. Dazu kommen je zwei englischsprachige Bachelor- und Masterstudiengänge am European Campus in Pfarrkirchen, der zur THD gehört.

Die Zahl der Studenten medizinischer Fächer wäre mit 1500 Plätzen in Augsburg, 100 in Bayreuth und 100 an Hochschulen ausgebildeten Hebammen beinahe schon erfüllt. Für das Lieblingsargument vieler Politiker, junge Mediziner ließen sich dort nieder, wo sie studiert haben, gibt es für Bayern erste Anhaltspunkte, aber keine Studien. Huml versucht Studenten mit Stipendien und intensiver Betreuung dafür zu gewinnen, in einer Region den Facharzt zu machen und zu bleiben. Das Projekt "Beste Landpartie Allgemeinmedizin" lief erst an. Für Augsburg hat eine Studie die Wirkung einer Uniklinik aufgezeigt: Mit Jobs und Menschen kommen Verkehr und höhere Mieten.

Auch Niederbayerns CSU-Chef Andreas Scheuer ist skeptisch. Das Passauer Klinikum sei zu klein. "Wir haben nicht einmal die Flächen. Es ist nichts vorbereitet vonseiten der Stadt", sagte er der Passauer Neuen Presse. Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) sieht das entspannter. Ihm würde eine Medizin-Fakultät in seiner Stadt gefallen. Er ist sich sicher, dass die Stadt "zur rechten Zeit" ein Grundstück dafür findet. Und Deggendorfs Landrat Christian Bernreiter (CSU) hat eine Idee parat, wie man das Problem der kleinen Passauer Klinik lösen könnte: einfach die Deggendorfer Klinik dazunehmen. "Wenn überhaupt, geht das nur mit uns und nicht gegen uns", sagt Bernreiter. Eine Kooperation kann sich auch der Passauer Oberbürgermeister vorstellen. Aber zuerst brauche man ein Konzept, sagt Dupper. Eines, das sich an der Exzellenz orientiere, fordert auch Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU). "Konzept, Kooperationen, kommunale Beteiligung" - all dies müsse "zunächst geklärt werden".

Die Passauer Uni-Präsidentin Carola Jungwirth will deshalb schon bald Mediziner engagieren, um "ein völlig neues Berufsbild" zu entwickeln. An einer Medizin-Fakultät, sagt Jungwirth, könnten die Stärken der Passauer Uni vereint werden: die Themen Digitalisierung und Existenzgründung. So sollen neue Arbeitsmodelle entstehen, die den Beruf des Arztes im ländlichen Raum attraktiver machen. Etwa Versorgungszentren, in denen mehrere Hausärzte zusammen arbeiten und die Digitalisierung etwa bei der Diagnostik nutzen, um effizienter zu werden. Beides soll dazu beitragen, die Belastung für Landärzte zu reduzieren und dadurch die Attraktivität ihres Berufs zu steigern.

© SZ vom 12.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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