Staatskanzlei:Hat Seehofers engste Vertraute auch bei Söder das Sagen?

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Staatsrätin Karolina Gernbauer gehört zu Horst Seehofers wichtigsten Leuten. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Karolina Gernbauer ist die höchste Beamtin im Freistaat, sie gilt als wandelndes Lexikon der Regierung.
  • Für sie erfand Horst Seehofer eine Stelle, die es so bislang nicht gab: Er beförderte sie zur Staatsrätin, wofür sogar ein Gesetz geändert werden musste.
  • Obwohl sie Horst Seehofers engste Vertraute ist, schätzt auch Nachfolger Markus Söder ihre Kompetenzen sehr.

Von Wolfgang Wittl, München

Man hätte denken können, nun sei wirklich alles gesagt. Eine halbe Stunde hatte Horst Seehofer bereits gesprochen, er tat sogar das, was er nie getan hatte: In aller Öffentlichkeit dankte er seiner Familie für die Rücksicht, die sie seinem Amt als Ministerpräsident zuliebe auf sich genommen habe. Dann wünschte er Gottes Segen, alles Gute, weg war er von der Bühne. Kaum hatten die Musiker ihr erstes Stück gespielt, stand Seehofer aber wieder oben. Eines wolle er nun doch noch loswerden, sagte er. Und zwar den Dank an eine Person, die er neben sich ans Mikrofon rief und der anzusehen war, dass sie lieber im Hintergrund geblieben wäre. So wie sie es eben immer hält - und wie es ihre Stellenbeschreibung erfordert.

Jeder im Saal merkte: Mit dieser Würdigung ist es Seehofer, dem ambitionierten Spötter, durchaus ernst. Aber längst nicht jeder beim Neujahrsempfang in der Residenz kannte das Gesicht dieser Frau, die der Ministerpräsident da mehr lobte als alle Kabinettsmitglieder zusammen. Es gehört Karolina Gernbauer, der Amtschefin der bayerischen Staatskanzlei. Gernbauer, 55, ist die höchste Beamtin im Freistaat. Sie ist das Scharnier zwischen politischer Ankündigung und praktischer Umsetzung. Sie ist die Managerin der Macht.

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Wie groß seine Wertschätzung ist, zeigte Seehofer vor zwei Jahren

Seit Wochen wird gerätselt, welches Kabinett der designierte Ministerpräsident Markus Söder beruft, wenn er Seehofer bis spätestens Ende März nachfolgen soll. Mindestens so wichtig ist die Frage, wer künftig an der bayerischen Verwaltungsspitze steht. Nur wenige Staatsminister können es mit der Bedeutung Gernbauers aufnehmen. Seehofer vertraut ihr wie kaum jemandem sonst, sie ist der wandelnde Almanach seiner Regierungsarbeit. Kabinettssitzungen beginnen erst, wenn Gernbauer anwesend ist. So lange wird gewartet.

Wie groß seine Wertschätzung ist, zeigte Seehofer vor gut zwei Jahren. Er beförderte Gernbauer zur Staatsrätin - eine Stelle, die er eigens erfand und für die deshalb sogar ein Gesetz geändert werden musste. Besoldungsstufe B 10, etwa 12 500 Euro im Monat, vergleichbar einem Admiral bei der Bundeswehr. Kann eine wie sie, die auf Seehofers Kommandobrücke steht, auch dessen Erzrivalen Söder dienen?

Als Söder vor gut sechs Jahren vom Umwelt- ins Finanzministerium wechselte, sprachen manche von einer "Hausbesetzung", weil er mit großem Gefolge einmarschierte. In die Staatskanzlei wird Söder zunächst seinen engsten Stab mitnehmen, eine Handvoll arbeitswütiger Vertrauter, die ihn immer begleiten: Büroleiter, Fahrer, Sekretärin, Öffentlichkeitsmitarbeiter und eine Sprecherin seit Nürnberger Tagen. Auch sein Amtschef Wolfgang Lazik zählt zu dieser Riege, Söder holte ihn umgehend vom Umwelt- ins Finanzressort nach. Lazik gehört zur Elite der Verwaltung, arbeitete für Gauweiler, Streibl und Stoiber, der Wechsel in die Staatskanzlei wäre die Krönung seiner Beamtenlaufbahn. Doch Mitarbeiter bezweifeln, ob Lazik, 61, diesen letzten Schritt überhaupt noch gehen will. Aus Söders Umfeld ist vielmehr zu hören, der Chef werde sich in der Staatskanzlei auf eine Spitzenkraft verlassen, die er ebenfalls gut kenne: Karolina Gernbauer.

Schon Stoiber verließ sich auf Gernbauer

Horst Seehofer war eine Ausnahme, als er 2008 als neuer Ministerpräsident zunächst den Stab seiner Vorgänger Edmund Stoiber und Günther Beckstein übernahm. Eineinhalb Jahre später war es um Stoibers Einflüsterer geschehen: Sie wurden in verschiedene Ministerien versetzt, an ihrer Stelle wurde Gernbauer als erste Frau an die Spitze der Staatskanzlei berufen. Abgeben musste sie ausgerechnet Seehofers damaliger Umweltminister, Söder.

Auch Stoiber verließ sich auf Gernbauer. 1993 kam die Top-Juristin erstmals in die Staatskanzlei, Stoiber wurde auf sie aufmerksam, holte sie sechs Jahre als persönliche Referentin an seine Seite. Als Gernbauer die bayerische Vertretung in Brüssel leitete, zog Stoiber sie nach nur drei Monaten wieder ab und beorderte sie ins Umweltressort - als Krisenmanagerin sollte sie den im Gammelfleischskandal taumelnden Minister Werner Schnappauf stützen. Unter Söder arbeiteten Gernbauer und Lazik gemeinsam im selben Haus, Gernbauer zuständig für Umwelt und Verbraucherschutz, Lazik für Gesundheit.

Was geschieht unter Söder mit Staatskanzleichef Marcel Huber?

Mitarbeiter schildern Gernbauer als souverän, freundlich, durchsetzungsstark, loyal und durch und durch diskret. Wenn Journalisten mit ihr über ihre Zukunft reden wollen, bekommen sie herzliche Grüße übermittelt, aber keinen Gesprächstermin. Anweisungen formuliert sie wie Bitten, wenngleich mit niederbayerischem Charme - freundlich, hartnäckig, zielstrebig. Laut werden müsse sie nicht. Jedes Ministerium wisse, was ein Anruf Gernbauers bedeutet. Seehofer überlegte, sie zur Ministerin zu berufen, kam aber wieder davon ab. Vermutlich wollte sie das gar nicht - und ist als Amtschefin noch wertvoller.

Und was geschieht mit Staatskanzleichef Marcel Huber? Seine Zukunft ist so offen wie die aller Kabinettsmitglieder. Huber soll sich für das Landwirtschaftsministerium interessieren, auch Landtagspräsident könne ihm gefallen, sollte Barbara Stamm aufhören, heißt es in der CSU. Bei Gernbauer sind die Signale klarer. Bei der Klausur in Banz plauderte sie mit Söder auf dem Gang, seinem Zehn-Punkte-Programm lauschte sie so aufmerksam wie Seehofers Vortrag. Seehofer garnierte sein Lob am Neujahrsempfang übrigens noch mit einer Anekdote. Als er bei den Sondierungen bei einem Detail mal blank gewesen sei, habe Angela Merkel verständnislos gestutzt: Warum er das denn nicht wisse? "Du hast doch die Frau Gernbauer." Diese Karolina Gernbauer muss wirklich eine Alleskönnerin sein. Anders ist es kaum zu erklären, dass ein Mensch Seehofers und Söders Vertrauen gleichermaßen genießt.

© SZ vom 25.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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