Trachten-Hersteller im Lockdown:Hochzeiten und andere Glücksfälle

Lesezeit: 3 min

Karolina Weiß fertigt neue Kleidung für ihre Stammkunden an. (Foto: Nila Thiel)

Die Wiesn steht wieder auf der Kippe, individuelle Beratung beim Verkauf von Dirndln ist im Lockdown kaum möglich. Händler und Hersteller von Trachten müssen notgedrungen andere Geschäftsfelder erschließen.

Von Valentina Mendez-Höcherl, Starnberg

Alte Ware raus, neue Ware rein. So hatte Anfang März die Wiedereröffnung des Trachtengeschäfts "Hembergers Tracht & Zeitlos" in Herrsching begonnen. Und Click & Meet habe sich dabei gut bewährt, sagt die 28-Jährige Monika Hemberger. "Ich würde sagen, dieses System hätte für uns Perspektiven, damit kann man sich gut halten", so die Inhaberin des Geschäfts. Weil die Inzidenzwerte im Landkreis Starnberg weit über 100 gestiegen sind, ist diese Corona-Regelung für den Einzelhandel allerdings wieder gestrichen: Vom Mittwoch vor Ostern an gilt wieder Click & Collect: Kunden können die Ware an der Ladentür abholen, das Betreten von Geschäften ist aber untersagt. Der Haken: Diese Variante funktioniere nicht gut, denn individuelle Beratung sei beim Kauf einer Tracht wichtig, sagt die Andechserin. In diesen harten Zeiten wünscht sich Hemberger eine Glaskugel: "Damit man weiß, was passiert. Die Perspektivlosigkeit ist nämlich das Schlimmste."

Hersteller und Händler von Trachtenmode leben schon seit einem Jahr im Ungewissen. Bayerische Tracht wird hauptsächlich für die Wiesn und für Frühlingsfeste, für Hochzeiten und Taufen gekauft. Doch inzwischen steht das Oktoberfest schon wieder auf der Kippe. Hemberger bekümmert das nicht allzu sehr, ihre Klientel sind weniger die Wiesngänger. Doch auch sie sagt: "Der erste Lockdown letztes Jahr war ein ziemlicher Schock, der hat die komplette Starkbiersaison und den ersten Mai zerhagelt." Damals habe sie damit begonnen, ihren Kunden und Kundinnen Gutscheine anzubieten. Und die Leute seien nach der ersten Pandemiewelle zurück zu ihr ins Geschäft gekommen, um das Familienunternehmen mit einem Einkauf zu unterstützen. Hemberger hatte noch Glück im Unglück, ihr Laden hat im vergangenen Jahr nur 30 Prozent Umsatzeinbußen gemacht.

Barbara Fleischmann-Tarabochia trägt einen Strickhoodie und zeigt mit ihrer Geschäftspartnerin Ute Lehmann ihre Maßanfertigungen. (Foto: Nila Thiel)

Beim Label "Fischer-Dirndl" von Barbara Fleischmann-Tarabochia und Ute Lehmann aus Tutzing war der Verlust mit rund 60 Prozent erheblich höher. "Unser Kerngeschäft sind die Maßanfertigungen und die individuelle Kundenberatung. Die Leute hatten keinen Anlass und selbst wenn, dann war eine Terminvereinbarung wegen der Regelungen oder der Angst der Menschen nicht möglich", sagt Lehmann. Immerhin, der Lockdown spornte die Kreativität der Fischer-Dirndl an, sie erneuerten ihre Website und installierten einen Online-Shop. "Corona hat die Idee beschleunigt", sagt Fleischmann-Tarabochia. Im April soll zum Start eine Strickhoodie-Kollektion für Frau und Mann online gehen.

Regionalität sei ihnen bei dem neuen Projekt am Wichtigsten. "Wir haben nach Herstellern in Bayern gesucht und sind dann in Niederbayern gelandet. Da gibt es eine alte Traditionsstickerei, mit der wir das Design entwickelt haben", so Lehmann. Mit Kooperationen wie dieser unterstützten sie auch das Handwerk der Schneider und Schneiderinnen.

Monika Hemberger freut sich über die Nachfrage bei Brautkleidern. (Foto: Nila Thiel)

Karolina Weiß aus Starnberg ist eine regionale Schneiderin, auch sie leidet unter der Pandemie. Vor der Corona-Krise habe sie unterschiedliche Standbeine gehabt, der Fasching bedeutete für sie zum Beispiel Hochsaison. Doch anstatt Hunderte von Faschingskostümen anzufertigen, konnte sie auch heuer wieder nur Däumchen drehen. Münchner Modefirmen sind zum Großteil lahmgelegt, vor der Pandemie fertigte Weiß für diese Unternehmen nämlich Musterteile für Kollektionen an - diese Arbeit fällt nun flach.

Mit der Anfertigung von Stoffmasken manövrierte sich die Schneidermeisterin durch den ersten Lockdown, aber die Entscheidung, FFP2-Masken vorzuschreiben, machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Ihre einzigen Unterstützer in dieser schweren Zeit waren ihre langjährigen Kunden aus dem Umkreis Starnberg: "Gott sei Dank gab es ein paar Aufträge von Stammkunden. Ihre Maße hatte ich schon, und so war die Anfertigung auch ohne Termin möglich."

Momentan fragen ihre Kunden und Kundinnen besonders wegen Neuanfertigungen von Alltagsmode nach. Die Leute wollten auch im Lockdown nicht ungepflegt herumlaufen, "manche ziehen sich halt jetzt zum Einkaufen schick an", sagt Weiß. Die sich ständig ändernden Corona-Regelungen sieht sie gelassen: "Man muss es nehmen, wie es kommt, planbar ist es einfach nicht. Da muss man flexibel und spontan sein."

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Die Modebranche leide in Pandemie-Zeiten zwar, aber Hochzeiten sind für die Fischer-Dirndl, für Karolina Weiß und Monika Hemberger Glücksfälle. 90 Prozent der Kundschaft im März waren bei Hembergers "Tracht & Zeitlos" Brautpaare. 2020 war die Nachfrage nach schlichten Brautdirndln größer: nach Kleidern, die man eventuell auch nach der Hochzeit tragen kann. Jetzt wollen die Bräute schon bei der standesamtlichen Trauung festlich in Weiß gekleidet sein. Eine Braut, die sich an die Fischer-Dirndl gewandt hatte, wollte es besonders elegant: Ihr Hochzeitskleid "ist ein dreiteiliges Ensemble mit dem Mieder in Gold, einem cremeweißen Seidenrock und einer burgunderrote Schürze dazu", sagt Fleischmann-Tarabochia. Das Ganze könne die Frau auch ohne Schürze tragen, zum Beispiel als Abendkleid.

Dass sich Paare auch von Corona nicht von der Hochzeit abhalten lassen, freut Fleischmann-Tarabochia. Das sei ein Lichtblick in dieser trüben Zeit, sagt sie.

© SZ vom 31.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Trachtenmode in der Pandemie
:Keine Dult, kein Dirndl

Thomas Grasegger verkauft und produziert Trachtenmode. Abgesagte Volksfeste bedeuten für seine Branche einen Totalausfall. Noch hält der Unternehmer durch, aber sein Zorn auf die Politik steigt.

Von Matthias Köpf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: