Manfred Weber kritisiert die CSU:"Immer mehr dominieren Parolen statt Sachantworten"

Lesezeit: 3 min

Der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber nimmt als überzeugter Europäer und Vertreter des liberalen Flügels derzeit eine ziemlich einsame Rolle in seiner Partei ein. (Foto: Alexander Pohl/Imago)

Der stellvertretende CSU-Chef und Europapolitiker Manfred Weber richtet einen Appell an seine Parteifreunde, der als Kritik am rechtskonservativen Kurs verstanden werden kann.

Von Wolfgang Wittl, München

Wenn Ende November die ersten Jahresrückblicke gesendet werden, könnte es genügen, sich politisch auf diese erste Woche im Juli zu beschränken: ein Parteichef, der seinen Rücktritt ankündigt und wieder zurücknimmt; eine Fraktionsgemeinschaft, die ihre jahrzehntelange Zusammenarbeit an einer kleinen Sachfrage zugrunde gehen sieht; eine mühsam gebildete Bundesregierung, die nur allzu leicht wieder zerbrechen könnte. Solch skurrilen Stoff kannte man sonst nur aus krisenerfahrenen Demokratien wie Italien. Doch dann kam diese historische Sonntagnacht von München.

Die turbulenten Tage haben auch in der CSU Eindruck hinterlassen. Nicht nur Horst Seehofers Bereitschaft, seine Ämter als CSU-Chef und Bundesinnenminister aufzugeben, hat die Partei aufgewühlt. Auch die Frage, wo die CSU ihren Standort definiert, ist aufgebrochen. Hechelt sie zu sehr der AfD hinterher, wie interne Kritiker befürchten? Driftet sie im Kampf gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik zu stark nach rechts? Verbaut sie sich selbst den Blick auf landespolitische Themen?

Umfrage zu Asylpolitik
:Bayerns Wähler haben den Unionsstreit satt

Laut einer Umfrage unterstützen zwei Drittel Seehofers Transitzentren, kritisieren aber den Stil der Auseinandersetzung.

Von Wolfgang Wittl

Der CSU-Vize Manfred Weber ist nicht bereit, diesen Weg mitzugehen. Durch den Einzug der AfD in den Bundestag habe die Debatte "Schlagseite bekommen", findet Weber: "Immer mehr dominieren Parolen statt Sachantworten." Immer mehr orientierten sich Parteien der Mitte "zu sehr an den Themen der politischen Ränder", immer mehr würden "Ängste bedient anstatt Lösungen gesucht". Wer will, kann dies als Anklage gegen den vorherrschenden Kurs der CSU verstehen.

Weber hat diese Sätze in einem Gastbeitrag für die Welt formuliert - ausgerechnet jener Plattform, auf der zuletzt konservativere Köpfe der CSU ihre Ansichten ausgestellt haben. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hatte unlängst geschrieben, dass der Begriff "Festung Europa" früher nur negativ besetzt gewesen sei. Doch "das ändert sich". CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte zu Jahresbeginn dort bereits die "konservative Revolution" ausgerufen.

Der Europapolitiker Weber, 45, plädiert für einen gemäßigten Kurs. "Wir müssen Politik für die Mehrheit der Menschen, also die bürgerliche Mitte machen", fordert er. "Die CSU ist in der Mitte der Gesellschaft, die Union insgesamt ist die Mitte." Allein die Betonung des Konservativen gefährde die Mehrheitsfähigkeit der CSU und ihren Status als Volkspartei, warnt Weber.

Natürlich gehörten auch Nationalkonservative zur CSU, sagt Weber - aber eben "als Facette, nicht als Kern unserer Partei". Bürgerliche Politik heiße: "Führung zeigen, Orientierung geben, Zusammenführen, Probleme nachhaltig lösen - schlicht Verantwortung leben. Das ist unser Weg und das beste Mittel gegen Populismus." Migration sei derzeit vielleicht das wichtigste, aber nicht das einzige Thema.

Auch ältere CSU-Granden bekamen Seehofers Zorn zu spüren

Webers Beitrag ist auch eine Antwort auf die Sitzung vom Sonntag, als Seehofer all jene gerügt hatte, die zum Kompromiss mit Merkel mahnten. Es sei "dumm von denen, die auf Nachgeben setzen, weil sie Merkel signalisieren, sie müsse nicht nachgeben", wurde Seehofer zitiert. Damit war auch Weber gemeint, der zwar Seehofers Asylplan zustimmte, aber für eine Verständigung mit Merkel warb.

Auch ältere CSU-Granden bekamen Seehofers Zorn zu spüren. Der frühere Kultusminister Hans Maier schwinge sich auf als "Moralapostel" im Namen des Christentums, schimpfte er. CSU-Generalsekretär Markus Blume bemühte sich hinterher um Schadensbegrenzung. Natürlich sei die CSU geschlossen, aber "geschlossen in der Bandbreite einer Volkspartei" - mit liberalen, christlich-sozialen und konservativen Überzeugungen.

Die CSU befindet sich in einer Situation, die sie längst hinter sich lassen wollte. Wie vor der Bundestagswahl 2017 droht aus ihrer Sicht auch die Landtagswahl am 14. Oktober zu einem Plebiszit über Merkels Asylpolitik zu werden. Der Streit mit der CDU dürfte wohl mehr Stimmen gekostet als gebracht haben. Selbst in der Söder ergebenen Landtagsfraktion wundern sich manche, warum der Ministerpräsident mit dieser Wucht in das Thema eingestiegen sei.

Damit habe er die Berliner Probleme nur nach München geholt. In Zeiten diffuser Umfragewerte hat Söder dann darauf gedrängt, den Streit schnell zu beenden. Deutlich wurde aber auch: Als Seehofer den Parteivorsitz preiszugeben bereit war, gab es für die meisten in der CSU nur eine logische Wahl als Nachfolger. Der Stärkste müsse es in dieser Phase machen: Söder.

Was wohl im Jahresrückblick über die Landtagswahl berichtet wird? Noch bleibe genügend Zeit, sagen CSU-Strategen. Und doch dürften viele der Meinung eines Parteimannes zustimmen, der sagt: "Es ist gut, dass jetzt die Sommerpause kommt."

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

ExklusivAsylpolitik
:CSU droht Italien mit Zurückweisungen

"Deutschland darf nicht der Dumme sein", sagt Generalsekretär Blume vor dem Besuch von CSU-Parteichef Seehofer in Österreich. Für diesen sei ein "Eintrag in den Geschichtsbüchern" sicher.

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: