Illegales Autorennen:"Ich habe jemandem das Leben genommen"

Lesezeit: 3 min

Zwei junge Männer aus Greiling müssen sich wegen illegaler Autorennen zwischen Bad Tölz und Sachsenkam verantworten. Hinzu kommen weitere Vergehen. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Ein 23-Jähriger fährt mitten in Nürnberg einen Fußgänger tot. Auf dem Gehweg. Rennen mit dem Handy aufnehmen zu lassen, war offenbar ein Hobby des Fahrers. Nun muss er ins Gefängnis.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Der 31 Jahre alte Freund des gestorbenen Fußgängers zuckt seit vergangenem Sommer zusammen, sobald er einen Audi A7 sieht. Dasselbe passiert ihm mit Mercedes-Limousinen, auch die behält er im Auge, auch wenn er so einen Wagen in der Nacht des 24. Juli 2022, wenn überhaupt, lediglich aus dem Augenwinkel wahrgenommen hat. Die beiden Freunde waren zu Gast in Nürnberg, abends in einer Kneipe und begaben sich nach Mitternacht auf den Weg zurück ins Hotel. Sein ebenfalls 31 Jahre alter Begleiter hat diesen Weg nicht überlebt. Ein Audi A7 Sportback, mehr als 300 PS, hat ihn auf dem Bürgersteig mitten in der Innenstadt angefahren, in der Nähe des Plärrers. Er wurde zwei Meter in die Höhe geschleudert, mehr als zehn Meter nach der Kollision kam er zum Liegen. Die Staatsanwaltschaft nimmt an, dass der Wagen mit mindestens 110 Stundenkilometern unterwegs war.

Am Tag darauf hat der Fahrer des Audis, ein 23-Jähriger, bei einer Freundin angerufen und hat gesagt, er müsse sich der Polizei stellen und sein Gewissen erleichtern. In einer ersten Vernehmung klang das so: Ein roter Mercedes habe ihn von der Fahrbahn gedrängt, auf einer zweispurigen Straße in Richtung Plärrer, dem großen Verkehrsknotenpunkt in Nürnberg. Zwei Fußgänger habe er gesehen, die "schwer getorkelt" und den Bürgersteig in Richtung Fahrbahn verlassen hätten. Er habe ausweichen wollen und - um die beiden zu schützen - ohne Erfolg versucht, an eine Hauswand zu fahren.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Es gibt mehrere Videoaufnahmen von der Steinbühler Straße aus dieser Nacht. Man sieht Spaziergänger in kurzen Hosen in einer Hochsommernacht. Und man sieht die beiden 31-jährigen Fußgänger, die schnurstracks geradeaus laufen, auf dem Bürgersteig, weit entfernt von der Straße und glücklicherweise auch so weit entfernt, dass sich einer der beiden vor dem heranrasenden Audi dadurch schützen kann, dass er reflexartig in einem Hauseingang Schutz sucht. Aus dem Augenwinkel sieht er noch, wie sein Freund erfasst wird. Auf den Bildern der Videokamera ist zu sehen, wie der 31-Jährige wie gelähmt zu seinem Freund geht, an ihm vorbei stürzen Augenzeugen zu dem am Boden liegenden Mann.

Einer dieser Zeugen sagt am Freitag vor dem Nürnberger Schöffengericht, er habe an der gegenüberliegenden Tankstelle den Aufprall gesehen, sei sofort hinübergerannt. Natürlich habe er helfen wollen, aber dem erfassten Mann sei "nicht mehr zu helfen gewesen". Er starb noch am Unfallort.

Der Unfallfahrer verzichtet im Gericht darauf, noch einmal seine Erstversion von den torkelnden Fußgängern aufzutischen. Seinen Verteidiger lässt er vortragen, der Staatsanwalt habe in seiner Anklage den Vorgang richtig geschildert. Demnach ist der Audi seiner Geschwindigkeit wegen aus einer langgezogenen Linkskurve nach einer Kreuzung getragen worden, ist auf den Gehweg geraten und hat den 31-Jährigen voll erfasst.

Eine eigene Erklärung möchte der Fahrer auch abgeben, eine Bitte um Verzeihung. Der Saal 28 des Amtsgerichts ist eng, um die beiden Eltern des Verstorbenen anschauen zu können, muss sich der Angeklagte umdrehen. Sie sitzen etwa anderthalb Meter hinter ihm. "Ich bedauere es zutiefst", sagt er, "ich habe jemandem das Leben genommen." Mehr könne er nicht sagen, er fühle sich so schlecht.

Wie es zu der Raserei gekommen ist? Eine junge Frau schildert es so: An der Kreuzung vor dem Unfallort habe der Audi-Fahrer einen Mercedes-Fahrer "ständig provoziert", habe - an der Ampel stehend - mit dem Gaspedal gespielt, einer der Mitfahrer habe die Szene offenbar auch gefilmt. Die Frau war Beifahrerin in dem Mercedes, der Augenzeugen zufolge nach dieser Ampel ebenfalls sehr schnell unterwegs war. Die Zeugin wird für ihre Aussage von einem Anwalt begleitet, offenbar hat sie Angst, sich selbst zu belasten. Ja, einen Knall habe sie schon gehört, dazu stehe sie. Aber man sei weitergefahren.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 23-Jährige "seinem Geltungsdrang Ausdruck verleihen" und Passanten und andere Verkehrsteilnehmer mit einem spontanen Autorennen "beeindrucken" wollte. Und seine beiden Mitfahrer. Der eine, sein Bruder, sagt vor Gericht nicht aus. Der andere will mitbekommen haben, dass es am Telefon einen "Streit" gegeben haben soll zwischen dem 23-Jährigen und seiner Frau.

"Sie lügen wie gedruckt", sagt der Richter

Ansonsten will der Mitfahrer beim Fahren an seinem Handy gespielt und nichts davon mitbekommen haben, dass da gerade ein Mensch erfasst und mindestens zehn Meter durch die Luft geschleudert worden ist. "Sie lügen wie gedruckt", sagt Richter Siegfried Spliesgart. Auf dem Handy des Bruders wurden Videoaufnahmen von Rennfahrten durch die Stadt sichergestellt, "das scheint ein Hobby der beiden gewesen zu sein", sagt Spliesgart.

Der 23-Jährige ist mehrmals schon als Raser in Erscheinung getreten, ein Verfahren wegen eines illegalen Autorennens hatte er auch schon am Hals. Und dann trotzdem ein Verfahren am Amtsgericht, also nicht eine Stufe höher? Immerhin wurden Raser, denen ein Mensch zum Opfer gefallen ist, schon wegen Mordes angeklagt - etwa bei dem Aufsehen erregenden Fall 2016 auf dem Berliner Ku'damm, wenn auch das Unfallauto dort deutlich schneller unterwegs war und mehrere rote Ampeln überfahren hatte.

Dass er sich selbst der Polizei stellte, habe den Raser vor einer Anklage am Landgericht bewahrt, sagt der Staatsanwalt. Auch wenn der 23-Jährige noch Fahrerflucht begangen hat. Wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort wird er zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPriester-Ehepaar
:"Homosexualität im katholischen Klerus ist ein Erpressungsthema"

Florian Lehnert und Stefan Leitenbacher lernen sich als römisch-katholische Priester kennen. Jetzt sind sie verheiratet, teilen sich eine Arbeitsstelle als Priesterpaar in Franken - und sind immer noch katholisch.

Interview von Olaf Przybilla

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: