Architekturgeschichte:Der bayerische Apostel der Schönheit

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Den "Blick auf Garmisch" (Ausschnitt) malte der Künstler Max Schultze um das Jahr 1890 herum. (Foto: Michael Preischl)

Max Schultze stand mehr als 40 Jahre lang in Diensten des Fürstenhauses Thurn und Taxis. In Sankt Emmeram hinterließ er Bayerns letzten Schlossbau. Eine Ausstellung in Regensburg widmet sich dem vergessenen Universalgelehrten.

Von Hans Kratzer, Regensburg

Im Jahr 1883, drei Jahre vor seinem Tod, hatte König Ludwig II. die an der Grenze zu Tirol gelegene Burgruine Falkenstein erworben. Dort wollte er eine romantische Märchenburg verwirklichen, die sogar Schloss Neuschwanstein an Größe und Pracht übertreffen sollte. Der König beauftragte Max Schultze (1845-1926), den Hofarchitekten des Hauses Thurn und Taxis in Regensburg, mit der heiklen Planung der Burg. Der ließ sogleich eine Wasserleitung und einen Weg anlegen, das Projekt aber blieb wegen des baldigen Todes des Königs letztlich ein Traum.

Dass Schultze für dieses Prestigeprojekt erkoren wurde, weist darauf hin, welch exzellenten Ruf er genoss. Heute steht zweifelsfrei fest, dass der gebürtige Partenkirchner als Künstler und Architekt seine Epoche nachhaltig geprägt hat, aber wie so viele andere Genies unverdienterweise in Vergessenheit geraten ist.

Max Schultze um das Jahr 1895, fotografiert von Bernhard Johannes. (Foto: Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv und Hofbibliothek)

Zum ersten Mal überhaupt werden Schultze und sein riesiges Lebenswerk nun in einer Ausstellung gewürdigt. Peter Styra, der Leiter des Zentralarchivs, der Museen und der Hofbibliothek des Hauses Thurn und Taxis, hegt keinen Zweifel, dass Schultze zu den bedeutendsten Architekten und Künstlern in Bayern zu zählen ist. Für Styra verkörpert er den klassischen Polyhistor, wie es ihn heute nicht mehr gibt. Das waren Menschen, die auf vielen Gebieten wissbegierig, gebildet und erfolgreich waren. Schultzes Universalität spiegelt sich in der Vielfalt der Ausstellung wider, für die mehr als 40 Wissenschaftler, Naturschützer, Sammler und Fotografen ihre Forschungsergebnisse sowie Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle, Pläne, Fotos und Möbel zusammengetragen haben. Fotoapparat, Papier und Bleistift waren Schultzes ständige Begleiter bei Bergtouren sowie bei Dienstreisen zu den Besitzungen der Familie Thurn und Taxis in Kroatien.

Auch als Natur- und Heimatschützer war Schultze ein Vorreiter. Über die sich damals formierende Heimatschutzbewegung ist freilich noch viel zu wenig bekannt. Die Regensburger Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer erinnert in ihrem Vorwort zum Katalog daran, dass Schultze anno 1906, was damals nicht selbstverständlich war, elf Grundstücke mit artenreichem Magerrasen erwarb, die er der Stadt mit der Auflage schenkte, sie weder zu verkaufen oder zu verpachten, noch sie in eine Parkanlage zu verwandeln.

Von 1872 an stand Schultze 40 Jahre lang in Diensten des Fürstenhauses Thurn und Taxis. "Er prägte das Schloss wie kein Zweiter", sagt Styra, der gemeinsam mit Thomas Feuerer vom Historischen Verein den Plan einer Ausstellung fasste, die schließlich in einer Kooperation des Hauses Thurn und Taxis, der Stadt Regensburg, des Historischen Vereins und der Uni Regensburg realisiert wurde. In der Rückschau wird deutlich, das Schultze beim Bau des Südflügels von Schloss St. Emmeram vom Türknopf bis zu den Dachschindeln und Möbeln alles selber geplant hat. Der zwischen 1883 und 1888 errichtete und 165 Meter lange Riegel war der letzte Schlossbau in Bayern und das größte Werk, das der Architekt Schultze hinterließ. Unter anderem errichtete er auch das Hohenzollernpalais in München sowie die Regensburger Hütte im Grödnertal.

Der Ausführungsplan der Alleefassade des 165 Meter langen Südflügels von Schloss St. Emmeram in Regensburg, um 1883. (Foto: Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv und Hofbibliothek)

Bemerkenswert ist auch die Geschichte des einzigen Namenszeugnisses, das in Regensburg über ihn existiert. An der Donau erwarb Schultze einen dem Untergang durch Kalkabbau geweihten Höhenzug. Diesen schenkte er der Stadt Regensburg unter der Vorgabe, dass dort niemals eine Bebauung stattfinden sollte. Noch heute führen schmale Wege die Wanderer am rechten Donauufer durch den nach ihm benannten "Max-Schultze-Steig". Dieses Kleinod bietet heute das seltenen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum.

In einem Brief an einen Freund nannte er sich selber einen "Apostel für die Schönheit". "Zweifellos hat sich Schultze damit treffend charakterisiert", sagt Styra, denn er sei ja nicht nur selbst lebenslang auf der Suche nach dem Schönen in Natur, Architektur und Kunst gewesen, sondern "er wollte stets auch seinen Mitmenschen die Augen für die Schönheit ihrer Umwelt öffnen." Max Schultze war ein Kind des 19. Jahrhunderts, welchem der Baumeister Karl Friedrich Schinkel einst attestierte, es sei von der "Entdeckung des Bedrohten" geprägt. Eine Formulierung, die auch auf die Gegenwart und ihre heftigen Diskurse zutrifft. Schon deshalb, sagt Styra, lohne sich die Beschäftigung mit dem Leben und dem Werk Schultzes. Es sei schlicht von zu hoher Qualität, um es undokumentiert dem Vergessen anheimzugeben.

Apostel für die Schönheit. Max Schultze (1845-1926) als Architekt, Künstler, Alpinist, Natur- und Heimatschützer. Städt. Galerie im Leeren Beutel, Regensburg, Bertholdtstr. 9, bis 3. Oktober.

© SZ vom 08.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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