Skandale:Staatsregierung und Landräte einigen sich auf neue Lebensmittelkontrolle

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Großbetriebe wie Bayern-Ei sollen künftig schärfer kontrolliert werden. (Foto: dpa)
  • Risikobetriebe sollen schärfer kontrolliert werden, um Skandale wie den um Bayern-Ei zu verhindern. Daher sind künftig die Bezirksregierungen für sie zuständig.
  • Für Bauernhöfe und regionale Lebensmittelbetriebe bleiben dagegen die Landratsämter verantwortlich.
  • Mit der Einigung haben sich die Landräte sowohl gegen den ORH als auch gegen Verbraucherschutzministerin Scharf durchgesetzt. Auch Amtstierärzte und Lebensmittelkontrolleure wandten sich gegen die Gründung einer neuen Kontrollbehörde.

Von Christian Sebald, München

Nach dem Lebensmittelskandal um die Firma Bayern-Ei haben sich die Staatsregierung und die Landräte auf eine Reform der Lebensmittelüberwachung verständigt. Im Zentrum steht die schärfere Kontrolle sogenannter Risikobetriebe, also von Tierhaltungen mit Tausenden von Hühnern oder Schweinen, aber auch von Großmetzgereien und Großbäckereien, die über den jeweiligen Landkreis hinaus agieren.

Für sie werden künftig die Bezirksregierungen zuständig sein statt wie bisher die Landratsämter. Für Bauernhöfe und regionale Lebensmittelbetriebe bleiben dagegen die Landratsämter verantwortlich. Mit der Einigung folgt der Freistaat nur in Teilen den Empfehlungen des Obersten Rechnungshofs (ORH). Der hatte Mitte Februar dringend dazu geraten, die Lebensmittelkontrolle ganz von den Landratsämtern abzuziehen und völlig eigenständige Kontrollbehörden aufzubauen.

Lebensmittelskandale seien absolute Ausnahmen, betont der Landrat

Umwelt- und Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf (CSU) verteidigt die Reformpläne. "Damit sind wir auf einem sehr guten Weg", sagt sie. "Die Landratsämter sind die sogenannten Risikobetriebe los, die für sie immer schwerer zu überwachen waren." Für diese werde man nun sehr zügig neue Kontrollbehörden an den Bezirksregierungen etablieren. "Das Alltagsgeschäft, also die Metzgerei um die Ecke und die Pommesbude, ist dagegen bei den Kreisbehörden bestens aufgehoben", sagt Scharf. "Allein schon wegen ihrer Bürgernähe." Überdies hätten die Landratsämter viel Erfahrung, was Beratung und Präventionsarbeit anbelangt - gleich ob sie sich an Firmen oder die Bevölkerung richten.

Auch der Deggendorfer Landrat und Präsident des Landkreistags, Christian Bernreiter (CSU), ist sehr zufrieden mit der Einigung. "Es waren sehr gute und konstruktive Gespräche", sagt er. "Wir waren von Anbeginn an bereit, die Zuständigkeit für die Risikobetriebe abzugeben. Denn natürlich ist auch uns Landräten klar, dass Skandale wie um die Firma Bayern-Ei Konsequenzen für die Lebensmittelüberwachung haben müssen."

Auf der anderen Seite, das betont Bernreiter vehement, seien die großen Lebensmittelskandale der Vergangenheit absolute Ausnahmen. "Zudem gingen sie meist mit einer ganz erheblichen kriminellen Energie einher", sagt Bernreiter, und dagegen könne keine Kontrollbehörde der Welt hundertprozentigen Schutz bieten. Die allermeisten kleinen und regionalen Bauernhöfe und Lebensmittelbetriebe "liefern dagegen sehr hohe Qualität in Sachen Verbraucherschutz", sagt Bernreiter. "Das gleiche gilt für unsere Amtsveterinäre und Lebensmittelkontrolleure." Deshalb forderten die Landräte von Anbeginn an und über alle Parteigrenzen hinweg, dass die Überwachung solcher Betriebe in ihrer Zuständigkeit bleibt. "Die Landratsämter", sagt Bernreiter, "müssen weiter die Anlaufstelle für alle staatlichen Aufgaben vor Ort sein."

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Mit der Einigung haben sich die Landräte sowohl gegen den ORH als auch gegen Verbraucherschutzministerin Scharf durchgesetzt. Der ORH hatte Mitte Februar dafür plädiert, die komplette Lebensmittelüberwachung - also für Risikobetriebe genauso wie für kleine, regionale Firmen - von den Landratsämtern abzuziehen und sie den Bezirksregierungen zu übertragen. Um die neuen Kontrollbehörden regional zu verankern, empfahl der ORH, ungefähr 25 Außenstellen zu etablieren, also eine für drei Landkreise. Scharf und ihre Fachleute übernahmen die Empfehlung des ORH.

So wie die Landräte liefen auch die Amtstierärzte und die Lebensmittelkontrolleure Sturm gegen die Gründung einer neuen Kontrollbehörde. Der Protest gipfelte Anfang Juni in einem Dringlichkeitsantrag an den Landtag, in dem die Freien Wähler genau jene Einigung forderten, die die Staatsregierung nun eingegangen ist. Damals lehnte die CSU sie noch ab. "Wir brauchen keinen unüberlegten Aktionismus", sagte der CSU-Abgeordnete Otto Hünnerkopf. "Parteipolitisches Taktieren bringt uns nicht weiter - erst müssen alle Optionen sorgfältig unter die Lupe genommen werden." In der vergangenen Woche erklärte Ministerpräsident Horst Seehofer bei einem Treffen mit den CSU-Landräten und Ministerin Scharf dann, dass es in jedem Fall eine Reform geben werde. Keine Veränderung sei keine Option, wurde er zitiert.

Anlass der Neuausrichtung ist der Skandal um die niederbayerische Firma Bayern-Ei. Sie wird für einen europaweiten Salmonellen-Ausbruch mit mehreren hundert Erkrankten und mindestes zwei Toten im Sommer 2014 verantwortlich antwortlich gemacht. In die Affäre verwickelt ist ein Amtsveterinär, der von der Salmonellenbelastung der Eier gewusst, aber nichts unternommen und die Firma sogar vor Kontrollen gewarnt haben soll. Ein Problem bei der Einigung über die neue Lebensmittelüberwachung dürfte die Abgrenzung der Risikofirmen von den sogenannten kleinen und regionalen Lebensmittelbetrieben werden. Landräte-Chef Bernreiter sicherte Scharf hierbei Unterstützung zu: "Natürlich werden wir für jeden Landkreis die Firmen benennen, die künftig von den Bezirksregierungen überwacht werden sollen."

© SZ vom 27.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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