Nach Pflege-Missständen:Neuer Geschäftsführer für Reha-Kliniken Lenggries und Bruckmühl

Lesezeit: 3 min

Die Fachklinik in Lenggries muss wegen gravierender Mängel zum 31. August schließen. (Foto: Manfred Neubauer)

Eine Fachklinik musste Mängel beseitigen, die andere gar ihre Pforten schließen: Wie der neue Chef das Vertrauen von Patienten und Behörden zurückgewinnen will.

Von Nina von Hardenberg

Die zuletzt wegen Missständen in die Schlagzeilen geratenen Reha-Kliniken Lenggries und Bruckmühl haben einen neuen Geschäftsführer. Die BBB Gesundheitsbetriebe Holding, der beide Kliniken gehören, haben Jens Brockmann mit dem Management der Fachkliniken betraut, von denen die eine - das Haus in Lenggries - wegen gravierender Mängel zum 31. August schließen muss. Brockmann kündigte an, dass er beide Kliniken mit einem neuen medizinischen Konzept und anderem Führungsteam völlig neu aufstellen werde.

Die Fachklinik für geriatrische Rehabilitation in Lenggries war im Juni wegen des Verdachts auf pflegerische Missstände und vorsätzliche Körperverletzung zunächst von der Polizei durchsucht worden. Bei anschließenden Kontrollen waren nach Angaben des Landratsamts Bad Tölz-Wolfratshausen dann "pflegerische Mängel, Unstimmigkeiten in den Dienstplänen und falsche Insulingaben" festgestellt worden. Das Landratsamt entzog der Klinik daraufhin die Betriebserlaubnis. Die Staatsanwaltschaft ermittelt dort gegen drei Personen eben wegen des Verdachts auf pflegerische Missstände und - hier geht es um die mutmaßlich falsche Insulin-Abgabe - auch auf vorsätzliche Körperverletzung.

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Im zweiten Haus der Holding in Bruckmühl, das vom gleichen Geschäftsführer Nikolaus Netzer geführt wurde, waren Anfang August bei Kontrollen ebenfalls Mängel festgestellt worden. Sie betrafen die Basishygiene, Patientendokumentation und Patientenversorgung. Diese sind aber laut dem dort zuständigen Landratsamt Rosenheim inzwischen "weitgehend abgestellt". Die Klinik war am vergangenen Freitag noch einmal geprüft worden. Dabei war unter anderem das Gesundheitsamt Rosenheim, der Medizinische Dienst und das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Haus. Mit positivem Ergebnis: "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachklinik haben in den vergangenen Wochen in einem großen Kraftakt Strukturen, Prozesse und Ausstattung deutlich verbessert", schreibt das Landratsamt in einer Pressemitteilung.

Die pflegerische Versorgung dürfte in Bruckmühl allerdings auch deshalb leichter gefallen sein, weil in dem 60-Betten-Haus zuletzt kaum noch Patienten waren. Derzeit sind es noch zwei. Die Klinik konnte unabhängig von den gefundenen Mängeln zuletzt keine Patienten aufnehmen, weil sie wegen des Verdachts auf multiresistente Keime vorübergehend unter Quarantäne stand. Außerdem gab es in dem eigentlich brandneuen Gebäude einen Wasserschaden.

Auch Bruckmühl nimmt derzeit keine Patienten auf

Nach Vorstellung des neuen Geschäftsführers soll auch dieses Haus deshalb derzeit keine weiteren Patienten versorgen. "Wenn wir hier Mitte Oktober wieder starten können, wäre das gut", sagte Brockmann. Für die Klinik in Lenggries wünscht er sich eine Wiedereröffnung Anfang nächsten Jahres. Das allerdings hänge von den Behörden ab. "Wir müssen uns da erst wieder Vertrauen erarbeiten", sagte er.

Zunächst will Brockmann ein neues Führungsteam für beide Häuser aufstellen und das neue medizinische Konzept Vertretern aus dem Landratsamt und Krankenkassen vorstellen. Der ehemalige Geschäftsführer und ärztliche Direktor Nikolaus Netzer hat sich aus der Klinik Lenggries zurückgezogen, in Bruckmühl ist er derzeit noch als Arzt tätig. Zuständig für das neue medizinische Konzept der Reha-Kliniken aber wird er nicht mehr sein. Dafür sei bereits ein renommierter Professor gefunden worden, sagt Brockmann. Brockmann selbst kommt von der auf den Gesundheitsmarkt spezialisierten Unternehmensberatungsfirma Oberender und kann auf deren Netzwerk zugreifen. Er setzt darauf, dass er schnell ein neues Führungsteam zusammenstellen kann.

Bayernweit fehlen mehr als 100 000 Pflegekräfte

Trotzdem dürfte es den Kliniken nicht leichtfallen, genügend Personal zu finden. Schließlich suchen Krankenhäuser und Pflegeheime in ganz Deutschland händeringend nach Mitarbeitern. Mehr als 100 000 Pflegekräfte fehlen nach Angaben des Verbands der Privatkrankenanstalten in Bayern derzeit. Im Kampf um Mitarbeiter haben es die überwiegend privat geführten Reha-Kliniken besonders schwer. Denn anders als in kommunalen Häusern gilt bei ihnen nicht der neu ausgehandelte höhere Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Pflegekräfte verdienen also häufig weniger. Reha-Kliniken, die die Gehälter anpassen, bekommen dies nicht automatisch von den Krankenkassen refinanziert.

Im Fall der Reha-Klinik Bruckmühl hatten sich Leser nicht nur über die aus ihrer Sicht schlechte Pflege, sondern auch über dramatisch zu wenig Personal und eingeschränkte Besucherzeiten in der Reha-Bruckmühl beschwert. Eine Angehörige berichtete, dass sie die Mutter nicht auf ihrem Zimmer, sondern nur zu festgelegten Zeiten in Besucherräumen besuchen durfte. Der bisherige Geschäftsführer Nikolaus Netzer hatte die Vorwürfe auf Anfrage der SZ zurückgewiesen. Die zeitweilig strengen Besucherregeln erklärte er mit Hygiene-Vorgaben. Man habe die alten und oft sehr kranken Bewohner vor Ansteckung schützen wollen.

Der neue Geschäftsführer nimmt die Beschwerden ernst und will ihnen auch im Nachhinein noch nachgehen. "Jede Beschwerde ist wichtig und richtig." Sie seien immer ein Hinweis darauf, das etwas falsch laufe - und sei es nur in der Kommunikation und Außenwirkung der Klinik.

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