Anfang des Jahres schmeißen die meisten Menschen die letzten Lebkuchen-Reste weg, weil sie Orangeat, Nelken und Zimt nicht mehr ertragen können, was völlig klar ist, wenn man sie seit dem Ende der Sommerferien morgens, mittags und abends zu sich nimmt. Und weil die alte Sucht durch eine neue ersetzt werden muss, beginnen Bäckereien spätestens Anfang Januar mit der Produktion von Faschingskrapfen.
Dabei machte eine Oberpfälzer Traditionsbäckerei die traurige Erfahrung, dass sich Dinge und Geschmäcker manchmal ändern und der ebenfalls traditionsreiche Rumkrapfen nicht mehr so nachgefragt war wie einst. Sie nahm ihn aus dem Sortiment. Und das Drama nahm seinen Lauf, denn gleichzeitig hatten sich wohl auch ein paar Leute auf Facebook darüber beschwert, dass in den Rumkrapfen echter Rum steckt.
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In Zeiten von Analog-Käse darf man schon mal erstaunt sein, dass in einem Gebäck tatsächlich echter Alkohol steckt und nicht nur billiges Aroma. Möchte man meinen. Fanden einige andere Kommentatoren auf Facebook nicht, die normalen, die mit dem gesunden Menschenverstand. Da hätte es wohl auch nicht geholfen, darauf hinzuweisen, dass es die ganze Zeit eine alkoholische Alternative gab, für diejenigen, die den Dry January für einen ganz persönlichen Frontalangriff halten: den Eierlikörkrapfen.
Kurz vor der Faschings-Zielgeraden in Bayern konnte das Drama aber abgewendet werden: "Er is(s)t wieder da!", "Rumkrapfen-Comeback", "Der Rumkrapfen ist gerettet!", "Rumkrapfen gibt es wieder in ALL unseren Filialen!", heißt es da in der Lokalpresse.
Dass der Bäckermeister den Krapfen auch deshalb zunächst aus dem Sortiment genommen haben könnte, weil die Nachfrage drastisch zurückgegangen war, weil also seine total normale Kundschaft eventuell lieber die hundert anderen Krapfenarten kosten wollte, die ebenfalls extrem gut sind, auf diesen Gedanken kamen die anderen echten normalen Menschen mit gesundem Menschenverstand auf Facebook wohl zunächst nicht.
Nein! Der arme Rumkrapfen wurde von fiesen Bösen gecancelt! So wie auch die Leberkässemmel, der Schweinsbraten, Würschtl, Streichwurst, Pressack! Geht's noch!?
Es geht wieder. Weil die normalen Menschen ihren festen Wohnsitz bei Facebook verlassen haben und in die Filialen des Traditionsbäckers hineingegangen sind, um dort nach dem Rumkrapfen zu verlangen. Wenn sich normale Menschen mit ihrem Wunsch nach echtem Rum in Schmalzgebäck, den sie vorher nie hatten, zusammentun, dann können sie etwas bewegen.
Und so feierte der Rumkrapfen pünktlich zum krapfenumsatzstarken Faschingsendspurt sein fulminantes Comeback. Man könnte das auch Kapitalismus nennen. Oder gesunden Menschenverstand.